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So topaktuell kann alte Kunst sein

Dieses kleine Bild von Gustav Marx könnte ein Schnappschuss aus den letzten Wochen sein. Tatsächlich stammt es aber aus dem Jahr 1882.

Dieses kleine Bild von Gustav Marx könnte ein Schnappschuss aus den letzten Wochen sein. Tatsächlich stammt es aber aus dem Jahr 1882.

Eutin. Das kleine Bild im goldenen Rahmen könnte fast ein Schnappschuss aus den vergangenen Wochen sein. Die Dächer der beiden Reetdachhäuser noch nicht ganz fertig gedeckt, das Fachwerk sauber und frisch saniert, zur Deko ein bisschen Federvieh, das davor in der Erde pickt. Tatsächlich ist das Ölgemälde natürlich schon mehr als 130 Jahre alt und stammt von dem Düsseldorfer Maler Gustav Marx – es zeigt die beiden Torhäuser, wie sie 1882 da standen. Er habe es bei einer Auktion in Bremen entdeckt, erzählt Jürgen Ostwald, der Kunsthistoriker der Fielmann AG, und sofort gewusst, dass es nach Eutin müsse. Vorher aber musste es noch restauriert werden – "ich sehe erst jetzt, dass auf dem Bild die Sonne scheint", scherzt der Kunsthistoriker. Und übergibt das kleine Bild einer strahlenden Dr. Julia Hümme. Die Museumsleiterin weiß noch nicht allzulange von ihrem Neuzugang, denn den hat Jürgen Ostwald im Alleingang gekauft und sich im Nachhinein den Segen dazu geholt, den Julia Hümme ihm ebenso wie Carsten Behnk, der Geschäftsführer der Kulturstiftungen des Kreises, zu denen das Museum gehört, ihm nur zu gern gegeben haben. Man weiß nicht, wie es dazu kam, dass der Maler die beiden Torhäuser verewigte, "aber wir haben nur sehr wenige Stadtteilporträts", sagt Julia Hümme, "und das hier ist mit Abstand das beste. So topaktuell kann alte Kunst sein." Professor Günther Fielmann hat es sich schon seit vielen Jahren auf die Fahnen geschrieben, die kleineren Museen, deren Budget weder Ankauf noch aufwändige Bestandsrestaurierungen möglich machen, mit Ankäufen und der konservatorischen Begleitung des Bestandes zu unterstützen. Und ganz oft ist einfach beides der Fall – wie bei dem Ehepaar Hellwag oder auch bei dem des Landschaftsmalers Otto Lindemann, alle drei hat Jürgen Ostwald erst vor einigen Monaten an Dr. Julia Hümme übergeben, im Licht aber festgestellt: "Da müssen wir ran." "Wir" ist in diesem Fall der Kieler Restaurator Jochen Rosehr, ihm werden vom Zahn der Zeit angenagte und verschmutzte Werke übergeben, er säubert sie, retuschiert dringend notwendige Stellen und firnisst die Bilder neu. Bei den beiden Porträts von Otto und Henriette Hellwag ist der Effekt verblüffend – fast ein bisschen weniger streng schauen der Enkel des Eutiner Arztes und seine Frau aus ihren neuen Rahmen. Vielleicht sind sie auch ein wenig erleichtert, dass der Autospachtel runter ist, mit dem vor vielen Jahren die beiden Einschusslöcher notdürftig ausgebessert und dann übermalt wurden. Diese Entdeckung machte Jochen Rosehr, als er begann, das Hellwag-Porträt zu reinigen. Unebenheiten wiesen ihm den Weg zum Autospachtel, der wurde entfernt und das Bild an der Stelle der beiden Einschusslöcher historisch korrekt neu aufgebaut. "Es gab keine andere Möglichkeit, als es ganz neu zu machen", sagt der Restaurator. Wie die beiden Einschusslöcher allerdings im Bild gelandet sein könnten, ist reine Spekulation – "das ist kein Einzelfall", weiß Julia Hümme, "oftmals hingen solche Porträts in den Herrenhäusern, in denen die Offiziere der Besatzungsmächte einquartiert waren. Und da ging es abends hoch her. Nicht selten vergnügte man sich damit, auf die Ahnen der Eigentümer zu schießen." "Da steckt ordentlich Geschichte dahinter", ist sich auch Jochen Rosehr sicher. Otto Hellwags Porträt und auch das seiner Frau Henriette erstrahlen in ihrer alten Schönheit und bekommen wieder ihren Platz im Obergeschoss des Ostholstein-Museums. Hier wird demnächst auch wieder César Kleins "Herbststürme" hängen, das Jochen Rosehr restauriert hat – eines der Schlüsselwerke des Künstlers, der sich nach Pansdorf ins Exil begeben hatte, dessen Werke zur "entarteten Kunst" gehört hatten. Bild und Rahmen sind aufwändig restauriert – und auch hier wartete der Künstler mit einer Überraschung auf Jochen Rosehr: Als Unterlage hat Klein eine Holzfaserplatte gewählt , die über die Jahre das Bindemittel aufgesagt und für eine sehr stumpfe Oberfläche gesorgt habe – und auch die Farben und die Materialien seien nicht die allerbesten gewesen, so der Restaurator. "Das hatte Abblätterungen zur Folge." Zusätzlich weist das Bild starke Strukturen auf, die aufwändig gesäubert werden musste – "aber jetzt sieht man sie auch wieder", freut sich Dr. Julia Hümme. Auf dem Bild sind die dunklen Schatten, die stürmischen Zeiten, die sich dem Land und seinen Menschen 1933 mit großen Schritten näherten, gut zu erkennen. Brauntöne, ein totenmaskenartiges Gesicht und ein fast spürbar kalter Wind, der an den Menschen reißt. Viel milder ist die Stimmung auf Otto Lindemanns "Frühling", der jetzt wieder richtig leuchtet und seinen Platz ehrenvoll einnehmen kann. Und auch der kleine Gustav Marx soll hier hängen, sind Julia Hümme, Carsten Behnk und Jürgen Ostwald sich einig, denn auch wenn die Fielmann AG nicht als Auflage mitbringt, dass die geschenkten oder restaurierten Bilder auch hängen müssen, wäre es doch viel zu schade um das schöne Bild der beiden Torhäuser, diese Momentaufnahme nicht zu zeigen. "Pflege der Bilder muss sein, auch die Bilder, die im Magazin sind, müssen gepflegt werden", sagt Julia Hümme, "wir sind in der Pflicht, sie zu bewahren. Umso schöner ist es, dass die Fielmann AG uns dabei unterstützt."


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