Reporter Eutin

„Wie Wind und Weite, und wie ein Zuhaus“

Heikendorf (t/mm). Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Heikendorf feiert dieses Jahr ihren einhundertsten Geburtstag. Damit ist sie eine vergleichsweise junge Gemeinde. Im Mittelalter hatten die Heikendorfer Christen keine eigene Kirche. Um einen Gottesdienst zu feiern, mussten sie bis nach Kiel fahren. Etwas einfach gestaltete sich das Gemeindeleben etwa ab dem Jahr 1300, als Heikendorf zur Marienkirche in Schönkirchen gehörte. Diese Verbindung hatte 600 Jahre Bestand. Wer als Heikendorfer Gottesdienst feiern, kirchlich heiraten, oder sein Kind taufen lassen wollte, musste stets nach Schönkirchen. Immerhin, geselliges Beisammen im Schönkirchener Krug waren willkommener Lohn für die damals noch beschwerliche Strecke. Die Bevölkerung Heikendorf wuchs sprunghaft in die Höhe, als Kiel kaiserliche Marinestadt wurde. Eine eigene geistliche Versorgung war gefragt. So entstanden nach dem Ersten Weltkrieg Pläne, eine selbständige Kirchengemeinde vor Ort zu gründen. Erste Gottesdienste und Konfirmandenunterricht fanden bereits ab 1919 in der Heikendorfer Schule statt. Ein Jahr später gründete man den „Kirchlichen Verein“. Als Anschubfinanzierung für weitere Aufbauarbeit sammelte die Gemeinde 30.485 Reichsmark. Die damalige Kirchenverwaltung gab Geld dazu. Damit wurde zunächst das sogenannte Gildehaus zur Kirche umgebaut. In rasantem Tempo. Nachdem am 6. August 1922 der Grundstein gelegt war, konnte bereits am 1. Oktober 1922 die Kirche feierlich eingeweiht werden. Zäh dagegen verliefen die Verhandlungen um einen eigenen Friedhof, der erst am 15. Juli 1923 genutzt werden durfte. Am 1. Oktober 1924 schließlich war es so weit. Heikendorf wurde offiziell eine eigenständige Kirchengemeinde. Wie überall in Deutschland brachte die Zeit des Nationalsozialismus gewaltige Einschnitte. Trotz schwieriger Bedingungen versuchte Pastor Otto Schetelig von 1928 bis 1945 die kirchliche Arbeit weiter aufzubauen. Ein schwieriges Vorhaben. Denn ab 1935 schränkten die Nationalsozialisten das Gemeindeleben stark ein. Viele Menschen traten aus der Kirche aus. Einen schweren Schlag musste die noch junge Gemeinde in der Nacht auf den 27. August 1944 verkraften. Ein Luftangriff verwüstete die Kirche völlig. Nur das Altarkreuz und die Kirchglocke blieben, wie durch ein Wunder, erhalten. Nach dem Krieg fanden die Gottesdienste zunächst wieder in der Schule statt. Erst am 30. August 1954 konnte der Grundstein für die heutige Kirche gelegt werden, die nach den Plänen des Architekten Gerhard Langmaack aus Hamburg entstand und einen 36 Meter hohen Kirchturm erhielt. Am 30. Juni 1955 war Einweihung. 1961 gestaltete Glasmalerin Illo Wittlich die farbigen und kunstvollen Glasfenster. Seit 1985 ist die Kirchengemeinde Heikendorf Partnerin der Kirchengemeinde in Mrimbo,
Tansania, die in einer der ärmsten Regionen der Welt liegt. Heikendorf unterstützt dort soziale Projekte und Bildung. Seitdem findet jedes Jahr ein „Tansania Tag“ statt. Eine weitere Partnerschaft besteht seit 1991 zur Kirchengemeinde in Roja, Lettland. Inzwischen hatte die alte Orgel ausgedient. Rund eine Viertel Million DM an Spenden konnte die Gemeinde mobilisieren, mit der Orgelbauer Führer 1994 ein neues Instrument bauen konnte. 1995 wurde die evangelische Kindertagesstätte Upendo eingeweiht. In der Amtssprache von Tansania, Kisuaheli, bedeutet das „Liebe“. 1997 konnte das Gemeindehaus öffnen. Im selben Jahr zog der Weltladen in den Raum unter dem Kirchturm ein. Weil die Mitgliederzahlen in den christlichen Großkirchen Deutschlands beständig sinken, musste die katholische Gemeinde „Stella Maris“ ihre Kirche vor Ort aufgegeben. Seit 2021 teilen sich die evangelisch-lutherische und katholische Christen daher die Kirche. Unter dem Motto „Wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus“ wollen sie seitdem gemeinsam all jenen, die Gott suchen, eine offene Tür bieten.


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