Gesche Muchow

Herzlich willkommen im „echten Norden“!

Das reporter-Verlagshaus in der Hochtorstraße in Neustadt.

Das reporter-Verlagshaus in der Hochtorstraße in Neustadt.

Bild: Gesche Muchow

Kolumne von Gesche Muchow
 
In Schleswig-Holstein, genauer gesagt in Ostholstein zu leben, hat eigentlich nur Vorteile! Natur pur, die selten wilde und meist ruhige See, knallgelbe Rapsfelder im Mai, haufenweise Strandkörbe im Sand und Fischerboote soweit das Auge reicht.
 
Poetry-Slammerin Mona Harry brachte es in ihrem Gedicht „Liebeserklärung an den Norden“ ziemlich gut auf den Punkt: „... Wir haben den größten Himmel und die steifste Brise, die dicksten Fische und die weichsten Wiesen, die spitzesten Muscheln und die feuchtesten Watten, wo Seehunde kuscheln und sich Schafe auf Deichen begatten. Wer auch immer beschloss, dieses Land zuzubereiten, dieser Koch war so verliebt, sogar die Luft ist versalzen.
 
Der „echte“ Norden halt. Social Distancing muss man uns nicht mal in der Corona-Krise beibringen, ein kurzes „Moin“ und zwei Meter Abstand halten, praktizieren wir praktisch seit Jahren.
 
Doch heute soll es nicht um Social Distancing gehen, sondern um Nähe. Um Fürsorge, Achtung und Respekt. Um Toleranz, Gastfreundschaft und Zusammenhalt. Denn so brummelig und distanziert man uns Nordlichter auch finden mag, eins sind wir nicht: intolerant und fremdenfeindlich! Wir sind das Bundesland des Tourismus, die Bettenhochburg des Nordens. Wir sind die Könige der Beherbergung, wir bringen alle unter, machen alle satt und glücklich, sind Ferien-Fachleute und der „Strand eures Lebens“! Wir feiern den Tag des Fischbrötchens mehr als den Muttertag und wenn die Saison zu Ostern bei uns eröffnet wird, dann springen wir in die bitterkalte Ostsee und dann ist die Saison auch eröffnet!
 
Jeder bei uns ist stolz auf sein Gästehaus, seine Ferienwohnung, seinen Campingplatz, seine Schiffe und seine Hotelzimmer. Denn wir vermieten alles, wir beherbergen jeden, uns sind alle willkommen. Der Slogan „Willkommen im echten Norden!“, der ist auch so gemeint.
 
Und jetzt kommt die Bitte: Lest nicht die Kommentarspalten auf Facebook, das sind wir nicht.
 
Wir sind anders: Wir sind gastfreundliche Norddeutsche, die anderen Menschen mit Respekt und Toleranz begegnen, die nicht hassen, sondern zusammenhalten. Die hilfsbereit und rücksichtsvoll sind und Menschen nicht nach ihren Nummernschildern beurteilen, sondern nach ihrem Verhalten. Die Wichtigeres zu tun haben, als auf Supermarktparkplätzen zu patrouillieren, um möglichst viele, vermeintlich auswärtige Mütter vor ihren Kindern anfeinden zu können. Wir sind die, die derzeit beim Einkaufen auf Mindestabstand achten und ein bisschen Geduld mitbringen, wenn es am Gemüseregal mal etwas länger dauert und vor allem sind wir die, die keinen Unterschied zwischen Erst- oder Zweitwohnsitz machen.
 
Das sind wir.
 
Stänkerer, Anfeinder und Denunzianten sind in der Unterzahl, sie haben aber leider noch mehr Zeit als sonst, um in den sozialen Netzwerken aufzuwiegeln, zu hetzen und Stimmung zu machen. Das macht ihre Aussagen nicht wahr oder wichtig. Sondern nur laut.
 
Aber wir sind lauter, denn wir alle sind gerade mit wirklich wichtigen Dingen beschäftigt. Auch wir haben Angst, aber anstatt zu hassen und anzufeinden, ist für uns eine Krise der richtige Zeitpunkt anderen Menschen zu helfen, für Fremde einkaufen zu gehen, Kranke zu pflegen und unsere Großeltern noch mehr zu vermissen, als ohnehin schon. Außerdem sorgen wir uns um den Fortbestand von Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen.
 
Unsere allererste Maßnahme beim reporter in Neustadt vor über drei Wochen war es, am Verlagsgebäude ein riesiges Banner mit dem Aufdruck „Alles wird gut!“ anzubringen. Denn in Krisenzeiten hat man auch die Chance, Größe zu zeigen und Mut und Zuversicht. Aber niemals Ablehnung und Hass.
 
In diesem Sinne: Willkommen im echten Norden.
 
PS: Liebe Besucher und Freunde des Nordens. Bleibt tapfer und habt auch Geduld. Der Virus kennt leider keine Grenzen. Wir dürfen uns alle nicht so bewegen, wie wir das gern möchten. Bald wird es besser und bis dahin verharren wir in Vorfreude auf die gemeinsame Zeit nach dem Virus und den Einschränkungen. Und an alle die jetzt Angst haben und sich aus gutem Grund Sorgen machen, dass ihnen jemand zu nahekommen könnte: Lasst uns gemeinsam Abstand halten und den Virus von uns fernhalten. Das gelingt am besten mit Anstand und gegenseitigem Respekt — im täglichen Leben und im Internet.
 
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit, frohe Ostern und nicht vergessen: ALLES WIRD GUT!
 
Gesche Muchow
Redaktionsleitung der reporter Neustadt


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