Reporter Eutin

„Impfen statt Schimpfen!”

Preetz (sh). Montagabend. Die Sonne in Preetz ist längst untergegangen. Auf dem Marktplatz stehen sich zwei Gruppen gegenüber: Auf der einen Seite befinden sich rund 250 Menschen. Auf der anderen Seite etwas über 300 Menschen. Die einen tragen Transparente, die man in der Dunkelheit kaum lesen kann. Auf der anderen Seite ebenfalls Transparente, die man in der Dunkelheit kaum lesen kann. Die einen haben ihre Hunde mitgebracht und nutzen den Demo-Spaziergang als Gassigang. Die anderen haben auch Hunde dabei. Die einen haben sich bunte Lichterketten umgehängt. Die anderen tragen Laternen mit sich. Beide Gruppen ähneln sich auf den ersten Blick. Und trotzdem: Jede Gruppe hat ihre eigene Botschaft – wie sie gegensätzlicher in der heutigen Zeit nicht sein können: „Ja“ zum Impfen. Und: „Nein“ zum Impfen. Zwischen den beiden Gruppen stehen zahlreiche Polizeibeamtinnen und -beamte, die dafür sorgen, dass sich die Gruppen nicht begegnen. Ein fast normaler Montagabend in Preetz.
Seit Herbst 2020 – ja, richtig gelesen: seit über einem Jahr – finden in Preetz täglich sogenannte Spaziergänge der Impf-Gegner statt. Allesamt angemeldet. Montags ist laut Polizei Preetz der Hauptveranstaltungstag mit den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Seit dem 3. Januar 2021 halten nun die Impf-Befürworter dagegen.
Allen voran ist Steffen Gnutzmann. Bevor der Demo-Spaziergang am Montag um 18.30 Uhr los geht, steht der gebürtige Preetzer auf dem Marktplatz und bedankt sich bei den zahlreichen Anwesenden. „Das ist eine Botschaft für die Wahrheit, für die Wissenschaft, fürs Impfen!“ Und weiter: „Letzten Sonntag sind 268 Menschen an Corona gestorben – das ist ein vollbesetzter Airbus!“ Das sitzt.
Steffen Gnutzmann organisiert die Gegendemo, weil es ihn frustriert, dass „es nicht vorangeht“. Und es frustriert ihn auch, „dass Ängste genutzt werden, um gegen den Staat Stimmung zu machen.“
Dann setzten sich die Impf-Befürworter in Bewegung. Die Polizei begleitet den Spaziergang. Es wird „Impfen statt Schimpfen!“ im Chor gerufen. Oder auch: „Impfen ist Solidarität!“ Solidarität mit den Schwachen. Auch „Alufolie raus aus den Köpfen!“, ist zu hören.
Mit dabei ist eine Frau, die ihren Namen im reporter nicht lesen möchte. Sie erzählt: „Ich arbeite am Marktplatz und sehe ständig die Plakate der Impf-Gegner. Da steht so ein Blödsinn drauf! So absurd, teilweise wirken die Inhalte unfreiwillig komisch. Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln!“ Deshalb hat sich die Dame überlegt, bei der Gegendemo mitzugehen. „Ich weiß, dass es nicht in allen Ländern genug Impfstoff gibt – aber in Deutschland gibt es genug. Warum wird es dann nicht von allen genutzt!? Um nicht nur sich, sondern auch um andere zu schützen!? Ich verstehe es nicht …“
Nach einer kurzen Runde findet sich die Gruppe wieder auf dem Preetzer Marktplatz ein. Eine kurze Zeit später erscheinen auch wieder die Impf-Gegner. Die Polizei steht wieder dazwischen. Die eine Gruppe ruft, klatscht und pfeift. Die andere singt. Die Atmosphäre wirkt angespannt, aber die Polizei ist präsent und hat alles gut im Griff. Man fühlt sich sicher, alles bleibt friedlich. Schließlich lösen sich die Gruppen gegen 19.30 Uhr wieder auf. Jeder Einzelne verschwindet in der Dunkelheit. Mit seiner Leuchtkette oder Laterne. Und jeder ist davon überzeugt, das Richtige zu tun. Vermutlich.


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