Kristina Kolbe

Keine neue Seebrücke für Pelzerhaken?

Die Seebrücke in Pelzerhaken steht nicht nur buchstäblich, sondern auch symbolisch auf „wackligen Füßen“.

Die Seebrücke in Pelzerhaken steht nicht nur buchstäblich, sondern auch symbolisch auf „wackligen Füßen“.

Bild: Kristina Kolbe

Pelzerhaken. Nachdem der Tourismusausschuss im Mai diesen Jahres den Neubau der Seebrücke in Neustadt und Pelzerhaken entschieden vorangetrieben hatte, brachte die letzte Sitzung des Hauptausschusses, bei der es um den Haushalt der Stadt ging, das Vorhaben ins Wanken. Die Investition in den Neubau der Seebrücke Pelzerhaken wurde auf Antrag der Fraktion Die Unabhängigen aus dem Investitionsplan gestrichen. Sie erhoffen sich dadurch Einsparungen von insgesamt 5.415.000 Euro, sofern man die mögliche Fördersumme nicht in diese Rechnung einkalkuliert. Das löste vor allem bei den Interessenvertretern der Pelzerhakener, dem Ortsbeirat, scharfe Kritik aus, denn fest steht auch, dass die Seebrücke in ihrem derzeitigen Zustand nicht erhalten bleiben kann. Bereits im Mai waren Reparaturmaßnahmen in Höhe von circa 57.000 Euro in Aussicht gestellt worden, um die Brücke noch kurzfristig zu erhalten (der reporter berichtete).

Geteilte Meinungen der Parteien

Laut Dr. Michael Böckenhauer von den Unabhängigen seien die Einsparungen im Rahmen der erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen am ehesten im Bereich der Investitionen möglich. Das geplante Investitionsvolumen für das Jahr 2026 lag zum Zeitpunkt der Sitzung bei rund 33,59 Millionen Euro. In der Statistik der Schulden der kommunalen Kernhaushalte (Stand 31.12.2024) steht die Stadt Neustadt an dritter Stelle im Kreis mit einer Verschuldung von 59.223.000 Euro, das ergibt 3.980 Euro pro Einwohner.

Böckenhauer bekräftigt, dass dringend Handlungsbedarf bestehe und, dass der Neubau der Seebrücke bei der derzeitigen finanziellen Situation unverantwortlich sei. Auch sieht die Fraktion der Unabhängigen die Prioritäten eher bei der Finanzierung des Hochwasserschutzes, damit Pelzerhaken bewohnbar bleibe.

Um die richtige Prioritätensetzung ging es auch der SPD-Fraktion. Die Stadt stehe vor zwingend notwendigen Investitionen in die Grundschule Neustädter Bucht in Form von Sanierung und Erweiterung, um den Kindern einen verlässlichen Schulbetrieb zu gewährleisten. „In dieser Situation kann die Stadt nicht zwei weitere große Infrastrukturprojekte gleichzeitig stemmen. Zwei Seebrücken parallel in Neustadt und Pelzerhaken würden den Haushalt überfordern“, erklärte Fraktionsvorsitzende Margit Giszas. Die Frage sei also nicht, wo man theoretisch sparen möchte, sondern wo jetzt zwingend investiert werden müsse.

Die CDU-Fraktion hingegen spricht sich klar für den geplanten Neubau aus, vorausgesetzt Kostenrahmen und Finanzierungsfragen sind geklärt und abgesichert. Sie sehen in der Seebrücke ein zukunftsweisendes Impulsprojekt, das Wirtschaft, Aufenthalts- und Lebensqualität stärkt und rechnen durch eine hochwertige Seebrücke mit erhöhter Besucherfrequenz. „Der Neubau verbessert die Lebensqualität durch sichere Zugänge, barrierefreie Nutzung, attraktive Perspektiven und Chancen für lokale Veranstaltungen“, erklärte Fraktionsvorsitzender Dirk Vowe. Er sagte aber auch, dass die Entscheidung über den Bau erst erfolgen könne, wenn Kosten, Fördermittel, Folgekosten wie Unterhalt, Betrieb, Instandhaltung und Finanzierungsmodelle klar dokumentiert sind. „Die CDU-Fraktion fordert volle Transparenz und eine fundierte Kosten-Nutzen-Bewertung, um Planungssicherheit zu schaffen“, so Vowe.

