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„Der Weg zum Ziel ist nicht im Schongang zu bewältigen“

Malkwitz. Manchmal brauchen wir Menschen Unterstützung, wenn es darum geht, schätzen zu lernen, was uns direkt umgibt. “Ich wohne in einer idyllischen Alleinlage” - diese Aussage einer Kursteilnehmerin wurde bei der Zertifikatsübergabe für Bauernhofpädagogik der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) mit unterstützendem Jubel begrüßt. Die Sprecherin hat über die Kursdauer gelernt, ihren Hof mit neuen, positiven Augen zu sehen. Mit gesundem Selbstbewusstsein kann diese Wertschätzung an andere Menschen weitergegeben und schließlich auch Einkommen generiert werden. Etwas Neues entwickeln aus den vorhandenen Ressourcen - diese Thematik wird seit nunmehr elf Jahren im Ausbildungskurs “Bauernhofpädagogik” der LKSH mit wachsendem Erfolg aufgegriffen. Aufgrund der großen Nachfrage wurden in diesem Jahr zum ersten Mal zwei Basislehrgänge parallel durchgeführt. Inzwischen ist der Lehrgang weit über die Grenzen von Schleswig-Holstein bekannt, und das erprobte und bewährte Konzept wurde unter anderem von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Luxemburg übernommen. Viele Bauern haben mit einem Imageproblem zu kämpfen - Landwirte belasten Luft, Boden und Wasser, heißt es, oder gehen nicht tiergerecht mit ihrem Vieh um -, und mit einer wachsenden Unwissenheit ihrer Mitmenschen. Nicht nur in den Großstädten geht das Wissen verloren, was typische Hofarbeiten beinhalten oder wie sich die jahreszeitlichen Abläufe auf einem Bauernhof mit Tieren und Pflanzen auswirken. Die reine Tierhaltung und Lebensmittelproduktion treibt zudem zahllose Landwirte in die roten Zahlen. Ein Umdenken ist gefragt. Ein genaues Hinblicken, was jeder Hof individuell für sich an Besonderheiten zu bieten hat. 252 Zertifikate durfte der Präsident der LKSH, Claus Heller, bereits an Teilnehmer/innen aus ganz Deutschland aushändigen: “Das Netzwerk wird immer dichter und das funktioniert durch Menschen wie Sie, die für eine Sache brennen, sich gegenseitig unterstützen und das Thema Landwirtschaft kompetent in die Bevölkerung tragen”, so der Präsident an die 27 diesjährigen Absolvent/innen. Gastgeberin der Zertifikatsübergabe war Melanie Engel vom Wein- und Erdbeergut Ingenhof in Malkwitz. Vor zehn Jahren gehörte sie zu den Teilnehmerinnen des allerersten Kurses. Kürzlich wurde der Ingenhof von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) zum “DLG-Ferienhof des Jahres 2015” ausgezeichnet - als einziger Hof Schleswig-Holsteins. “Ohne Christine Hamester-Koch und ihre ungewöhnlichen Methoden wäre das Seminar überhaupt nicht denkbar”, bedankt sich Lehrgangsleiterin Heiderose Schiller bei ihrer Hauptreferentin. “Sie ist die Frau der ersten Stunde und wir haben gemeinsam das Konzept “Bauernhofpädagogik” entworfen. Christine ist nicht bequem - aber gute Lehrer sind nie bequem!” Die Lehrgänge sind von Anbeginn an praxisnah, lebendig und intensiv. Ziel ist es, ganz persönliche, individuelle Konzepte für jeden Teilnehmer entstehen zu lassen, wie man den Hof für andere Menschen öffnen kann - zum Beispiel für Kindergeburtstage -, um ein zusätzliches finanzielles Standbein zu etablieren. Am Ende des Kurses haben die Teilnehmer keine theoretischen Traumschlösser im Kopf, sondern das Werkzeug in der Hand, konkret ausgearbeitete Konzepte sofort in die Praxis umzusetzen. Die sozialen Medien, wie zum Beispiel Facebook, bieten dabei den Absolvent/innen einen unkomplizierten Rahmen, untereinander in Kontakt zu bleiben, Erfahrungen auszutauschen oder sich Hilfestellungen zu geben. “Aus den sechzehn Köpfen, die Anfang des Jahres nach Futterkamp kamen, ist tatsächlich ein Wir geworden”, fasst Regine Birkelbach aus Unna zusammen. “Es ist mir wichtig, die Teilnehmer/innen aus ihrer Komfortzone herauszulocken. Der Weg zum Ziel ist nicht sanft oder gar im Schongang zu bewältigen. Er ist rau und mit einigen Tiefen bestückt”, erklärt Christine Hamester-Koch. “Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, dass wir mit einem starken Selbstwertgefühl auf den Markt stoßen” und weiter “Es sind A die Kinderaugen, die Ihr zum Strahlen bringen dürft, aber B die Erwachsenen, die neue Sichtweisen nur bei Euch kennenlernen können”. Ob Kindergeburtstag, Märchenstunden, Tagesbetreuung, Projekte mit Tier und Mensch, Kräuterkurse, Projekte für Kindergärten, Schulklassen oder Feriengästen - die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. So hatte Isa Burke aus Bujendorf mit ihrem Hof Casa Burke viele Pläne, die sich aufgrund gewerblicher Nutzungsbestimmungen leider nicht realisieren ließen. Die zehntätige Ausbildung half ihr, ein Alternativkonzept zu entwickeln: Ab Juni 2016 kommt sie mit ihrer mobilen Farm in den Kindergarten, Seniorenstift oder auch zu Ihnen nach Hause. Anmeldeschluss für den nächsten Bauernhofpädagogik-Kurs ist der 15. Februar 2016. Ansprechpartnerin bei Interesse ist Heiderose Schiller von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel. 04331/9453 244. Teilnehmer/-innen aus Schleswig-Holstein werden aus Mitteln der EU (ELER) und des Landes Schleswig-Holstein (MELUR) gefördert. Der Teilnehmerbeitrag liegt bei 750€/Person bei Förderung.


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