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Reporter Eutin

Die Geschichte des „Hauses der Bücher”

Eutin (ed). Wenn Häuser Geschichten erzählen könnten, hätte das Cavalierhaus bestimmt eine ganze Menge in Petto – das Gebäude, in dem die Eutiner Landesbibliothek zu Hause ist, ist längst eines der Wahrzeichen im kulturellen Herzen Eutins. Es beherbergt wertvolle historische Bücher- und Kartensammlungen, die Laien wie Experten begeistern. Zudem ist hier eine von vier Forschungsstellen zur historischen Reisekultur Europas daheim, und beides zieht immer wieder ForscherInnen aus aller Welt nach Eutin. Wie es dazu wurde und was bis dahin passiert ist, das erzählt die neue Ausstellung im Foyer der Landesbibliothek.
 

Die Idee zu dieser Ausstellung ist entstanden, weil die Fenster des Cavalierhauses dringend restauriert werden müssen. Weil aber der derzeitige Braunton nicht unbedingt ansprechend und sicher auch nicht original ist, bat Anja Sierks-Pfaff, die Geschäftsführerin der Stiftung Eutiner Landesbibliothek, Prof. Dr. Axel E. Walter, sich auf die Suche nach den Bauakten zu suchen. Die wiederum befinden sich im Schleswig Holsteinischen Landesarchiv in Schleswig – und der Leiter der Forschungsstelle zur Historischen Reisekultur fand nicht nur Bauakten, Grundrisse und Co. Stattdessen förderte er einen prall gefüllten Ordner zutage, der detailliert dokumentiert, was zwischen der ersten Skizze 1835 und der Übergabe des Gebäudes an den Großherzog, dessen Regierung es beauftragt hatte, passiert ist. Bis hin zur Farbe von Fenstern und Türen und den Kosten des Bieres für das Richtfest (das übrigens von den Baukosten von 9.547.5 Reichstaler immerhin 25 Reichstaler ausmachte) ist alles festgehalten. „So können wir dafür Sorge tragen, dass die Fenster historisch adäquat restauriert werden. Das Material aber war so aufschlussreich, dass wir beschlossen haben, eine Ausstellung über die Geschichte des Hauses zu machen.“ Denn ist es heute die „Haut“ um die Bibliothek, wurde es doch als sogenanntes Cavalierhaus gebaut – Cavalierhäuser gibt es zu vielen Schlössern, hier wurden Gäste untergebracht, die nicht ganz adelig genug waren, um im Schloss zu wohnen, aber auch hochrangige Schlossbedienstete wie der Oberhofschenk oder der Schlossverwalter, Cavaliere eben. Später wurde es zum Wohnhaus, und als 1935 die letzten Mieter auszogen und der Platz in der Schule immer enger wurde, zog die Bibliothek ins Cavalierhaus. Als die Engländer 1945 die Bücher aus dem Haus trugen, gingen sie auf eine Odyssee durch verschiedene Gebäude, die erst 1949 endete, als die Bibliothekarin Margarete Walter sie unter ihre Fittiche nahm und wieder ins Cavalierhaus zurückholte. Dieses mussten sie auch nur noch einmal von 1980 bis 1994 verlassen, um nach nebenan in die Kutschenremise zu ziehen, während das Cavalierhaus mal die WohnungsbauCreditanstalt, mal die Musikschule nutzte. Als letztes Gebäude am Schlossplatz dann kaufte der Kreis es 1989 und baute es für die Landesbibliothek und die Forschungsstelle zurück. „Es hat eine bunte Geschichte“, schmunzelt Dr. Frank Baudach, der Leiter der Landesbibliothek, „auch baugeschichtlich gesehen. Aber es war damals klar, dass diese Forschungsbibliothek ein eigenes Domizil brauchte.“ Und die hat sie im Cavalierhaus gefunden, so schließt sich auch irgendwie ein Kreis, denn parallel zur Geschichte des Cavalierhauses begann auch die Geschichte der Eutiner Landesbibliothek, damals noch großherzogliche Bibliothek – sie fand ab 1837 Platz in der heutigen Weber-Schule für fast hundert Jahre als erste öffentliche Bibliothek überhaupt.
 

Die Ausstellung nun würdigt das Gebäude als Haus der Bücher und damit auch als ein Stück Bibliotheksgeschichte – es ist die Geschichte des Ortes, die erzählt wird, eines Ortes der Bücher und der Menschen, die hier arbeite(te)n. Sie identifizierten sich zu allen Zeiten mit ihrer Bibliothek, aber auch mit ihrem Haus der Bücher – das zeigt das neue Logo, das in den vergangenen Monaten entwickelt wurde: „Wir haben bei der Entwicklung alle miteinbezogen“, erzählt Dr. Frank Baudach, „und es war klar: In das Logo dürfen nicht nur Bücher, auch das Haus muss enthalten sein. Das machte uns klar, wie wichtig dieses Haus ist.“ Ein weiterer Grund, es in den Mittelpunkt einer Ausstellung zu setzen. So werden Leihgaben aus dem Landesarchiv wie alte Zeichnungen, die Abrechnung der Baukosten (die zeigt, dass es zwar Verzögerungen und Schwierigkeiten gab, dafür aber die Kosten letztendlich zehn Prozent niedriger waren als kalkuliert) und andere Dokumente aus der Bauzeit rund um den Schlossplatz gezeigt, aber ebenso Aktenfunde aus der Frühgeschichte der Bibliothek wie Zeitungsausschnitte und Fotografien aus den letzten Jahrzehnten. Der „Opener“ der Ausstellung ist ein großformatiges Foto des Cavalierhauses aus den 70ern, so lassen die davor geparkten Autos vermuten, mit zu öffnenden Fensterchen, hinter denen der Besucher die Mitarbeiter, aber auch die Geschichte des Hauses treffen kann.
Besonders schön: In der Ausstellung befindet sich, um den Ursprung der Recherche zu dokumentieren, auch das Foto des Musterfensters und eine Beschreibung dessen, welch handwerklicher Fertigkeiten die historisch korrekte Restaurierung der Fenster mit Leinölfarbe bedarf – und ein kleiner Ausblick darauf, wie das Schmuckstück am Schlossplatz zu seinem alten Glanz zurückfinden wird.
 

Die Ausstellung ist unter Einhaltung der geltenden Corona-Vorschriften bis zum 6. November im Foyer der Landesbibliothek zu besichtigen. Am 21. Juli um 19.30 Uhr wird Dr. Frank Baudach seinen Vortrag „Schloss - Schule - Cavalierhaus“ halten und die bisher detailliertesten Einblicke in die Geschichte des Hauses geben. Zudem sind zwei Führungen durch die Ausstellung geplant: Am Mittwoch, 7. Juli mit Prof. Walter, am Mittwoch, 28. Juli mit Dr. Baudach, jeweils um 17 Uhr. Anmeldung bitte unter 04521-788770 oder info@lb-eutin.de. „Wir feiern mit dem Logo, der Ausstellung und diesen ersten Veranstaltungen den Wiederbeginn der Möglichkeiten, wieder zu uns einzuladen“, fasst Prof. Dr. Axel E. Walter schmunzelnd zusammen, „und auch ein bisschen uns selbst.“


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