Die Fraktionen von Unabhängigen und Grünen bezweifeln, dass sich die Kosten über die Tourismusabgabe refinanzieren ließen. Dr. Michael Böckenhauer stellt die Fragen: „Was ist, wenn die Touristenzahlen und damit die Einnahmen zurückgehen? Was ist, wenn die neue Seebrücke Opfer der zukünftigen Sturmfluten wird? Wie verhalten sich die Bauwerke Seebrücke und Hochwasserschutz zueinander?“ Mirco Stein, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, geht davon aus, dass sich die Stadt laut Finanzabteilung aktuell nicht einmal die Zinsen leisten könne.

Die BGN äußerte gegenüber dem reporter, dass sie ihre Position in der nächsten Stadtverordnetenversammlung deutlich machen wolle.

Was sagen die Pelzerhakener?

Der Ortsbeirat Pelzerhaken zeigte sich empört über die geplanten Kürzungen und appellierte: „Dieser Beschluss muss umgehend revidiert werden.“ Die Seebrücke sei nach Ansicht des Ortsbeirates Pelzerhaken weit mehr als ein Kostenfaktor. Ihr Mehrwert zeige sich in der touristischen Attraktivität, der Wirtschaft und der Lebensqualität. „Die Streichung der Mittel für einen Neubau käme dem aktiven Verlust eines unverzichtbaren Alleinstellungsmerkmals gleich“, heißt es in einer Erklärung des Ortsbeirats, in dem er auch vor den wirtschaftlichen Folgen warnt: „Die Brücke bietet eine unvergleichliche Lage für Gastronomiebetriebe, deren Angebot von höchster Bedeutung für das touristische Profil und die Steigerung der Aufenthaltsqualität ist. Eine Streichung der Neubau-Mittel würde außerdem Reedereien und Ausflugsschiffe daran hindern, Pelzerhaken anzufahren. Der Wegfall der Seebrücke wäre nach dem Verlust des Uferwanderwegs ein weiterer Einschnitt in die Infrastruktur. Die Pelzerhakener machen sich Sorgen und befürchten, dass „wir hier in Pelzerhaken bald vollständig abgeschnitten werden“, so der Ortsbeirat.

Die Sicht der Verwaltung

Bürgermeister Mirko Spieckermann bekräftigte, dass aus Sicht der Stadtverwaltung die Seebrücke maßgeblich dazu beitrage, Pelzerhaken als familienfreundliche und hochwertige Destination weiterzuentwickeln. „Ihre Funktion als Anziehungspunkt wirkt sich direkt und positiv auf Gastronomie, Hotellerie und den Einzelhandel aus und unterstützt damit die wirtschaftliche Stabilität des Ortes“, so Spieckermann. Die Verwaltung sehe daher weiterhin ein hohes Zukunftspotenzial in einem Ersatzneubau, insbesondere unter Einbindung externer Fördermittel, um die touristische Wettbewerbsfähigkeit Pelzerhakens langfristig zu sichern.

Eine teure Entscheidung?

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind laut Bürgermeister Mirko Spieckermann bereits Planungskosten in Höhe von 225.000 Euro brutto angefallen. Diese beinhalten neben den Kosten für die Planungsbüros, vorbereitende Gutachten über Baugrund und Wellengang, Seegrund- und Seegraskartierungen und den landschaftsplanerischen Begleitplan. Wenn das Projekt nicht realisiert wird, muss die Stadt diese Kosten allein tragen.

Und warum jetzt?

Eigentlich hatte der Tourismusausschuss durch einen Sperrvermerk das finanzielle Risiko minimiert und sichergestellt, dass keinerlei zusätzliche Mittel eingesetzt werden, bevor ein Förderbescheid vorliegt. Der Förderantrag wurde bereits im Oktober 2025 regulär bei der IB.SH eingereicht. Dieses Ergebnis wollte ein Großteil der Hauptausschuss-Mitglieder jedoch nicht abwarten. Margit Giszas von der SPD erklärte dazu, dass sie es für ihre Pflicht halte, frühzeitig klare Prioritäten zu setzen, bevor

weitere finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden, trotz möglicher Fördermittel. Mirko Stein ergänzte, dass selbst mit Fördergeldern der Eigenanteil für die Stadt viel zu hoch gewesen wäre. Auch ein positiver Förderbescheid hätte an der Entscheidung nichts geändert.

Sollte die Politik in der nächsten Stadtverordnetenversammlung, am 11. Dezember, der Empfehlung des Hauptausschusses folgen und die Summe aus dem Investitionsplan streichen, wird der Förderantrag zurückgezogen und die Seebrücke nicht neu gebaut. An dem Neubau der Neustädter Seebrücke hält die Politik weiterhin fest. (ko)


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