

Eutin (aj). Für Tanja Rosburg hatte sich der Abend gelohnt: „Ich weiß jetzt, wen ich wählen werde“, sagte die Eutinerin nach der dreistündigen Vorstellungsrunde zur Bürgermeister*inwahl am Montagabend. Lebhaft hatte sie verfolgt, was die sechs Männer und eine Frau an Argumenten für die eigene Person in die Waagschale zu werfen hatten: „Ich kannte die Kandidaten nicht, deshalb war dieser Abend sehr hilfreich“, erklärte sie und sie verriet auch, was für sie den Ausschlag für eine Wahlentscheidung gegeben hatte: „Es war das persönliche Auftreten, die Ausstrahlung und die Kompetenz in den einzelnen Bereichen.“ Wie Tanja Rosburg waren fast 500 Eutiner*innen der Einladung zur Festspielbühne gefolgt. Carsten Kock, der RSH-Chef-Korrespondent, moderierte in bewährter Weise und wer sich fragte, wie man angesichts von sieben Bewerber*innen den Überblick behält, den tröstete er mit dem Verweis auf Rostock: Dort gebe es 21 Kandidat*innen. Für die Eutiner Sieben begann der Abend mit drei Minuten für die persönliche Vorstellung, im Folgenden ging es dann um drei Dinge, die nach gewonnener Wahl jeweils angepackt würden, und nicht zuletzt um die Fragen aus dem Publikum. Aufgelockert wurde das Ganze durch persönliche Lieblingsorte in der Stadt und Auskunft dazu, was „das Schönste an Eutin“ sei. Sascha Clasen (CDU) präsentierte sich unprätentiös als überzeugter Eutiner.
Der Leiter der Polizeistation in Malente sieht sich durch sein Amt als stellvertretender Bürgermeister als bestens vorbereitet. Bis zum Amtsantritt Anfang 2024 könne er sich vertieft in alle Themen und Abläufe einarbeiten, so Clasen, der derzeit als Interims-Bürgermeister agiert. Als Bürgermeister wolle er ein Wir-Gefühl im Rathaus-Team etablieren und für Bürger*innen ansprechbar und offen für Veränderungen und gemeinsame Ideen sein. Die TOP 3 des verheirateten Vaters zweier Söhne sind das Rathaus-Team, mehr (Abend-)Veranstaltungen für junge Menschen und damit verbunden das Projekt Schlossterrassen und schließlich möchte er „Vertrauen zurückgewinnen“. Für Olaf Bentke (Freie Wähler) ist eine direkte Bürgerbeteiligung der Schlüssel für ein Gedeihen der Stadt. Der gebürtige Eutiner beschrieb sich als kompetent im Bereich Finanzen und möchte mit seinem Wissen als Finanzberater hier Schwerpunkte setzen. Bentke hat eine Tochter und ist viel mit seinem Hund unterwegs. Bürgernähe will er in verschiedenen Formaten realisieren und innerhalb der Verwaltung setzt er auf „Führung durch Vorbild“. Auf seiner Prioritätenliste stehen die Digitalisierung, die Fertigstellung der Zuschauertribüne der Festspiele und eine bessere Zusammenarbeit von Verwaltung, Politik und Bürger*innen.
Mit Christoph Müller ist ein Kandidat dabei, der sich auch zur letzten Wahl gestellt hat. Vierzig Jahre Erfahrung in der Gastronomie und im Baugewerbe führte er an. Damit will er Eutin neues Leben verschaffen. Er habe ein „Ohr am Volk“, um Begeisterung zu bewirken und Ideen umzusetzen. Man müsse Vorgänge so erklären, dass es auch „Lieschen Müller“ verstehe, so Müller wörtlich. Für ihn hat ein Kompromiss in Sachen Schulneubau der Wisserschule größte Wichtigkeit, den sozialen Wohnungsbau will er in die Zuständigkeit der Stadt legen als Bauherrin und Verwalterin und ein Parkhaus mit 300 Plätzen soll zur Innenstadtberuhigung und Geschäftsbelebung beitragen. Elfi-Jacqueline Meyer (FDP) stellte sich als Ur-Eutinerin vor und gab einen Rückblick auf ihr vielseitiges kommunalpolitsiches Engagement. Die erfahrene Unternehmerin mit eigenem Pferdehof sieht ihre Rolle als Verbindungsglied zwischen Verwaltung und Bürger*innen. Ihr Ziel sei es, dass sich „jeder wohlfühlt“. Und die Dorfvorsteherin von Fissau war sich sicher: „Ich habe die Energie dafür!“ Unter dem Motto „Fröhlich nach vorn“ will sie einen Mängelmelder einrichten, den Prozess zur Ansiedlung eines Hostels oder einer Jugendherberge wieder beleben und den Kontakt zu jungen Menschen suchen, um sie in der Stadt zu halten. Ein alter Eutiner ist auch Sven Radestock (Bündnis 90/Grüne). Aktuell lebt er zwar in Neumünster, aber er wisse über ein Zeitungsabo, „was hier läuft“. Mit der Sicherheit eines Medienprofis erläuterte der Journalist, er sehe seine künftige Funktion als die eines Klassensprechers: „Einer, der dazu gehört und die Geschicke lenkt“.
