Kristina Kolbe

Leserbrief zum Artikel "Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement im Hauptausschuss gestrichen"

Bild: Kristina Kolbe

Zu unserem Artikel "Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement im Hauptausschuss gestrichen" vom 27. November hat uns Conrad H. Schepers seine Gedanken in Form eines Leserbriefs geschickt:

"Sehr geehrter Herr Vowe,

ich beziehe mich hiermit auf den Artikel „Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement im Hauptausschuss gestrichen“ vom 27.11.2025 aus dem aktuellen Der Reporter und erlaube mir, mich im Rahmen des demokratischen Diskurses an Sie als Fraktionsvorsitzenden zu wenden. Vorweg: ich bin kein Neustädter, jedoch seit Jahren als Stammgast und darüber hinaus persönlich mit der Stadt verbunden. Neustadt in Holstein interessiert mich und die Politik um zu beschäftigt mich – nicht erst seit dem heutigen Artikel. Wenn ich also auch nicht zur Wählerschaft zähle, hoffe ich dennoch, Gehör zu finden. Auch möchte ich mein Anliegen möglichst neutral vortragen: ich bin weder Mitglied der CDU, noch der im Stadtrat vertretenen Oppositionsparteien.

Zum Thema.

Aus der Ferne betrachtet halte ich die Entscheidung Ihrer Fraktion für ein fatales Zeichen ohne jeglichen Mehrwert für Stadt und Bevölkerung. Damit meine ich die Wirkung dieser Entscheidung selbst – also die Wirkung in der Wahrnehmung nach innen (als Zeichen für die Neustädter Bevölkerung), aber auch nach außen (sowohl an andere Gemeinden bzw. Kommunen oder auch an mich als Tourist). Es ist schlichtweg fatal, wenn eine Gemeinde, die hauptsächlich vom Tourismus lebt, sich der genau daraus entstehenden Verantwortung für eine nachhaltige Umwelt, ein nachhaltiges Miteinander und nicht zuletzt auch eine nachhaltige Wirtschaft entledigt. Diese Entscheidung ist schwerwiegend und die Folgen des Wegfalls eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagements werden sich nachhaltig auswirken.

Ich frage mich ehrlich, was der Nutzen dieser schwerwiegenden Entscheidung sein soll. Damit ist wirklich nichts gewonnen - und wenn die Begründung dafür tatsächlich in der Einsparung der durch die Stelle entstandenen Personal- und Budgetkosten liegen sollte, komme ich buchstäblich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Herr Vowe: die CDU steht für die heute besonders auf kommunaler Ebene so wichtige konservative, bürgerliche Politik. Konservativ bedeutet nicht, sich den extremen Schreihälsen von links oder rechts durch populärpolitische Maßnahmen anzubiedern, sondern das durchzusetzen, was richtig ist. Was notwendig ist und uns alle auch über den Zeitpunkt der nächsten Wahlen hinaus bestmöglich absichert. Und konservative Politik ist damit vor allem eins: auf Nachhaltigkeit bedacht. Also die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Spiegelt sich das in diesem politischen Schritt wieder, Herr Vowe?

Sie schreiben: „Das Nachhaltigkeitsmanagement hat sich vielfach bestehende oder gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen zu eigen gemacht, ohne selbst maßgeblichen Einfluss auf deren Umsetzung zu haben“. Diese Aussage lässt sich in zwei Teile gliedern:

Zum einen macht sich eine Stabsstelle nichts „zu eigen“. Sie setzt Vorgaben um, entwickelt darüberhinausgehende Maßnahmen (durch Projekte etc.) und achtet unabhängig durch Kontrolle auf die Konformität. Ganzheitlich – auf alle Bereiche/Abteilungen übergreifend. Und genau das ist kein ‚Zueigenmachen‘. Die Interpretation, hier würde sich etwas (in entsprechend niederer Absicht) „zu eigen“ gemacht, basiert schlichtweg auf der falschen Grundannahme, es bräuchte themenspezifisch keine Koordination, keine Schnittstelle zwischen den einzelnen Beteiligten, die die Aspekte der Thematik in diesen ‚denkt und lenkt‘ – und ja: diesbzgl. auch auf die Einhaltung (strategischer oder gesetzlicher) Vorgaben achtet. Ohne diese Stabsstelle verfällt die Ganzheitlichkeit – unter der fadenscheinigen Illusion der Eigenverantwortung oder einer "starken Zivilgesellschaft".

