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Reporter Eutin

„Aus eigener Kraft“

Eutin (ed). Es ist eine Kunst, Menschen so zu fotografieren, dass ihr Wesen auf den Fotos sichtbar wird, dazu braucht es handwerkliches Geschick natürlich, ein gutes Auge, vor allem aber Einfühlungsvermögen. All das hat Claudia Kroth – und dass sie die Menschen wirklich sieht und mit dem Auge ihrer Kamera erfasst und festhält, das ist auf den etwa 40 Schwarz-Weiß-Fotografien auf besonders schöne Weise zu sehen, die sie ab dem kommenden Sonntag in den Räumen des Forums Eutin ausstellt. Fotos von Menschen, deren Wurzeln nicht in Deutschland liegen, die aber hier angekommen sind, aus eigener Kraft und ohne Würde und Rückgrat zu verlieren.
Claudia Kroth ist ein Reisevogel, immer habe sie Sehnsucht nach dem Reisen gehabt und schon als junge Frau sei sie mit dem Rucksack monatelang durch Skandinavien gereist, erzählt sie. Dann kamen Studium und Familie und das Reisen war erstmal Nebensache. „Als meine Tochter erwachsen war, hat mich die Reiselust wieder gepackt.“ Und weil Claudia Kroth keine halben Sachen macht, packte sie ihre Koffer und reiste mit einem Freund nach Tibet. Aber das war nur der Anfang: „Wo auch immer ich drüber weggeflogen bin und darauf runtergeschaut habe, dachte ich: Da muss ich hin.“ Ihre Reiseziele sind keine Alltäglichen: Sommer in der Taiga, per Schiff ins sibirische Eismeer oder mit der Transsibirischen Eisenbahn nach China – keine Luxusreisen, eher Abenteuer pur mit dem Rucksack und immer den Fotoapparat im Anschlag. Landschaften ja, aber noch lieber Portraits, denn ihr Herz gehört den Weiten der Taiga, der Mongolei oder besser: Den Menschen, die dort leben. „Meine Sache ist das mit den Menschen“, sagt sie ganz einfach, „mit Menschen muss man sich auseinandersetzen, auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht.“ Und diese Gabe hat Claudia Kroth, sie hört zu, schaut hin, ist mit Empathie und dem Verständnis bei den Menschen, das nicht die gleiche Sprache braucht. „Das Reisen und das Beschäftigen mit anderen Kulturen ist das große Geschenk meines Lebens.“
Fast um die ganze Welt gereist und zurück zuhause in Köln sei sie durch die Straße gegangen und so viele Menschen gesehen, deren Gesichtszüge sie an die Länder erinnerten, die sie bereist hatte – „und plötzlich war ich wieder im Thema, nur eben nicht in Syrien sondern in Deutschland.“ Also fragte sie die Menschen nach ihrer Geschichte, ob sie sie fotografieren dürfe – fast alle sagten ja und wer Claudia Kroths freundliche, interessierte, aufrichtige Art kennt, weiß auch, warum. Menschen aus Marokko, Afghanistan, der Türkei, Zaire, Irak und Iran, Syrien, Burkina Faso oder Oman, Indien oder der Türkei, Kamerun, den USA, Kenia und Kasachstan, junge wie alte, vom afghanischen Gemüsehändler, der in seiner Heimat Journalist gewesen ist, über das kasachische Mädchen oder die syrischen Freundinnen bis zum Promikoch Ali Güngörmüs oder der SPD Politikerin Aydan Özoguz – so verschiedenen sie sind, haben sie eines gemeinsam: Sie alle haben es geschafft, hier anzukommen, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Aus eigener Kraft. Manche träumen davon, zurück nach Hause zu gehen, andere haben hier ihre Heimat gefunden. Entstanden sind wunderbar ausdrucksstarke Portraits, die Geschichten erzählen. „Ich mag es zu zeigen, was in den Menschen steckt“, sagt die Fotografin, „das zu dürfen, hat mich zutiefst beglückt.“ Die Fotos sind allesamt analog, Filme und Fotos selbst entwickelt – auch das zeigt die Nähe der Fotografin zu den Menschen, die sie festgehalten hat. Weil sie sich einfühlen kann in die Menschen: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, sehr weit weg von Zuhause zu sein.“
Geboren in Andernach verbrachte Claudia Kroth den größten Teil ihres Lebens in Köln – wenn sie nicht gerade auf Reisen war. So wie in den Achtziger Jahren, als sie mit ihrer Familie in der Holsteinischen Schweiz unterwegs war und ihre Liebe zu unserer schönen Region entdeckt hat – schon damals habe sie die Idee gehabt, hierher zu ziehen. „Aber es war einfach noch nicht so weit“, schmunzelt sie, „als ich dann nicht mehr jung war und mich fragte, was ich jetzt mache, kam mir Eutin wieder in den Sinn.“ Hier sei sie immer wieder gewesen, sagt sie, erzählt von Abenden im Voß-Haus und Spaziergängen am See – und der Gedanke setzte sich fest, zumal ein Teil ihrer Familie hier ob lebt, also setzte sie ihn in die Tat um und zog vor zwei Jahren nach Eutin: „Und ich bin so glücklich, hier zu sein“, strahlt sie.
Fotografiert habe sie schon immer, erzählt sie, ihre Bilder wurden in vielen Ausstellungen gezeigt – diese hier aber ist eine besondere: Konzipiert als Wanderausstellung hat das Goethe-Institut sie in seinen Häusern gezeigt. Jetzt hat Claudia Kroth sie mit nach Eutin gebracht und zeigt sie mit dem Forum Eutin an einem Ort, der besser dafür nicht sein könnte, denn ihre Portraits Angekommener hängen genau da, wo Menschen beim Ankommen geholfen wird. Ihre Zitate, was Deutschland für sie bedeutet, was Heimat ist, ergänzen Claudia Kroths Bilder perfekt.
Die Vernissage findet am kommenden Sonntag, dem 14. November um 11 Uhr im Forum Eutin in der Bismarckstraße 2 statt. Eine Anmeldung zur Vernissage ist möglich unter 04521-701418 oder kontakt@forum-eutin.de. Für die Veranstaltung gilt die 3-G-Regelung.


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