reporter Neustadt

„Frauen im Widerstand“ - Wanderausstellung in der Stadtkirche

In der Stadtkirche Neustadt wird die Wanderausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ gezeigt.

In der Stadtkirche Neustadt wird die Wanderausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ gezeigt.

Bild: KKOH/Heinen

Neustadt in Holstein. Der Widerstand gegen das NS-Regime ist längst nicht nur eine Sache von Männern gewesen, wie die Wanderausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ zeigt. Die Schau wird von Freitag, 31. Oktober bis Mittwoch, 26. November in der Stadtkirche Neustadt gezeigt. Am Donnerstag, 6. November um 18 Uhr wird die Eutiner Literaturwissenschaftlerin Susanne Bienwald eine der in der Ausstellung porträtierten Frauen vorstellen, nämlich Maria Seidenberger (1927-2011). Am Mittwoch, 26. November - aus Anlass des Tags gegen Gewalt an Frauen (25. November) - werden außerdem Pastorin Sarah Lotzkat, Astrid Faehling vom Frauenwerk und einige Ehrenamtliche um 18.30 Uhr in der Stadtkirche eine Andacht mit Bezug zur Ausstellung gestalten.

 

Maria Seidenberger hat sich schon als Jugendliche sehr mutig gezeigt. Im Alter von 17 Jahren entwickelte sie Fotos, die ihr aus dem KZ in Dachau zugespielt wurden. Teils waren es langersehnte Lebenszeichen für die Familien inhaftierter Menschen, teils zeigten sie das Grauen und die Unmenschlichkeit im Lager.

Maria Seidenbergers Eltern, die in Hebertshausen bei Dachau wohnten, tendierten von ihrer Einstellung her zu den Sozialdemokraten, wobei Vater Georg auch regelmäßig mit ihnen haderte und mehrfach in die Partei ein- und wieder austrat. Bei Hitlers Machtergreifung war er zum Glück mal wieder ausgetreten: Am Haus der Seidenbergers vorbei wurden Sozialdemokraten und Kommunisten ins KZ Dachau geführt.

Im Mai 1944 kam die Familie in Kontakt mit Karel Kašák (1906-1991), einem tschechischen Journalisten. Dieser war einige Jahre Häftling in Dachau, durfte ab 1943 aber als ziviler Angestellter und Zeichner außerhalb des Lagers wohnen, musste jedoch immer wieder dort antreten. Mit seiner „Dienstkamera“ schoss er verbotenerweise Fotos von Gefangenen und vom Lager. Maria Seidenberger, die in Ausbildung zur Fotolaborantin war, entwickelte in ihrem Betrieb die Bilder und machte Abzüge. Zwischen Mai und November 1944 verschickte sie ein paar Dutzend Briefe mit Fotos - und fingierten Absendern - an Familien der Häftlinge, meist im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. In den Briefen war fahrlässigerweise die richtige Absenderadresse der Familie Seidenberger angegeben, sodass viele dankbare Antwortbriefe zurückkamen - zum Glück ohne negative Konsequenzen. Gefährlich wurde es noch einmal, als die junge Frau kurz vor Kriegsende zum Fotoapparat griff, während Häftlinge aus Dachau auf dem Todesmarsch am Hause der Familie vorbeigetrieben wurden und sie alles dokumentierte.

In hohem Alter wurde Maria Seidenberger mit dem Preis für Zivilcourage der Stadt Dachau ausgezeichnet. Auf dem Familiengrab in Hebertshausen legen immer wieder Menschen Steine auf dem Grabstein ab - eine jüdische Tradition, unvergessene Menschen zu ehren.

 

Die vom Evangelischen Presseverband für Bayern kuratierte Ausstellung, die von der Theologin Astrid Faehling vom Frauenwerk nach Ostholstein geholt wurde, kann dank der Stiftungen der Sparkasse Holstein und des Vereins Andere Zeiten gezeigt werden. (red)


Weitere Nachrichten aus Neustadt

UNTERNEHMEN DER REGION

Meistgelesen