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Infotafel fürEutins jüdischen Friedhof

Eutin (aj). Die schlichte Tafel steht direkt am heutigen Eingang zum jüdischen Friedhof am Kleinen See. Zu lesen sind elementare Informationen zu jüdischen Friedhöfen im Allgemeinen, zur Geschichte des Eutiner Begräbnisortes und einige Regeln, die hier einzuhalten sind. Nicht viele Worte, aber mit den Zeilen erhält der Platz eine längst überfällige Sichtbarkeit. Im Rahmen des Projektes „Steinerne Zeugen. Beschilderung der jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein“ ist die Tafel aufgestellt worden, 30 Menschen waren am vergangenen Donnerstag zur offiziellen Eröffnung gekommen. 22 jüdische Friedhöfe gibt es in Schleswig-Holstein: „15 davon gelten als historisch und Eutin gehört dazu“, erläuterte Dr. Helge-Fabien Hertz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und Lehrbeauftragter an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Unter seiner Leitung haben sich 30 Studierende der Aufgabe angenommen, die Friedhöfe in Schleswig-Holstein einheitlich mit Info-Tafeln auszustatten und sie damit in der Breite ins Bewusstsein zu rücken: „Wir erreichen damit viele Menschen“, so Hertz. 3.000 Schändungen an jüdischen Begräbnisorten stünden seit 1945 zu Buche, Schleswig-Holstein führe die bundesweite Liste an: „Das ist beschämend, damit dürfen wir uns nicht abfinden“, mahnte der Wissenschaftler. Zu den Studierenden, die recherchierten, Texte verfassten, Orte für die Info-Tafeln suchten, gehört David Gutzeit. Der Eutiner schilderte seine Erfahrungen in einer sehr persönlichen Ansprache: Als Schüler der Wisserschule hatte er den Friedhof buchstäblich im Vorbeilaufen im Sportunterricht gesehen. Heute füllt sein Beitrag zur kenntnisreichen Erinnerung eine Lücke, die schmerzhaft klaffte. Denn die Beschäftigung mit dem jüdischen Leben war lange Zeit das Bestreben einzelner.

Was die Infotafel den Familien derer, die auf dem Friedhof begraben sind, bedeutet, klingt in den Grußworten an, die Dietrich Mau, der unter anderem mit Führungen die städtische Erinnerungskultur mitgestaltet, stellvertretend verlas: Nicola Markovits, geborene Weil, lebt in London. Ihre Familienmitglieder, die Nathans, liegen im oberen Teil des Friedhofes begraben. Ihr Vater konnte 1939 nach England emigrieren. Markovits schreibt: „Dieser Friedhof zeugt von gelebten und verlorenen Leben. Unter den hier Begrabenen befinden sich fünf jüdische Frauen aus Ungarn und Rumänien – Opfer des Holocausts –, die in den letzten Kriegstagen auf tragische Weise ums Leben kamen, als der Zug, in dem sie transportiert wurden, von Tieffliegern beschossen wurde.“ Ihr Dank gelte den Verantwortlichen der Stadt Eutin, David Gutzeit und Helge-Fabien Hertz. Besonders würdigte sie Regine und Karlheinz Jepp, „deren unermüdlicher Einsatz für die Bewahrung der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Eutin unserer Familie so viel bedeutet.“

Auch Bertram Lewitt, der Neffe von Hynek Ignatz Lewitt, der ebenfalls in Eutin seine letzte Ruhe gefunden hat, war über ein Grußwort Teil der Runde. Aus Santa Monica/Kalifornien schrieb er: „Heute bin ich dankbar, dass vier Generationen nach dem Ende des 2. Weltkriegs Anstrengungen unternommen werden, um die Erinnerung an meinen Onkel und viele andere jüdische Opfer wach zu halten. Für die Anbringung dieser Gedenk- und Informationstafel danke ich Ihnen sehr!“

Beim anschließenden Rundgang mit Dietrich Mau kamen neben wissenswerten Fakten auch künftige Aufgaben zur Sprache: So besteht an mehreren Stellen Sanierungsbedarf.

Für Bürgervorsteherin Elgin Lohse steht angesichts aktueller Entwicklungen fest: „Schweigen ist die falsche Reaktion, wir müssen reden, das muss Teil unsere Kultur werden.“

Die Friedhöfe können Gespräche anstoßen: „Bet Olam, die jüdische ist Bezeichnung für einen jüdischen Friedhof, bedeutet Haus der Ewigkeit“, erklärte der Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Gerhard Ulrich, und führte aus: „Damit ist der Friedhof nicht nur Ort des Abschieds, sondern der dauerhaften Erinnerung und hat viel zu erzählen.“ Was diese Erinnerung von den Heutigen verlangt, formulierte er so: „Es gibt neun jüdische Gemeinden in Schleswig-Holstein. Wir gehören an ihre Seite, sie zu stützen, zu schützen und zu ermutigen!“


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