Eine starke Gemeinschaft feiert runden Geburtstag
Schönberg (mm). Wenn sich am 13. März in Ruser’s Hotel die Mitglieder des Gewerbe- und Fremdenverkehrsvereins zur Hauptversammlung einfinden, haben sie reichlich Grund zu feiern. Ein rundes Jubiläum steht auf dem Programm. Vor genau einhundert Jahren, am 13. März 1924, gründeten 30 Gewerbetreibende und Handwerker den Verein, der auch ein Jahrhundert später jung und frisch wirkt. Mehr noch: „Das Ziel des Vereins ist aktueller denn je“, sagt der erste Vorsitzende, Knut Lindau. Damals wie heute gehe es darum, zusammenzustehen und Interessen gegenüber der Politik zu vertreten sowie Schönbergs Wirtschaft zu stärken und voranzubringen. „Auch im 21. Jahrhundert ist man nur gemeinsam stark, selbst wenn die Themen sich verändert haben“. Während in den krisengeschüttelten Jahren nach dem ersten Weltkrieg zunächst bessere Fußwege, mehr Licht oder eine angemessene Gewerbesteuer im Vordergrund standen, gehe es heute vor allem darum, die Attraktivität des Standortes zu sichern. Unter seinem allerersten Vorsitzenden, Rudolf Sinjen, kostet die Mitgliedschaft am Anfang zwei Mark, pro Jahr. Heute sind es hundert Euro. „NUR einhundert Euro“, betont Lindau. Denn dieser Betrag sei seit mehr als zwei Jahrzehnten konstant.In den wirtschaftlich schwierigen Gründerjahren versammeln sich die Mitglieder zunächst alle drei Monate. Schon in den Anfangsjahren steht Netzwerken hoch im Kurs. Oft ist bei den Versammlungen der örtliche Handwerkerverein mit im Boot. Sogar in der Arbeitsgemeinschaft des Kieler Einzelhandels ist der Gewerbeverein einige Jahre Mitglied. „Heute trifft sich der gesamte Verein jährlich auf der Hauptversammlung“, erläutert Lindau, „so wie es bei fast allen Vereinen heutzutage üblich ist“. Von 1930 an ist Franz Jähne der erste Vorsitzende. Zwei Themen jener Epoche erscheinen heute noch hochaktuell: Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, und, ein viel zu hoher Strompreis.
Dem regen Vereinsleben setzt die nationalsozialistische Diktatur ein jähes Ende. Energischen Widerständen zum Trotz muss sich der Verein selbst auflösen. „Die vorhandenen Dokumente lassen aber vermuten, dass die Mitglieder sich im Untergrund weiter getroffen haben“, meint Lindau, der alle Protokollbücher gründlich studiert hat. Seine These: „Wie sonst sollte es gelingen, dass man sich am 1. März 1948 aus dem Stand heraus mit 106 Mitglieder wieder treffen und den Verein wiederbeleben kann?“ Erste Forderung damals: Die Ladenöffnungszeiten sollen Vereinsmitglieder selbst festlegen dürfen. „Heute unvorstellbar“, sagt Lindau, „das ist heute eindeutig durch das Ladenöffnungszeitengesetz geregelt“. Wie überall in Deutschland erlebt auch das Schönberger Gewerbe in den fünfziger Jahren einen rasanten Aufschwung. Besonders viel Anklang finden in dieser Zeit Weihnachtsausstellungen mit Verlosungen und Kinderbescherungen. Rund 10.000 Menschen, zitiert Lindau aus Protokollen, hätten diese Veranstaltungen in den Hotels „Stadt Hamburg“, „Stadt Kiel“ und „am Rathaus“ besucht. Von 1953 bis 1960 und von 1965 bis 1967 wird der Verein von Kaufmann Franz Thorn-Mundt geleitet, in der Zwischenzeit von Kaufmann Hugo Lindau. 1967 übernimmt Kaufmann Franz Hergeröder den Vorsitz, der jedoch noch im gleichen Jahr verstirbt. Der damalige Ortshandwerksmeister Günter Hauschildt ist einer der treibenden Kräfte, der 1968 einen Zusammenschluss mit der Ortshandwerkerschaft vorantreibt. 1969 gelingt unter seiner Federführung sogar die Fusion mit dem damaligen Verkehrsverein.
