Gemeinsames Gedenken auf Gut Glasau
Glasau (hr). Sein Großvater habe immer offen über seine Geschichte gesprochen, nüchtern und distanziert, sodass es ihm leichtgefallen sei, Fragen zu stellen. „Seine Geschichte ist in meinem Kopf wie eine griechische Odyssee“, sagt Jeremy Elias, der Enkelsohn von Henry Bawnik, der als einer von wenigen die Todesmärsche nach Ostholstein und die Versenkung der Cap Arcona am 3. Mai 1945 überlebte. „Die einzige Stelle seiner Geschichte, bei der er immer anfing zu weinen, war als ein deutsches Boot ihn nach dem Untergang der Cap Arcona aus der Ostsee rettete und er den Deutschen an Bord gefragt hat: In welches Lager geht es jetzt? Er antwortete: Kein Lager mehr, die Briten sind da, der Krieg ist vorbei. Da hat er angefangen zu weinen.“ Auch die Anwesenden bei der Gedenkveranstaltung in der Scheune auf Gut Glasau am vergangenen Sonntag haben Tränen in den Augen. Vier verschiedene Konzentrationslager hatte der damals erst 19j-ährige Bawnik überlebt, nach dem Krieg wanderte er in die USA aus und lebte bis zu seinem Tod 2018 in Buffalo, New York.
Die Organisatoren der Gedenkstätte Ahrensbök luden Jeremy Elias zu der Gedenkveranstaltung ein, er reiste aus New York City an. 2005 war er schon einmal hier, gemeinsam mit seinem Großvater und seiner ganzen Familie. „Vor 20 Jahren gedachten wir genau hier, in dieser Scheune, dem 60. Jahrestag. Damals kamen Überlebende, heute kommen ihre Enkelkinder“, sagt Monika Metzner-Zinßmeister, Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte Ahrensbök. Auch für die Besitzer des Gut Glasau übernahm in diesem Jahr mit Leweke von Hoff die nächste Generation das Grußwort, ihr Vater Siegbot von Hoff sitzt im Publikum. Auf beiden Seiten wird das Erinnern fortgeführt, die Einigkeit ist groß, dass der Kampf gegen das Vergessen heute wichtiger denn je ist.
Aus Belgien reisten die Enkelkinder von Marcel Rosiers an. Der belgische Widerstandskämpfer starb am 26. April 1945 in der Scheune auf Gut Glasau, wenige Tage vor der Befreiung. „Er hat selbst auf dem Todesmarsch immer versucht, den anderen Häftlingen Mut zu machen und seine Brotration an andere junge Männer gegeben“, erzählt seine Enkelin Myriam Rombouts-van Delm. Nachdem ihr Großvater im Mai 1944 bei einer Razzia im belgischen Hoogstraten verhaftet und deportiert wurde, erfuhr seine Familie nur durch eine Visitenkarte, die er aus dem Zug werfen konnte, dass er weggebracht wurde.
Berührend sind nicht nur die Geschichten der Opfer des Todesmarsches, sondern auch die Rückkehr der Nachfahren an diesen Ort, 80 Jahre später. „Ehrlich gesagt fühlt es sich für mich nur gut an, heute hier zu sein. Es ist unfassbar berührend für mich und meine Familie, dass sich auch hier an meinen Großvater erinnert wird“, sagt Elias. Und Rombouts-van Delm schließt ihren Vortrag mit einem Dank an die Freundschaft zur Familie von Hoff, die Besitzer von Gut Glasau: „Ich bin dankbar, an diesem Tag bei Ihnen zu sein.“ Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, aber das Erinnern muss gemeinsam passieren.
Der Grundstein für diese Freundschaft wurde bereits in den 1980er-Jahren gelegt. „Ein ehemaliger Häftling hatte uns damals eine Postkarte geschickt, er sei damals hier in der Gegend auf einem Hof gewesen, ob das wohl Glasau gewesen sein könnte“, erinnert sich Siegbot von Hoff. Er habe das bestätigt und den Mann auf den Hof eingeladen. Er kam – und blieb nicht der einzige. Nach und nach entwickelte sich bei gemeinsamen Abendessen eine Freundschaft zwischen dem Gutsbesitzer und Überlebenden und Nachfahren der Opfer. Irgendwann wurde ein Gedenkstein an der Scheune aufgestellt, es folgte eine Stele vor der Kirche, ein Stein auf dem Friedhof. „Zum Gedenken an die Opfer Todesmarsch – Sarau April 1945 Wegen der Familie von Marcel Rosiers“ steht auf dem Stein, sein Name ist der einzige, der hier erwähnt ist. Die meisten Opfer bleiben namenlos, ihre Geschichten vergessen, weil es keine Nachkommen gibt, die an sie erinnern könnten. Die Inschrift des Steins wurde dieses Jahr erneuert, damit sie lesbar bleibt, neben der Stele enthüllten Manja Krausche von der Gedenkstätte Ahrensbök und die anwesenden Enkelkinder gemeinsam eine neue Infotafel mit QR-Code, damit sich Passanten über die Todesmärsche informieren können.
Weitere Gedenkveranstaltungen zum Thema „80 Jahre danach“, Infos dazu sind auf aktionswocheninostholstein.jimdofree.com zu finden.
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