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Reporter Eutin

Mit dem Habicht auf die Jagd

Seit 60 Jahren treffen sich die Falkner zur Beizjagd in Gothendorf.

Seit 60 Jahren treffen sich die Falkner zur Beizjagd in Gothendorf.

Gothendorf (aj). Fröhliches Hundegebell, geschäftiges Treiben und neugierige Blicke - für Aki war der vergangene Samstag zweifellos gespickt mit aufregenden Erfahrungen. Der Habichtsterzel erlebte nämlich in Gothendorf seine erste Beizjagd. Am 19. Juni geschlüpft, ist er noch ein Rotvogel, so werden die jungen Habichte wegen der Farbe ihres längsgestreiften Gefieders genannt: „Das signalisiert den anderen Vögeln eine Art ‚Welpenschutz‘. Aki kann noch durch alle Reviere fliegen, ohne dass er attackiert wird“, erklärte sein Halter aus dem Schleswig, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung gedruckt sehen will. Denn zur Falknerei gehören häufig immer wieder auch Anfeindungen: „Dabei hat die moderne Falknerei, wie wir sie als Hobby pflegen, nichts mehr mit der Greifjagd von anno dazumal zu tun“, betonte Thilo Henckell. Der Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg/Schleswig-Holstein des Deutschen Falkenordens war wie sechs weitere Falkner*innen der Einladung von Otto Witt und Harald Jaacks zur Beizjagd gefolgt. Seit 60 Jahren ist die Veranstaltung ein Anlass, die Falknerei zu pflegen und sich unter Gleichgesinnten auszutauschen. Es sei nicht zuletzt der familiäre Charakter, der für die gute Resonanz sorge, sagte der Jäger Otto Witt in seiner kurzen Begrüßungsansprache.
Hasen, Kaninchen und Fasane gehören zu den Beutetieren der Greifvögel, aber vorher bestimmen lässt sich die Jagd mit Habicht und co. nicht, denn die stolzen Jäger in der Luft lassen sich nicht fernsteuern. Und das genau macht auch den Reiz einer Beizjagd aus: „Die Vögel jagen nicht unter Zwang, das Miteinander mit dem Jäger basiert auf Vertrauen“, erklärt Henckell. Dafür braucht es eine solide Ausbildung. Rotvögel wie Aki, der ein Habicht finnischer Abstammung ist, werden dafür in einem abgedunkelten Raum getragen, damit sie sich an ihre Bezugsperson gewöhnen. Später dann trägt der Halter eine Kopflampe und hat den Vogel auf dem Handschuh, ehe es in einem nächsten Schritt zum Beispiel in den nächtlichen Garten geht. Ist das Tier auf den Falkner oder die Falknerin konzentriert, kann es an der Lockschnur fliegen. Kommt es zurück auf die Hand, wird es belohnt: „Der erste Freiflug ist dann idealerweise auch der erste Jagdflug“, erläutert Akis Besitzer. Sein gefiederter Jagdgefährte hat bereits seine erste Krähe und seine erste Wanderratte erlegt. Am Samstag in Gothendorf hielt Organisator Otto Witt die Erwartungen eher niedrig. Nach dem langen Sommer seien die Gräben leer, die Fasane in Gewässer in der Gegend abgewandert und Witts eigene 16 Haushühner tabu, wie der Hausherr launig anmerkte. Gleichwohl war die Stimmung hervorragend und nach dem Signal vom Bläserkorps „Freischütz“ machten sich die Teilnehmenden auf einen „wunderschönen Spaziergang“. Gejagt wurde in zwei Gruppen. Dass dabei die Sonne vom blauen Himmel strahlte, genossen nicht nur die Menschen: „Gut möglich, dass sich die Vögel erst einmal sonnen statt zu jagen“, meinte Henckell. Mit von der Partie war Falknerin Kersten Kampe aus Dänischenhagen. Auch ihr Habicht Anne ist ein Rotvogel mit schöner Zeichnung, die an Herzen erinnert: „Es ist schön, dass zunehmend Frauen und Mädchen die Falknerei für sich entdecken“, freut sich Thilo Henckell. Seine Abbey ist drei Jahre alt und als Weibchen um ein Drittel größer als die männlichen Tiere. Getauft werden die schönen Tiere traditionell auf dem ersten Beuteflug. Dass Menschen mit Greifvögeln auf die Jagd gehen, hat eine lange Geschichte. Der Deutsche Falkenorden (DFO) ist weltweit der älteste Falknerverband. Auf der DFO-Homepage gibt es unter anderem Informationen zur Historie: Nach heutigem Wissensstand liegt demnach die Wiege der Falknerei in Asien. So wurde die Falknerei schon um 2205 v. Chr. in China ausgeübt. 3600 Jahre alte Reliefs, auf denen Falkner dargestellt sind, wurden in den Ruinen von Chorsabad gefunden. Sie beweisen die Ausübung der Falknerei im alten Babylonien. Nach Europa kam die Beizjagd wahrscheinlich im Zuge der Völkerwanderung im vierten Jahrhundert n. Chr. Um 800 erließ Karl der Große ein Gesetz, das auch die Jagd mit Falken, Habichten und Sperbern erwähnt. Heute tragen die Vögel zu den Schellen, „Bells“ genannt, häufig auch einen Peilsender. Seit 2014 steht die Falknerei auf der nationalen Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Heiner Steffens aus Högersdorf pflegt dieses Erbe schon sein Leben lang. Vor 60 Jahren hat er mit der Falknerei begonnen und die Begeisterung hat ihn nie wieder losgelassen. Nach Gothendorf war er mit dem Rotschwanzbussard Jerry gekommen. Der 17jährige Greifvogel ist eine echte Besonderheit. So wie Steffens‘ Enkel Timon, der seinen Großvater begleitete und fest vorhat, in dessen Fußstapfen zu treten, oder besser: in dessen Falknerhandschuh zu schlüpfen.


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