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Wildtierrettung Segeberger Heide mit Drohne im Einsatz

Kesdorf (ed). Wer einmal gehört hat, wie ein Kitz schreit, das von einem Mähwerk verletzt wurde, oder eine Ricke, die nach ihrem Kind sucht, weiß, wieso Sebastian Grieser morgens um 3 auf dem Feld steht und mit seiner Drohne Wiesen nach warmen Punkten absucht. 14 solcher warmer Punkte hat er kürzlich im Morgengrauen auf einem Feld in Kesdorf entdeckt und so zusammen mit den Kesdorfer und Barkauer JägerInnen 14 Kitze, die auf einer Fläche von 18 Hektar lagen, und ein Nest mit jungen Hasen vor dem sicheren Tod gerettet. „Dieser Tag“, erinnert sich Christoph Rüsch, Jagdpächter in Barkau, „war gerettet, das war ein Top-Gefühl.“
Die Ricken wie auch die Hasenmütter verstecken ihren Nachwuchs im hohen Gras, wo er vermeintlich unsichtbar und damit sicher liegt, ohne damit zu rechnen, dass die Wiese gemährt werden könnte – aber erfasst ein Mähwerk ein Kitz, hat es kaum Chancen zu überleben. „Umso wichtiger ist es, alle Möglichkeiten zu nutzen“, sagt die Kesdorfer Jagdpächterin Katharina Mentz, um die Flächen vor dem Mähen abzusuchen – auch die konventionellen wie das Abgehen des Feldes mit Hunden. Oder eine Scheuche mit Vergrämungsmittel aufzustellen. Am sichersten ist es, dann nochmal mit der Drohne drüberzufliegen. Dazu müssen Landwirte und Jäger zusammenarbeiten, dann ist das kein Problem.“ Die Jägerschaft hat sich dem Tier- und Naturschutz verschrieben – natürlich sieht das erstmal anders aus, wenn am Ende einer Jagd eine Reihe geschossener Vögel, Hasen, Rehe liegt. Es hilft aber, darüber nachzudenken, wo der Unterschied liegt. „Unser Ziel ist ein gesunder Bestand im Revier“, erklärt Christoph Rüsch, „den zu hegen und zu pflegen ist unsere Aufgabe. Die Idee, mit der Drohne Kitze zu retten, haben wir als Jäger durchweg positiv aufgenommen.“ Und es sei keineswegs Ironie, wenn sich die Jäger darum kümmerten, dass die Felder und Wiesen abgeflogen, die Kitze gerettet werden – Skeptiker sagen gern: „Ihr wollt die Kitze doch nur retten, damit Ihr sie später erschießen könnt“, hat Katharina Mentz die Erfahrung gemacht. „Es geht einfach darum, Tierleid zu vermeiden. Und es ist ein Unterschied, ob ein Reh glatt geschossen oder vom Mähwerk schwer verletzt wird und leiden muss.“ Oder sich womöglich unbemerkt wegschleppt und jämmerlich verendet.