Er wolle Meinungen und Wissen zusammentragen. Als erste drei Anliegen nannte er das „Mehr Wir“ für Eutin, den Klimaschutz in Form von mehr Grün und mehr Photovoltaik-Anlagen und den Dialog mit jungen Menschen, die auch er in Eutin wissen möchte. Verwurzelt in der Stadt ist Michael Kasch. Der vierfache Familienvater gab Einblick in seinen vielfältigen Bildungsweg. Der Eutiner Fachdienstleiter für Bildung und Kultur beschrieb sich als kommunikativ und strukturiert und kündigte einen kritischen Blick auf den Haushalt an. Projekte wolle er anhand einer Prioritätenliste abarbeiten. Im Rathaus wolle er den anstehenden Generationenwechsel gestalten und jüngere Mitarbeiter*innen durch Fördern und Fordern halten. Vertrauensaufbau und klare Kommunikation mit den Bürger*innen rangieren auch auf seiner Liste ganz oben, gefolgt von den Baumaßnahmen Festspiel-Tribüne und Schlossterrassen. Mit Daniel Hettwich ist auch ein Neu-Eutiner unter den Bewerbern. Seit 2009 lebt der Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises mit Patchworkfamilie in Eutin. Seinen Schwerpunkt setzt er auf dem Feld der sozialen Sicherheit und im Aufbau von Zusammenhalt. Als parteipolitisch „unbelasteter“ Bürgermeister werde er Brücken bauen und eine größtmögliche Bürgerbeteiligung umsetzen. Im Rathaus wolle er mit Wertschätzung und Respekt agieren. Für ihn hat ein Befrieden des Ringen um den Schulneubau oberste Priorität, zudem wolle er nach der Wahl Beiräte installieren, die sich aus Expert*innen, Stadtvertreter*innen und Bürger*innen zusammensetzen. Hettwichs Punkt 3 gehört der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Alle Kandidat*innen betonten die gewünschte Nähe zu den Eutinerinnen und Eutinern. Die wollten zum Beispiel wissen, was die Sieben über den Kauf der Eutiner Mühle denken. Während sich Sven Radestock darauf freut, das Konzept von Tourismuschef Michael Keller umgesetzt zu sehen, sehen Sascha Clasen und Daniel Hettwich das Projekt kritisch: „Kellers Konzept ist genial, ob es klappt, weiß man nicht“, so Clasen, der einen wachsenden Schuldenberg im Falle eines Misslingens befürchtet. Es gehe nicht nur um den Kauf, sondern auch durch Sanierung und Betrieb, argumentierte Hettwich, der sich einen Investor mit verbindlicher Zusage einer öffentlichen Nutzung gewünscht hätte. Welche Kosten im Winter auf die Stadt zukämen, sei noch nicht absehbar und die Versorgung finanziell nicht gutgestellter Menschen müsse gewährleistet sein. Auflagen für einen möglichen Investor hätte auch Elfi-Jacqueline Meyer sich gewünscht. Genau wie Olaf Bentke, der betonte, er sei gegen den Kauf durch die Stadt: „Ein Investor bedeutet nicht, dass dort keine Gastronomie mehr ist.“ Die Haushaltslage gab den Ausschlag für Michael Kaschs Skepsis: „Es ist schwierig. Und eine Gastronomie wie wir sie von früher kennen, werden wir dort nicht mehr haben“, meinte er. Diesbezüglich brachte sich ein anderer Bewerber ins Spiel: „Ich bin für den Ankauf der Kultstätte“, meinte Christoph Müller und meldete sein Interesse an einem künftigen Gastro-Betrieb an: „Ich würde mich einbringen!“ Während es bei der Frage nach der Sicht auf das Ehrenamt die zu erwartende wertschätzende Einmütigkeit gab (vielleicht hätte man auf die Nennung konkreterer Maßnahmen bestehen können), gab es beim Klimaschutz knackigere Aussagen: Das Spektrum reichte von der Einrichtung eines Klimabeirates (Hettwich), Auflagen für die B-Pläne und ein Solarflächenkonzept in Kooperation mit den Stadtwerken (Meyer), über die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude und eine Elektrifizierung des ÖPNV (Kasch) bis zur Erarbeitung eines Solarkatasters, einer Aufwertung der Rolle der Klimaschutzmanagerin und eine Prüfung der Möglichkeiten der Nutzung von Wasserstoff in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken (Clasen) sowie einer Aufrüstung mit Photovoltaikanlagen (Bentke) und zu der Vision einer Solar-Überdachung für Parkflächen, von kleineren, elektrobetriebenen Bussmodellen und einem Verzicht auf einzelne Stellplätze zugunsten von Baumpflanzungen (Radestock). Und weil kein Wahlkampf ohne Versprechen auskommt, durfte die Runde zum Abschluss unter dem fairen Applaus eines zumeist tapfer in der zunehmenden Abendkühle ausharrenden Publikums formulieren, was man von ihnen jeweils erwarten darf. Bürgernähe war das Schlüsselwort. Dazu kamen soziale Sicherheit (Hettwich), Präsenz in offener und ehrlicher Weise (Clasen), eine „Der Bürger ist Kunde und der Kunde ist König“ - Mentalität im Rathaus (Bentke), Sauberkeit, Ordnung und eine blühende Stadt anstelle von Luftschlössern (Meyer), regelmäßige Information über Projekte (Kasch) und „das Ohr am Bürger“ (Müller).
Das letzte Wort hatte nach drei intensiven Stunden Bürgervorsteher Dieter Holst: „Gehen Sie zur Wahl!“, lautete sein Appell. Am 12. September beginnt die Briefwahl. Wer Informationen für die Wahlentscheidung braucht, findet sie auf den Internetseiten der Kandidierenden und in kurzen Interview-Clips auf der Internetseite der Stadt. Und sicher werden alle Sieben in der nächsten Zeit auch immer wieder direkt ansprechbar sein.