

Der Satz ist noch immer kaum zu erfassen. Der Satz schmerzt. Der Satz macht wütend. Ohnmächtig stehen wir vor Tatsachen, von denen viele Menschen sagen, dass sie sie überraschen. Trotz allem muss man aber feststellen, dass wir in Europa die Warnsignale nicht ernst genommen haben, die uns immer wieder gegeben wurden. Der große Europäer Otto v. Habsburg hat bereits 2003 den Plan Putins begründet hergeleitet.
Zu unselbstständig und zu schwach haben wir uns der Illusion der sicheren Einbettung in den Westen und seine vermeintliche Stärke hingegeben. Zu wenig und zu zögerlich haben wir uns dafür eingesetzt, dass Europa, dass die EU, als handlungsfähiger und handlungsstarker Akteur auf der weltpolitischen Ebene ernst genommen oder überhaupt erst einmal wahrgenommen wird.
Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie wissen wir, dass die Europäische Union ihren ersten schwierigen Test nur bedingt bestanden hat. Spätestens seit dem Einmarsch Russlands in der Krim 2014 wissen wir, dass Frieden in Europa nicht selbstverständlich ist.
Immer wieder haben wir miteinander darauf hingewiesen, dass die Europa-Union jetzt wichtiger ist, als in den letzten Jahrzehnten und doch konnten wir die Bedeutung weder der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen oder der militärischen Stärkung der EU so vermitteln, dass sich europäische Entscheidungsträger uns angeschlossen hätten.
Gerade wir als Europa Union müssen uns fragen, ob wir genug getan haben. Unser Mandat, die „Förderung der internationalen Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“ haben wir trotz der Einschränkungen durch die Corona-Regeln auf Vorstandsebene wahrgenommen. So wie Ingo Gädechens im Bundestag nicht müde wurde, sich für Einigkeit und Recht und Freiheit in Europa einzusetzen und Regina Poersch im Landtag keine Gelegenheit ungenutzt ließ, um unserer Europa-Union und ihren Zielen im Land Schleswig-Holstein Aufmerksamkeit zu verschaffen, so habe auch ich an allen Stellen, mit denen ich Verbindung habe, die Wichtigkeit und die unbedingte Notwendigkeit der europäischen Einigkeit sowie der Schwerpunktsetzungen thematisiert.
Außerdem hat unser MdEP für Ostholstein, Niclas Herbst, mit dem wir Verbindung halten, ebenfalls unsere Ostholsteiner Worte mit aufgenommen.
Was wir uns vorwerfen müssen und was ihr mir als Vorsitzendem vorwerfen könnt ist, dass wir es nicht geschafft haben, unsere Mitgliederzahl in diesen schwierigen Zeiten signifikant zu erhöhten.
„Wer die Hand legt an den Pflug und schaut zurück, ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“, Lukas 9,62.
Also kommt es nun darauf an, dass wir ab jetzt unsere Stimme erheben. Allerorten, auch von MdEP aus Schleswig-Holstein hören wir und spüren wir die Solidarität mit der Ukraine. Das ist richtig und wichtig, weil Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa unbedingt von der Garantie der Grenzen souveräner Staaten abhängig sind. Mein Doktorvater, der in diesen Tagen medial sehr sichtbare Völkerrechtler Professor Dr. Oeter, schrieb mir dazu vor wenigen Tagen:
„Ich denke manchmal, so müssen sich aufgeklärte britische Völkerrechtler 1939 gefühlt haben, nach der gewaltsamen Annexion der ‚Rest-Tschechei‘ und dem Überfall auf Polen. Der Westen muss jetzt mit allen Mitteln gegenhalten und zeigen, dass diese rote Linie nicht ungestraft überschritten werden kann - sonst können wir uns aufgeben und landen tatsächlich in einer Struktur ‚kooperativer Sicherheit mit Russland‘, nämlich als Moskauer Trabant im russischen ‚Großraum‘.
Dieses Szenario ist nach allem leider nicht abwegig. Gleichzeitig müssen wir ganz besonders scharf auf der Hut sein, dass wir uns mit der Umsetzung unserer Solidarität nicht wieder in eine atlantische Abhängigkeit begeben, wie wir es seit Dekaden tun und auch deshalb kein freies und selbstständiges Europa als ernst zu nehmender Akteur in der Welt werden können.
Es geht um die Freiheit eines jeden von uns. Diese Freiheit, mit der wir uns in einem demokratischen Rechtsstaat vereinen, müssen wir nun erneut erkämpfen und das erfordert den Einsatz eines jeden einzelnen von uns. Sprecht bitte Menschen offensiv auf die Europa-Union an. Druckt Euch Mitgliedsanträge aus, führt sie mit und fordert Menschen auf, Mitglied im Kreis- oder den Ortsverbänden zu werden.
Auf unserer demnächst stattfindenden Kreisvorstandssitzung wird das Thema Frieden in Europa natürlich eine wesentliche Rolle spielen. Deshalb werden wir im Kreisverband - und insofern bitte ich um Unterstützung innerhalb der Ortsverbände - erörtern, welche Strategien und konkrete Handlungen wir aus der neuen, alten Fokussierung auf den Frieden in Europa ableiten werden.
Seit fast zwei Wochen schreibe ich an diesem Brief, der nun endlich versandt werden muss.
Lasst uns für Frieden in Europa beten. Lasst uns für alle Opfer der russischen Aggression beten. Lasst uns für die Russen beten, sowohl für diejenigen, die wegen der Entscheidung der russischen Führung leiden und ihr Leben verlieren wie auch für die russische Führung, damit sie ein Einsehen hat und die Aggression stoppt.
Mirko Schönfeldt, Vorsitzender Europa-Union Ostholstein