Zum anderen sagen Sie aber auch, dass das Nachhaltigkeitsmanagement selbst keinen „maßgeblichen Einfluss auf deren Umsetzung“ hätte. In dem Punkt stimmen wir fast überein: es ist schlecht, dass das Nachhaltigkeitsmanagement im Prinzip zu wenig Einfluss (oder vielleicht: Unterstützung?) hat. Schade wiederum, dass Ihre Politik nicht hier angesetzt und dafür gesorgt hat, dass sich dies ändert. Doch anstatt das Thema zu fördern und zu unterstützen, haben Sie sich entschieden, es vom Tisch zu wischen. Das ist, bei allem Respekt, schlechte Politik.

Bleiben wir inhaltlich. Ich entnehme Ihren Aussagen, dass sie die Arbeit, die durch den Wegfall der Stelle zu vergeben ist, auf andere Stellen verteilen wollen. Konkret soll „etwa auch das Stadtmarketing weiterhin eine nachhaltige Ausrichtung verfolgen“ – heißt: Tätigkeiten übernehmen. Zusätzliche Arbeitsstunden. Herr Vowe; die Verwaltungen (wie auch die in Neustadt) ächzen nicht nur unter finanziellen Belastungen. Auch die Mitarbeitenden ächzen unter der immer größer werdenden Arbeitslast. Da wirkt die von Ihnen gegebene Begründung, die mit dem Nachhaltigkeitsmanagement verbundenen Aufgaben ließen sich quasi problemlos intern verteilen, wie ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die auch in Ihrer Verwaltung bereits unterm Zahnfleisch gehen. Was ist das für eine Politik, Herr Vowe? Ich frage erneut: wem hilft dieser Schritt? Was ist die Absicht?

Was bleibt am Ende dieser Entscheidung? Ich sehe kein auch nur im Ansatz relevantes Einsparpotential – eine Stadt, in der man sich mit aller Kraft den Luxus des kostenfreien Parkens leisten will (vgl: „Doch keine neuen Parkgebühren in der Neustädter Innenstadt“, Der Reporter vom 04.07.2025) - und damit auf jährliche Einnahmen im mutmaßlich sechsstelligen Bereich verzichtet - sollte es Konsens sein, einen ganzheitlichen Ansatz in Sachen nachhaltiger Entwicklung zu verfolgen und sich auch das langzeitliche Mittel des Nachhaltigkeitsmanagements leisten zu können. Mehr Nachhaltigkeit sollte der Ansatz sein.

Mich als regelmäßigen Gast Ihrer Stadt enttäuscht es zutiefst. Es ist eine befremdliche, unverständliche Entscheidung. Ich halte diesen Schritt für einen sehr großen Fehler. Das Nachhaltigkeitsmanagement in Neustadt kam über die Stadtgrenzen hinaus mitunter beispielhaft an und dass ausgerechnet dies nun von Ihrer Fraktion so sorglos zerschlagen wird, ist ein politischer und (in seiner Auswirkung) auch gesellschaftlicher Rückschritt, der einfach nur beschämend ist. Politik im Sinne der Gemeinde wäre es gewesen, sich überparteilich zusammenzusetzen und den Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements bzw. damit verbundener Tätigkeiten oder Prozesse zu optimieren (so halte ich den Vorschlag der SPD Fraktion einer Erweiterung des Nachhaltigkeitsmanagements durch den Themenbereich Klimaschutzmanagement z.B. für sinnvoll). Zusammenarbeit im Sinne der Sache - das wäre Verantwortung und Aufgabe der Neustädter Politik.

Ich möchte mit einem Zitat des ehem. Bundespräsidenten Walter Scheels abschließen, welches in solchen Situationen aktueller denn je zu sein scheint:

„Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“

Tun Sie das Richtige, Herr Vowe.

 

Mit freundlichen Grüßen
Conrad H. Schepers"


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