Reporter Eutin

Gemüse, Obst und Kräuter wie zu den Zeiten der Herzöge

Eutin (ed). So lang wie der Küchengarten brach lag, so sehr geht den Eutinern das Herz auf, wenn sie sehen, wie er wieder mit Leben gefüllt ist – dank seiner Revitalisierung auch im Rahmen der Landesgartenschau finden sich neben den Ackerflächen für Spargel und Kartoffeln, der Beerenwiese und den Flächen, deren Nutzung noch aussteht, vier wunderbare kleine Gärten, die von ehrenamtlichen Gärtnern angelegt und gepflegt werden. So auch der kleine “Gemüsegarten” des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) – zusammen mit einigen weiteren Gartenfreunden wird er von Sabine Friederichsen vom VEN gehegt und gepflegt. Und hier wachsen Gemüse- und Obstsorten, die nachgewiesenerweise bereits zu den Zeiten hier gediehen, als der Garten noch die Familie der Herzöge versorgte. Der VEN hat es sich auf die Fahnen geschrieben, dafür zu sorgen, dass nicht nur einige wenige Arten einer Gemüsesorte überleben, sondern die Sortenvielfalt erhalten bleibt, dass auch alte, samenfeste Sorten, die vielleicht nicht gleichzeitig reifen, deren Ertrag vielleicht nicht so groß ist, die aber zu unserer Landschaft und unserer Kultur gehören und die einfach schmecken. Im Eutiner Küchengarten haben Sabine Friederichsen und ihre Mitstreiter den Ort gefunden, an den solche Sorten gehören – an dem sie erhalten und vermehrt werden können. Denn die Saaten für diese Sorten kann man kaum noch irgendwo kaufen, aber entweder gegen eine Spende beim VEN erwerben oder gegen die Saat anderer samenfester Sorten eintauschen. So wie die Gärtner es schon vor Hunderten von Jahren gemacht haben. Ursprünglich sei der Küchengarten da gewesen, wo heute das Amtsgericht steht – “und der Gärtner hat da gewohnt, wo das Riemannhaus ist”, erzählt Sabine Friederichsen und pflückt eine dicke Schmorgurke. Erst mit der Umgestaltung und dem Bau der Klimamauer zog auch der Küchengarten mit in den Schlossgarten, 1,8 Hektar mitten hinein in den Englischen Landschaftsgarten – hier wurden dann Obst und Gemüse, Kräuter und auch Heilpflanzen in ausgewogener Mischung für die Tafel der Herzöge gezogen. Für ihren Garten im Küchengarten hat Sabine Friederichsen Stunde über Stunde im Landesdenkmalamt über den Kammerrechnungen gebrütet und die Sorten entziffert, die vor Jahrhunderten im Küchengarten gediehen. “Mairübchen gehören dazu”, sagt sie, “erst seit Kurzem sieht man sie wieder auf den Wochenmärkten.” Auch Pastinaken gebe es schon ganz lang – sie findet man ebenso in dem kleinen Garten wie eine Reihe bunten Mangolds, ein Gemüse, mit dem die wenigsten Menschen heute noch etwas anfangen können. In einigen Fälle habe sie auf ähnliche Sorten ausweichen müssen – so habe sie den Forellen-Salat nicht mehr finden können, aber eine verwandte Form dieser Salatsorte, die so bunt ist wie eine Forelle, den “Forellenschluss”. Möhren gibt es natürlich, aber auch die Zuckerwurzel, die vor der Kultivierung der Möhre das favorisierte Wurzelgemüse gewesen sei, wie Sabine Friederichsen erzählt. “Sie ist etwas süßer als unsere Möhren, aber sehr lecker.” Die Gärten, in denen Rote und Gelbe Melde wachsen, kann man wohl an einer Hand abzählen – dabei war die Melde ein beliebtes Gemüse, das als Salat ebenso gut mundet wie gekocht als eine Spinat-Art. Oder Feuerbohnen, die gefleckten Bohnen, die so herrlich rot blühen – zu gefleckt für die Norm. “Viele der Sorten passen einfach nicht mehr in die heutige Massenproduktion”, so Sabine Friederichsen, “die ja auch vorm Gemüse nicht Halt macht.” Dabei seien gerade für Nutzgärten die alten Sorten viel geeigneter, eben weil nicht alles gleichzeitig reift. Wie die alte Dicke Bohnen-Sorte, die hier so gut gedeiht – oder die rotblühende Mouche oder auch die Haferwurzel. “So ähnlich wie Schwarzwurzeln”, sagt die Expertin, “aber nicht so schleimig und mit einer wunderschönen lila Blüte.” Oder wie wärs mit Spargelsalat? Da kann man den Stängel wie Spargel essen, die Blätter wie Salat. “Kürbisse gab es auch schon immer in Küchengärten”, erklärt Sabine Friederichsen und zeigt auf einen eindrucksvollen Kürbis der Sorte Gelber Zentner. “Genauso wie Portulak oder Kartoffeln.” Sechs Sorten wachsen hier – die unvermeidliche Linda ebenso wie die köstliche La Ratte von 1872 oder die feine Vitelotte von 1900, der Blaue Schwede oder die Violetta. Schmackhaft seien auch die Johanniszwiebeln, die kleine Zwiebelchen ausbilden, deren Grün aber ebenfalls verzehrbar sei. Eine reichtragende alte Sorte Butterbohnen ist gerade reif und schenkt butterzarte Böhnchen – und die sogenannte Walzgurke, klein und dick, rankt sich am Zaun entlang. Eingefasst wird der Garten mit den alten Gemüse- und Obstsorten von Kräutern und Blumen, viele davon essbar wie die Ringelblumen oder der Jungfer im Grünen, die auch als Schwarzkümmel bekannt ist. Die Nachtkerze wohnt hier in Doppelfunktion, denn bevor ihre Blüte kommt, kann man ihre Wurzel essen – und ihre Blüte dann lockt nachts die Falter an, die dann wiederum den Fledermäusen das Abendessen versüßen. “Wir bauen hier nicht nur für die Menschen an sondern auch für Insekten, Fledermäuse, Vögel”, sagt Sabine Friederichsen, “schon früher gab es diese Mischung in den Küchengärten.” Heute sind viele der Sorten nur noch in wenigen Nutzgärten oder eben an Orten wie dem Küchengarten zu finden – dass sie aber wieder Verbreitung finden, dafür sorgen Sabine Friederichsen und ihre Mitstreiter nach Kräften. Von jeder Sorte, die hier wächst, wird ein Teil wieder zur Aussaat verwendet – das gilt für die Jungfer im Grünen genauso wie für die Kartoffeln, für die Melde wie für die Pastinaken. “Man muss die Sorten anbauen, nicht einfrieren”, sagt Sabine Friederichsen, “nur so kann man sie erhalten.” Wer sich für den VEN und seine Sorten interessiert, der schaut am besten mal freitags nachmittags im Küchengarten vorbei und trifft die Gemüsegärtner bei der Arbeit an.


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