Vor fünf Jahren hat Sebastian Grieser genau deshalb zusammen mit einem Freund beschlossen, den Verein Wildtierrettung Segeberger Heide zu gründen – „mein Kumpel ist Jäger und wurde von einem Bauern gerufen, dessen Mähwerk ein Kitz erwischt hatte“, so Sebastian Grieser, „das Kitz war natürlich schwer verletzt, schrie schrecklich und musste erlöst werden. Wir waren uns einig, dass solches Tierleid verhindert werden kann und überlegten, wie.“ Er bestellte eine Drohne, montierte die Kamera ab und eine Wärmebildkamera dran und bot den Landwirten an, die Felder vor dem Mähen abzufliegen. Heute ist der Verein gemeinnützig und Sebastian Grieser und sein Kumpel sind zwischen Mai und Ende Juni und von Stapelfeld bis Fehmarn fast täglich mit ihren vier Drohnen unterwegs. „Und das Aufstehen lohnt sich jedes Mal“, sagt er, „vor allem wenn wir wie in Kesdorf 14 Kitze retten können. Da geht einem das Herz auf.“ Die Kitzrettung betreibt er ehrenamtlich – „wir freuen uns, wenn wir die Spritkosten bekommen“, sagt er, „und ein Frühstück wäre toll.“
Um zum richtigen Zeitpunkt unterwegs sein zu können, sei die Kommunikation mit den Landwirten enorm wichtig – und für diese die Kitzrettung ganz unkompliziert. „Klar kann man sagen: Dat hebbt wi fröer schon so mokt“, sagt Christoph Rüsch, „aber wenn es doch Möglichkeiten gibt, sollte man sie nutzen.“ Zumal es für beide Seiten eine rechtliche Verpflichtung gibt, Kitze zu retten, wie Otto Witt, Jagdpächter in Gothendorf erklärt. So mache der Landwirt, der anfängt zu mähen, ohne dem Jagdpächter Bescheid zu sagen und ihm die Möglichkeit zu geben, das Feld abfliegen zu lassen, nach dem Tierschutzgesetz strafbar. „Und der Jäger hat eine Verpflichtung aus dem Landesjagdgesetz, ein Feld abzusuchen, bevor es gemäht wird – zum einen aus seiner Aufgabe der Hege und zum anderen aus den Grundsätzen der deutschen Waidgerechtigkeit heraus.“
Und das Einzige, was der Landwirt oder das Lohnunternehmen tun muss, ist, den örtlichen Jagdpächtern Bescheid zu sagen, wann wo gemäht werden soll, und die Fläche genau zu nennen, „gern rechtzeitig, damit wir uns einen Termin sichern können“, so Christoph Rüsch. „Ein paar Tage vorher wäre toll, damit die Drohne das Feld kurz vorn dem Mähen abfliegen kann.“ Die Angabe zu Fläche und Mähtag gibt der Jagdpächtern an Sebastian Grieser weiter, der seine Drohne mit den Flächenpunkten programmiert, denn das Feld muss, um die Kitze zum richtigen Zeitpunkt zu finden, ganz kurz vor dem Mähen abgesucht werden.
Denn während die erfahrene Ricke wittert, dass Gefahr droht, wenn Menschen durchs Feld gehen, und für ihr Kitz einen anderen Liegeplatz sucht, bringt die junge Ricke ihren Nachwuchs zurück zu dem ursprünglichen Platz, wenn die Menschen weg sind. „Deshalb ist es wichtig, dass der Drohnenflug am besten unmittelbar vor dem Mähen stattfindet“, weiß Sebastian Grieser. Deswegen steht er gern in den frühesten Morgenstunden auf, wenn die Wiese noch kühl ist – so findet die Wärmebildkamera die warmen Punkte, die die Kitze an ihren Liegeplätzen bilden, am besten. je wärmer es wird, desto geringer die Chancen, warme Stellen zu finden. „Also je früher desto besser.“ Um 4 Uhr, besser noch früher trifft er sich mit den örtlichen JägerInnen auf dem Feld und startet die Drohne, mit ihr fliegt er die Fläche auf der Suche nach warmen Punkten ab, die auf Rehkitze hinweisen, aber auch auf ein Nest mit Junghasen oder ein Gelege eines Vogels. Zeigt die Wärmebildkamera die warmen Punkte, schlagen sich Grieser und die Jäger mit Handschuhen und dicken Grasbüscheln ausgerüstet durchs hohe Gras zu den Liegestellen – Gelege und Nester werden vorsichtig an den Rand des Feldes getragen, wo die Mütter sie wiederfinden. Rehkitze werden je nach dem, wie flügge sie schon sind, aufgehoben oder mit einem sehr großen Kescher gefangen und in eine dick mit Gras ausgelegte, eigens dafür gemachte Rehkitzrettungstasche gelegt (eine Kiste tut es aber ebenso) und an den Knick getragen. Ist das Feld gemäht, öffnen die Jäger die Tasche, das Kitz klettert raus und beginnt, nach seiner Mama zu rufen, die sich in der Regel in der Nähe aufhält und es abholt, wenn die Gefahr, also der Mensch weg ist. „Und neulich habe ich eine der Ricken, deren Kitz wir vom Feld geholt haben, mit dem Kleinen auf dem Feld stehen sehen“, strahlt Christoph Rüsch, „das war ein tolles Erlebnis.“ Rundum gelungener, unkomplizierter Tierschutz.


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