Marinemusikkorps Kiel startet erfolgreich Weihnachtstournee
Kiel (mm). „Ich bin sehr zufrieden“, betont Inga Hilsberg anlässlich der Premiere von „Weihnachtszauber“, so der Titel des Programms, unter dem das Marinemusikkorps Kiel seine diesjährigen Adventskonzerte präsentiert. Auftakt war ein Konzert am Dienstag, 5. Dezember in der Kieler Nikolaikirche. „Wir haben dieses Motto gewählt, weil wir etwas nachdenklicher wirken möchten, und mehr von der zauberhaften Weihnachtsatmosphäre rüberbringen wollen“, sagt Chefdirigentin Inga Hilsberg, die das Korps seit knapp zwei Jahren leitet.
Doch der Reihe nach. Während der Premiere dirigierte Hilsberg nicht nur, sondern moderierte auch sehr entschlossen, erklärte Musikstücke, erzählte Anekdoten und plauderte aus dem Nähkästchen. Selbstbewusst kündigte sie ein buntes Musikprogramm an, versprach eine „riesige musikalische Bandbreite“. Um es vorwegzunehmen: Hilsberg versprach nicht nur, sondern lieferte. Bereits beim ersten Titel zogen die Musiker des Kieler Marinemusikkorps alle Register. Mit Humperdincks „Ouvertüre Hänsel und Gretel“ unterstrichen sie ihre Fähigkeit, ein immenses Klangspektrum zu entfalten. Spätestens aber beim „Halleluja“ von Leonard Cohen produzierten sie echte Gänsehaut-Gefühle. Dem Korps gelang es, einen Hauch himmlischer Harmonie ahnen zu lassen. Cohens melancholische Songs verzücken sowieso schon Generationen. Das belegen unzählige Coverversionen. Das Arrangement vom Marinemusikkorps wirkt zunächst poppig, mit E-Bass, Schlagzeug, Piano, vor allem in den ersten Takten. Doch dann stimmen zwei voluminöse Männerstimmen ein, die im Duett vorzüglich harmonieren. Ungewöhnlich, doch wunderbar in Szene gesetzt. Holz- und Blechbläser stimmen ein, zaubern eine berauschende Klangsphäre. Gänsehaut pur. Lebte Cohen noch, er wäre begeistert.
Ob jedoch der Komponist von „Maria durch ein Dornwald ging“ voll des Lobes gewesen wäre, das darf bezweifelt werden. Die Interpretation des getragenen Adventlieds aus dem 19. Jahrhundert beginnt mit einem geheimnisvollen, fast mystisch anmutenden Trommeln afrikanischer Bongos. Dann plötzlich setzen Trompeten und Posaunen ein, in übermäßig betontem Staccato. Kennen wir doch, fragt man sich, und im inneren Ohr läuft die „Tatort“-Melodie ab. Die eigenwillige, fast manieristisch anmutende Interpretation gipfelt in einer Inszenierung, wie sie typisch scheint für moderne Filmmusik, voluminös, voller Spannung und Theatralik.
Die wird auch in Michael W. Smith’s „It’s a wonderful christmas“ entfaltet, ohne Wenn und Aber. Zudem greift Hilsberg selbst in die Tasten des E-Pianos. Schade, dass der Klang des elektronisch verstärkten Instruments bei diesem Musikstück auf Honky-Tonky-Sound getrimmt war. Hilsbergs gefühlvoll gebrochene Akkorde konnten nicht die Wärme entfalten, die dem Stück gutgetan hätte. Zu verschmerzen ist daher, dass die Harmonien völlig in den Hintergrund gerieten, als die geballte Wucht der Blechbläser einsetzte.
„Weihnachten ohne Bach ist möglich, aber sinnlos“, scherzte Hilsberg in ihrer Moderation zum Wiegenlied aus Bach’s Weihnachtsoratorium. Mit ihrem kokettierenden Kommentar bewies sie feinsinnigen Kulturwitz, ganz im Sinne des Humoristen Loriot. Doch während das Marinemusikkorps spielte, mussten Bach-Liebhaber stark sein, mussten Abschied nehmen von ihren Vorstellungen, wie Bach klingt, oder sagen wir, klingen sollte. Wo üblicherweise Streicher einen hellen, leichten Klang zaubern, posaunte und trompetete nun der dominante Klang des gesamten Blechensembles, schuf eine betont getragene, fast düstere Atmosphäre. Gewöhnungsbedürftig.
Experimentierfreude bewies das Ensemble bei der Ausführung des Stückes „Prière á Notre Dame“, das Leon Bellmann Ende des 19. Jahrhunderts komponierte hatte. Ein mutiger Auftritt, denn Bellmann hatte den Titel für die Orgel komponiert. Hilsberg ließ sparsam orchestrieren. Nur einige Holzbläser und die Querflötistin durften ran.
Sie spielten professionell. Doch es blieb beim Experiment. Es fehlten die feinen Nuancen, die schwebenden Töne, der tragende Klang, wie sie sich nur aus Pfeifen einer Orgel entlocken lassen. Deutlich machte dieses Stück, wo die Grenze des musikalisch Machbaren für ein Musikkorps der Bundeswehr liegt. Perfekt auftrumpfen dagegen konnte das Ensemble bei „We wish you a merry christmas“. Die Interpretation dieses Ohrwurms mutete anspruchsvoll an, weit weg vom üblichen Endlosschleifen-Gedudel. Im Big-Band-Stil konnte das Korps hier abräumen, sein gesamtes Können voll entfalten. Den Höhepunkt des Programms Winterzauber, das insgesamt ein Dutzend Titel umfasst, markierte dann ein nachdenkliches Lied von Udo Jürgens. Titel: „Es werde Licht“. Der Vortrag von Solist Norman Röhl wirkte vor allem in den höheren Tonlagen so kraftvoll, als ob Udo Jürgens persönlich gesungen hätte. Kein Wunder, dass das Publikum tosend applaudierte und, natürlich, Zugabe forderte.
Die hatte es nochmal in sich, bei der Hilsbergs Erläuterung wie ein Verstärker wirkte. „Was sie jetzt hören“, begann die Dirigentin leise, „das ist die Melodie eines Lieds, das französische, schottische und deutsche Soldaten an Heiligabend gemeinsam angestimmt hatten, mitten im ersten Weltkrieg“. „I’m dreaming of home“, so der Titel, der die Sehnsucht nach Frieden deutlich mache. Noch einmal spielt das Marinemusikkorps Kiel. Noch einmal große Gefühle, die unter die Haut gehen. Wer das Konzert „Weihnachtszauber“ miterleben möchte, findet alle Termine und Veranstaltungsorte unter www.marinemusikkorps.de.