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Reporter Eutin

Heimat ist individuelles Geschehen, kein territoriales

Eutin (ed). Heimat ist vielleicht eines der schwierigsten deutschen Worte – der Duden sagt: „Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)“. Wie vielseitig man den Begriff Heimat auslegen kann, was er bedeuten, womit er verknüpft sein kann, zeigt die Ausstellung des Förderkreises der Kreisbibliothek, die seit Kurzem auf der Galerie der Bücherei zu sehen ist. Denn Heimat ist viel mehr als nur ein Wort. Eine Arbeitsgemeinschaft des Förderkreises hat sich zusammen mit dem Künstler Jan-Olv Hinz daran gemacht, sich diesem Begriff stufenweise anzunähern, wie es im Titel der Ausstellung heißt. Er war es auch, der mit der Idee dieser Ausstellung auf den Förderkreis zuging – „wir hatten zu dem Zeitpunkt mehr als zehn Ausstellungen erfolgreich organisiert“, erzählt Ute Griep, „und dachten, wieso sich nicht mal an was Neues wagen? Das Thema Heimat lag uns ziemlich fern, aber grundsätzlich sind wir neugierig auf alles.“ Zudem gab es für Projekte für Kultur im ländlichen oder kleinstädtischen Raum einen Fördertopf – also wurde eine Projektskizze für eine Wanderausstellung entworfen und als Partner das Heimatmuseum in Hanerau-Hademarschen gewonnen. Als die Zusage der Förderung über fast 28.000 Euro kam, konnte der Arbeitskreis an die Umsetzung gehen. Schnell war der Beitrag erreicht, den der Förderkreis durch ehrenamtliche Arbeit laut Förderbedingungen leisten musste – „und dann kam eine Flut von Büchern und Aufsätzen, die aus der Flüchtlingswelle entstanden waren und einen ganz neuen Blick auf das Thema warfen“, erzählt Ute Griep, „also passten wir das Konzept auch in dieser Hinsicht an.“ Und dann kam Corona und mit der Pandemie Zweifel, ob die Ausstellung überhaupt stattfinden dürfe – also wurde in Windeseile die Website des Förderkreises modernisiert, um die Ausstellung wenigstens virtuell vermitteln zu können. Aber dann durfte die Ausstellung doch aufgebaut werden, denn die Kreisbibliothek ist eine Bildungseinrichtung ist „und „Heimat“ als zusätzliches Bildungsangebot Erkenntnisse und Einblicke vermittelt“, freut sich auch Anja Sierks-Pfaff, die Geschäftsführerin der Kulturstiftungen des Kreises. „Das ist besonders schön, weil Heimat in diesen Zeiten mehr von Bedeutung ist denn je und viele Menschen ein ganz anderes Gefühl von Heimat bekommen.“
Der Künstler Jan-Olav Hinz hat die Ausstellung gestaltet – er näherte sich dem Begriff Heimat aus den unterschiedlichsten Richtungen: „Der Gedanke an Heimat, was passiert da eigentlich?“, fragte er sich und andere: „Welche Erfahrungen haben wir mit Heimat, wie beziehen wir den Begriff auf uns selbst?“ Und stellte fest, dass jede Generation einen anderen Begriff von Heimat hat – viele verorten ihre Heimat in Kindheit und Jugend, vor allem aber sei Heimat nichts Statisches, sie entstehe durch die Erfahrung mit Welt. „Heimat ist ein individuelles geschehen, kein territoriales.“ Und das manifestiert sich auch in der Ausstellung auf komplexe Weise: So werden unter dem Stichwort „Treffpunkte“ die EutinerInnen eine Menge alter Bekannter wie die Stumpfe Ecke oder die Milchbar treffen, von denen viele sicherlich in irgendeiner Form mit Heimat zu tun haben, denn auch Erinnerungen prägen, was wir als Heimat empfinden.
Spannend ist auch die Station aus Hanerau-Hademarschen, die sich unter anderem mit Storms Schimmelreiter Hauke Haien und einer Theatergruppe beschäftigt und zudem Heimat auch aus der Sicht eines Außenseiters beschreibt. An Mitmachstationen können die BesucherInnen herausfinden, wo sie selbst ihre Heimat verorten – ist es ein Gefühl, ein Geruch, sind es Freunde, Familie, doch ein Ort? Und eine Sammlung von Zitaten unterschiedlichster Menschen zeigt, wie wir mit Heimat umgehen.
Am Ende der Ausstellung findet sich eine Wand mit sogenannter Schwarmkunst, wo die verschiedensten Menschen ihren persönlichen Begriff von Heimat in Collagen zum Ausdruck gebracht haben – hier ist die Vielfalt von dem, was Heimat sein kann, auf bunte, emotionale Weise dargestellt, in Gedichten, Liedern, Bilden, mal genäht, mal geschrieben oder gemalt, fotografiert oder gezeichnet.
Das „Stufenweise Annäherung“ im Titel der Ausstellung ist übrigens wörtlich zu nehmen – wer die Treppe auf die Galerie der Kreisbibliothek langsam und hinaufgeht und den Blick eher nach unten als nach oben richtet, bekommt schon dort einen Einblick in die Komplexität des Begriffes „Heimat.“ Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Kreisbibliothek und unter Einhaltung der Corona-Hygienemaßnahmen zu besuchen.


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