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Ein Brief an Debbie

Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag öffnet die Gedenkstätte Ahrensbök wieder nach der Winterpause und lädt gleichzeitig zur Vernissage einer besonderen Ausstellung ein: A Letter to Debbie ist aufgebaut rund um den Brief und die 13 Fotos, die Lieutenant Albert Gaynes im April 1945 an seine Frau Debbie schickte und ihr von den Grauen erzählte, denen er bei der Befreiung eines Außenlagers des KZs Dachau begegnete

Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag öffnet die Gedenkstätte Ahrensbök wieder nach der Winterpause und lädt gleichzeitig zur Vernissage einer besonderen Ausstellung ein: A Letter to Debbie ist aufgebaut rund um den Brief und die 13 Fotos, die Lieutenant Albert Gaynes im April 1945 an seine Frau Debbie schickte und ihr von den Grauen erzählte, denen er bei der Befreiung eines Außenlagers des KZs Dachau begegnete

Ahrensbök (ed). “Ich habe heute die ganze Bestialität der Nazis gesehen in einem Horror-Konzentrationslager ... Ich erlebte mit meinen eigenen Augen den scheußlichen Anblick. Debbie. Ich hoffe, Du wirst niemals das sehen, was ich sehen werde bis ich sterbe.“ Das schreibt Lieutenant Albert Gaynes Ende April 1945 an seine Frau Debbie, nachdem er mit seinen US-amerikanischen Truppen das Außenlager Landsberg-Kaufering des KZs Dachau befreit hat. Acht Seiten füllt er mit seinen Erlebnissen, mit Bildern, die an Grauen kaum zu überbieten sind, legt 13 Fotos bei – nach 50 Jahren haben die Nachkommen von Debbie und Albert Gaynes Brief und Fotos wiedergefunden und sie der befreundeten Künstlerin Yardena Donig Youner überlassen, die daraus eine eindringliche, eindrucksvolle Ausstellung gemacht hat. Diese Ausstellung wird am kommenden Sonntag, dem 27. Januar um 15 Uhr in der Gedenkstätte Ahrensbök eröffnet. Der gebürtige Ahrensböker Prof. Dr. Jörg Wollenberg wird in die Ausstellung einführen, er hat sie aus dem Amerikanischen übersetzt und nach Deutschland geholt. „Wir freuen uns sehr, nach der Winterpause mit einer solchen Ausstellung wieder eröffnen zu können“, so Dr. Ingaburgh Klatt, die Leiterin der Ahrensböker Gedenkstätte, „passenderweise am Holocaust-Gedenktag.“
Landsberg-Kaufering war ein Außenlager des KZs Dachau, in dem die ersten Düsenflugzeuge der Welt vom Typ Messerschmidt 262 produziert werden sollten. Etwa 28.000 Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, vornehmlich Juden aus Auschwitz und Ungarn, arbeiteten in dem geheimen Rüstungsprojekt, unter ihnen 4 200 Frauen. In weniger als einem Jahr starben in den elf Lagern von Kaufering bei Landsberg 14 500 Häftlinge aus 25 europäischen Nationen. Als Truppen der 7. US-Armee am 27. April 1945 das Außenlager erreichten und die Häftlinge befreiten, bot sich ihnen ein Bild unvorstellbaren Grauens, das sie nie vergessen sollten. Neben den zahlreichen, bis zur Entstellung verkohlten Leichen fanden die amerikanischen Soldaten einige wenige Überlebende, vom Tode gezeichnete “Muselmanen”, die die US-Berichterstatter als “Zombies” beschrieben, von denen viele noch nach der Befreiung starben.
Lieutenant Gaynes hatte, wie es üblich war, seinen Sergeant angewiesen, Fotos zu machen, und legte 13 davon dem Brief bei, den er an seine Frau Deborah schrieb. “Dieser Leutnant Gaynes war ein normaler Mann, der im Krieg kämpfte. Aber dieser Mann war so überwältigt, dass er Poesie schrieb – Seiten, die ein Buch ergeben. Das macht den Brief für mich zu einem Kunstwerk”, notierte Yardena Donig-Youner anlässlich der Wiederentdeckung des Briefes nach mehr als fünfzig Jahren. Die Künstlerin ließ aus den Original-Filmnegativen Drucke im Wandformat machen. Über die Drucke legte sie den Text des Briefes – so sind zwölf eindringliche Tafeln entstanden plus einem Banner zur Einführung. „Ich wollte, dass man nicht gleich die Bilder sieht. Zuerst liest man den Brief, und dann entdeckt man die Bilder im Hintergrund”, erklärt die Künstlerin das Konzept der Ausstellung. „Es ist eine sehr bewegende Ausstellung“, beschreibt Dr. Ingaburgh Klatt, „weil dieser Lieutenant Gaynes aus seinem Herzen schreibt.“ Die Fotos machen das Grauen sichtbar und zeigen zusammen mit dem Text die Einmaligkeit der NS-Verbrechen. Yardena Donig-Youners künstlerische Arbeit ist den Opfern, den Wehrlosen gewidmet. Die Erinnerung an die Opfer festzuhalten, versteht sie zugleich als eine Mahnung von bleibender Aktualität: “This installation is my personal call for a human better world and peace for all.”
Und was Albert Gaynes über Faschisten und Antisemiten schreibt, ist nicht ohne aktuellen Bezug: Er fordert schon damals dazu auf, „die Möglichkeit eines neuen Hitlers und seiner Bande von Unmenschen“ nicht aus den Augen zu verlieren. „Auch müssen wir die Möglichkeit erkennen, dass solche Individuen die Kontrolle über unser eigenes Land (USA) gewinnen. Die Faschisten unserer Nation ... sind derselben Unmenschlichkeit fähig. Die Nazis sind nicht die einzigen, deren Bewusstsein deformiert ist. Niemals werde ich Antisemiten und Faschisten tolerieren. Sie bleiben gefährlich und sind potentielle Folterer.“
Die Ausstellung „A letter to Debbie“ ist bis zum 3. März in der Gedenkstätte Ahrensbök zu sehen und wird an jedem Sonntag mit einer Veranstaltung begleitet – zur Finissage ist neben Prof. Wollenberg auch der Schauspieler Rolf Becker eingeladen, der Gedichte lesen wird.


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