Knut Lindau ist begeistert: „Das zeigt, wie weitsichtig die Vorsitzenden damals schon gehandelt haben“. Seit dem Zusammenschluss erst heißt der Verein „Schönberger Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein“ und verfügt über einen zwölfköpfigen Vorstand. In den siebziger und achtziger Jahren stehen neue Themen auf der Tagesordnung: Entwicklung des Ferienzentrums Holm, Anlegen von Wanderwegen und Spielplätzen, Deichbau, Sanierung des Ortskerns. 1984 wird Kaufmann Willi Alpen neuer Vorsitzender und der Vorstand auf sieben Mitglieder verkleinert. Legendär in dieser Zeit: die Strandbahn, eine Planenkutsche, die zwei Kaltblutpferde ziehen. 1988 findet in der Fußgängerzone die erste Gewerbeschau statt. Weil diese Veranstaltung von Anfang an von Erfolg gekrönt ist, wird die Leistungsschau bis heute alle zwei Jahre im Gewerbegebiet wiederholt. In den neunziger Jahren folgen viele weitere Aktivitäten, etwa Nikolausstiefelaktion, Anschaffung einer Weihnachtsbeleuchtung, Oderspendenaktion, Gewerbebälle, Sammeln für einen Brunnen in der Fußgängerzone, der 2005 eingeweiht wird. Im Jahr 2000 stellt der Verein erstmals den Maibaum auf. Im selben Jahr noch wird die Aktion „Weihnachtstaler“ gestartet, bei der Ende Dezember Gewinne im Wert von rund 5000 Euro verlost werden.
2001 übernimmt Knut Lindau den Vorsitz des Vereins. Unter seiner Regie werden weitere Aktionen ins Leben gerufen, etwa die Ortsverschönerung mit Blumenkübeln und Wimpelketten, Tag der Ausbildung, Tag der Probstei und viele weitere. Als Nachfolger des „Montagstreffs“ entwickelt sich der „Gewerbestammtisch“ zur neuen Ideenschmiede. Seit 2007 ist der Verein Mitglied in der Aktivregion Ostseeküste zur Entwicklung von Projekten und zur Stärkung des Tourismus. 2009 hat der Verein mehr als 150 Gewerbetreibende aus Schönberg und Umgebung. 2010 gibt er erstmals ein Wintermagazin heraus, von 2012 an ein Sommermagazin, mit vielen Informationen über die Region und seine Betriebe. „Diese Magazine haben sich inzwischen zu einem echten Aushängeschild für Schönberg, seine Wirtschaft und den Tourismus entwickelt“, unterstreicht Lindau. Seit 2009 stellt der Gewerbeverein zusammen mit der Gemeinde unter dem Motto „Pro Kunst“ jedes Jahr eine Kunstsäule im Ort auf, geschmiedet von Künstler Heiko Voss. Im Jahr 2024 stehen bereits 14 dieser Objekte. „Das fünfzehnte ist gerade in Arbeit“, verrät Lindau. „Es wird die Zahl 100 künstlerisch aufgreifen“. Seit 2015 organisiert der Gewerbeverein die „Schönberger Kulturnacht“. Immer eindrucksvoller gestaltet sich Jahr für Jahr die Weihnachtsbeleuchtung. Fast 100 Weihnachtssterne und Sternschnuppen werden inzwischen mit LED-Technik installiert, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde. „Das ist wohl einzigartig in der gesamten Region“, sagt Lindau voller Stolz. Ebenfalls gemeinsam mit der Gemeinde wird 2022 die Wanderwegbeschilderung komplett erneuert. „Immerhin eine sechsstellige Summe hat das gekostet, die der Gewerbeverein zur Hälfte bezahlt hat“. Neben zahlreichen Aktivitäten führt Lindau den Verein ins digitale Zeitalter. Dazu gehören eine moderne Website, Facebook-Auftritt, und inzwischen sogar eine „App fürs Smartphone“, auf der sich alle Mitgliedsbetriebe mit Fotos präsentieren. „Es bleibt spannend“, fasst Knut Lindau zusammen, „die Kernthemen rund ums Wirtschaften haben sich in hundert Jahren nicht viel verändert, und es bleibt dabei: nur gemeinsam ist man stark“.