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Reporter Eutin

„Name: Sophie Scholl“ zu Gast an der Wisserschule

Eutin (t). Einen ganz besonderen Schultag erlebten die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen der Wilhelm-Wisser-Gemeinschaftsschule in Eutin in der vergangenen Woche: Zu Gast war das Theater Lübeck mit seiner Mobilen Produktion „Name : Sophie Scholl“ und zu Gast war auch das Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen seines Projekt „Recht.Staat.Bildung“. Was sich auf den ersten Blick ungewöhnlich anhören mag, erwies sich einmal mehr als eine gelungene Kooperationsveranstaltung, die den Schülerinnen und Schülern aus ganz unterschiedlichen Perspektiven vermittelte, wie eng Haltung, Loyalität, Anstand und Mut mit den Werten unseres Rechtsstaats zusammenhängen. Doch der Reihe nach: „Ich heiße Sophie Scholl und da fängt das Problem schon an.“ Mit diesen Worten beginnt das Theaterstück aus Lübeck, in dem es um eine Jurastudentin geht, die kurz vor ihrem Examen steht. Sie ist als Zeugin in einem Betrugsverfahren vor Gericht geladen und muss sich entscheiden, ob sie im Prozess aussagt oder nicht. Ihr Name wird ihr dabei zu einer schweren Bürde. Denn ihr Name erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, die die Jurastudentin, gespielt von Nina-Mercedés Rühl, eigentlich nicht hören will. Nicht hier und nicht jetzt. Doch der Mut ihrer Namensvetterin wird zum Prüfstein für ihr Gewissen.
Dafür nimmt die Schauspielerin Nina-Mercedés Rühl die Schülerinnen und Schüler mit in die Zeit des Nationalsozialismus und macht mit ihrem intensiven Spiel die Biografie der historischen Sophie Scholl lebendig, die den Mut hatte, sich zusammen mit ihrem Bruder und ihren Freunden aufzulehnen. Sie erleben eine Sophie Scholl, die mit „der weißen Rose“ Flugblätter verteilt und dabei erwischt wird. Die deshalb vor Gericht kommt und hingerichtet wird. Sie erleben aber auch eine Sophie Scholl, die als Jugendliche und junge Frau gerne getanzt hat, lacht, sich verliebt, Träume hatte, studieren will. Und die 1934 zur Hitlerjugend gegangen war und anfangs sogar stolz die Fahne im „Bund deutscher Mädel“ geschwungen hat. Gleichzeitig werden sie mitgerissen in den Konflikt der Studentin Sophie Scholl, bei der es sicher nicht um Leben und Tod geht, aber um Betrug und ihre zukünftige Karriere. Nicht ohne Übertreibung, aber eindrucksvoll gelingt es der Schauspielerin Nina-Mercedés Rühl, den Leistungsdruck zu vermitteln, denen Jurastudentinnen und –studenten ausgesetzt sein können, um mit einem guten Examen möglichst zu den Topverdienern in internationalen Anwaltskanzleien zu gehören. Geschickt sind beide Handlungsstränge miteinander verwoben und machen dadurch den Konflikt, in dem sich die Figuren befinden, umso deutlicher, ihre Anspannung: „Wie viele Sekunden bleiben mir noch für die Entscheidung?“ fragt die Studentin Sophie Scholl immer wieder in einem ebenso einfachen wie außergewöhnlichen Bühnenbild: In der Turnhalle der WWS geht es zwischen Papierstapeln um Zivilcourage, das eigene Gewissen und die Frage: Wie hätte ich mich verhalten? Und genau diese Frage haben dann auch alle Schülerinnen und Schüler für sich im Anschluss zu beantworten. Denn das Ein-Personen-Stück lässt die Frage nach „Aussagen“ oder „Schweigen“ bewusst offen und eröffnet damit die Möglichkeit, in weitere Diskussionen einzusteigen. In einem ersten Teil stehen dafür Knut Winkmann, Leiter der Theaterpädagogik am Theater Lübeck, und Nina-Mercedés Rühl zur Verfügung. Sie sammeln die verschiedenen Argumente der 10. Klässler, von denen sich die Mehrheit für eine Aussage ausspricht. Und sie freuen sich sichtlich, welchen Eindruck das Stück darüber hinaus hinterlassen hat. „Sophie Scholl war eine Widerstandskämpferin, aber irgendwie war sie auch ein bisschen wie wir“, kommentiert eine Schülerin, für die Sophie Scholl nahbarer geworden zu sein scheint. Gerade durch die sehr persönlichen Informationen sei der sinnbildliche Sockel, auf dem die Namensgeberin vieler Plätze und Schulen – zu Recht – stehe, spürbar kleiner geworden. Einig sind sich alle auch darin, wie gut es ist, heute in einem Rechtsstaat zu leben. „Die Werte, die jeder in sich trage“, wie es in dem Stück heißt, müsse man sich aber immer wieder bewusst machen.
Es schließen sich noch viele weitere Fragen an, nicht zuletzt danach, wie realistisch das fiktive Betrugsverfahren im Theaterstück sei. Spätestens damit ist die Brücke zum Projekt „Recht.Staat.Bildung“ geschlagen. Der Staatssekretär im Justizministerium, Wilfried Hoops, der in Begleitung seiner Kolleginnen Dr. Friederike Seesko und Dr. Ute Scholz nach Eutin gekommen ist, berichtet von einem Fall in Niedersachen, in dem vor einigen Jahren ein Richter zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war, der Examensklausurlösungen verkauft hatte. Den Examenskandidaten, die sich die Prüfungsergebnisse erkauft hatten, war das Staatsexamen aberkannt worden.
„Dann ist da ja echt“, staunen dementsprechend die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Gäste aus dem Theater. Jedenfalls ist die Neugier geweckt. Und umso einfacher ist der Einstieg in den zweiten Teil der Veranstaltung, für den die drei Juristinnen und Juristen vor allem an die WWS gekommen sind. Für sie war die Aufführung der gelungene Auftakt, um mit den Schülerinnen und Schülern über das Stück hinaus praxisnah diskutieren zu können, was unseren Rechtsstaat ausmacht. Eingebettet in das Projekt „Recht.Staat.Bildung“, das Justizministerium und Bildungsministerium im letzten Jahr und zeitlich unbefristet ins Leben gerufen haben, damit Rechtsstaatlichkeit kein abstrakter Begriff bleibt, erläutern sie den 10. Klässlern, was es mit dem Zeugnisverweigerungsrecht auf sich hat. Was folgt, ist ein wahres Feuerwerk an Fragen und Gesichtspunkten, die die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften Joachim Rehbein, Ulrich Buchen und Kirsten Lux in Kleingruppen und mit fachlicher Unterstützung der juristischen Gäste herausarbeiteten. Letztlich reichen die eineinhalb Stunden gar nicht aus, um alles zu bearbeiten. Dafür wird umso deutlicher, wie wichtig es ist, Meinungen und Fakten auseinanderzuhalten, Argumente zu prüfen und sich aus unterschiedlichen Perspektiven einem Thema zu nähern.
„Wir arbeiten gerne wieder zusammen“, ist dann auch das gemeinsame Ergebnis aller Akteure. Und für die Schule dankt Ulrich Buchen abschließend dem Schulverein und dem Rotary Club Eutin, die die Finanzierung der Aufführung sichergestellt und damit die gesamte Schülerveranstaltung unterstützt haben.


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