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Reporter Eutin

Menschenrechtsverletzungen durch Ölförderung in Nigeria

Eutin (ls) Nigeria, ein Bundesstaat in Westafrika, hat mit über 190 Millionen Einwohnern weltweit die siebtgrößte Bevölkerung. Neben Südafrika ist Nigeria auch die größte Volkswirtschaft Afrikas, wobei 80 Prozent der Einnahmen aus der Ölwirtschaft kommen. Das Land ist also sehr reich, trotzdem leben 70 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
Am Dienstagabend vergangener Woche sprach Lisa Nöth, Politikwissenschaftlerin und Nigeria-Expertin bei Amnesty International, in einem öffentlichen Vortrag in der Kreisbibliothek über die aktuelle Lage der Menschenrechte in Nigeria. Dabei ging sie besonders auf die Ölverschmutzungen und Unternehmensverantwortung im Nigerdelta ein. Der Vortrag wurde von Amnesty International Eutin /Plön in Zusammenarbeit mit dem Friedenskreis Eutin organisiert.
Nigeria ist ein von Konflikten, Umweltverbrechen und Korruption geprägtes Land. In den letzten beiden Jahren eskalierten die bereits länger andauernden Auseinandersetzungen zwischen sesshaften Bauern und nomadisierenden Viehhirten. Aufgrund des Klimawandels trocknen Weidegründe aus, was die Viehhirten dazu zwingt, gen Süden zu ziehen. Es kommt zu gewaltsamen Konflikten um die Landnutzung und während beide Seiten versuchen, der jeweils anderen die Lebensgrundlage zu entziehen, ziehen sich Sicherheitskräfte der Regierung zurück. Morde werden nicht aufgearbeitet, Verantwortliche werden nicht vor Gericht gebracht. Durch die Militarisierung der Terrorgruppe Boko Haram haben auch religiöse Konflikte neue Dimension angenommen. Anschläge über die Grenzen Nigerias hinaus forderten bereits über 8.000 tote Zivilisten, mehr als zwei Millionen Menschen flüchteten vor der Gewalt durch die islamistische Sekte. Das nigerianische Militär reagierte auf diese Gewalt mit willkürlichen Verhaftungen, öffentlichen Hinrichtungen und systematischer Folter.
In dieser komplexen und schwierigen innenpolitischen Situation sind momentan nur kleine Fortschritte zu realisieren. Hierzu zählen, initiiert und getragen vom Engagement von Amnesty International, Erfolge bei Klagen gegen die mächtigen Ölkonzerne, die verantwortlich für die Verseuchung des Mündungsgebiets Nigerdelta sind. Schlechte Instandhaltung der Förderanlagen und mangelnde Kontrollen führen zur Kontaminierung von Gewässern und Böden, Fische sterben und es lässt sich keine ertragreiche Landwirtschaft mehr betreiben. Da der Großteil der Menschen im Nigerdelta von der Fischerei und Landwirtschaft lebt, nimmt ihnen die Verschmutzung die Lebensgrundlage. Manche Öllecks dauerten entgegen der Umweltgesetze in Nigeria über ein Jahr an. Die Passivität der Regierung dabei erklärt sich durch ihre Beteiligung an den Ölunternehmen. Und die Entschädigungen der Unternehmen sind häufig vollkommen unzureichend. So bot Shell der Gemeinde Bodo im Ogoniland, in der sich 2008 tausende Barrel Öl auf Land und Gewässer ergossen hatten, zunächst 450 Säcke an Nahrungsmitteln als Kompensationsangebot an. Nach einem über sechs Jahre andauernden gerichtlichen Prozess hat sich Shell mit der Gemeinde auf eine Entschädigungssumme von 78 Millionen Euro geeinigt. „Die Arbeit der Amnesty-Sektion in Nigeria ist beeindruckend“, hob Nöth hervor. Der große Informationsfluss und das Untersuchen und Auswerten von Daten über die Öllecks unterstütze die Gemeinden, einigermaßen angemessene Entschädigungszahlungen zu erhalten. Ein Zuhörer merkte an, dass das leider nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“ sei. Trotzdem wecke so ein Erfolg aber Hoffnungen bei anderen betroffenen Gemeinden und helfe grundsätzlich.
Zudem läuft seit 2017 eine Klage gegen Shell in den Niederlanden. Vor 25 Jahren wurden neun Anführer der Bewegung „Movement for the Survival of the Ogoni People“ wegen angeblicher Morde von der Regierung gehängt. In friedlichen Protesten hatten sie gegen Schäden, die Shell im Ogoniland und in dem Leben der Gemeinden hinterlassen hat, protestiert. Esther Kiobel, Frau eines der Opfer, klagt mit drei anderen Witwen der „Ogoni 9“ gegen die Firma. „Es steht noch ein langer Weg bevor“, resümierte Nöth. Aber durch die Aufarbeitung der Daten und die umfassende Unterstützung durch Amnesty International und andere Organisationen ist im Mai 2019 erstmalig in einem Zwischenurteil zugunsten der Klägerinnen entschieden worden. Mehr Informationen zu der Menschenrechtslage in Nigeria finden Sie hier: https://www.amnesty.org/en/countries/africa/nigeria/ und https://amnesty-westafrika.de/nigeria/


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