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Ein Zufallsfund erweist sich als historischer Schatz

Preetz (ed). Wäre Karl Petersdotter nicht stutzig geworden und in den Container gestiegen, wäre ein echter Preetzer Schatz auf der Müllkippe gelandet – so aber wird er zur Sommerausstellung des Museums des Kreises Plön. Es sind rund 300 Zeichnungen und Entwürfe aus der Feder des Preetzer Tischlers Joachim Ramm – einzelne Möbelstücke wie Kommoden, Vertikos, Schränke, Betten, Tische, Standuhren und wunderbare Sessel, aber auch ganze Wohnzimmer, Ess- oder Fremden-, gar Schlafzimmer und Yachteinrichtungen sind es, die Joachim Ramm zu Werbe- vor allem aber zu Angebotszwecken zu Papier gebracht hat. Teilweise recht mitgenommen sind sie, aber wen wundert das, wenn man bedenkt, dass gut ein Drittel von ihnen aus einem Müllcontainer kommen und nur dank der Umsicht Karl Petersdotters gerettet wurden. Er sorgte auch dafür, dass die Entwürfe glücklicherweise in die Hände von Stadtarchivar Peter Pauselius und seinem ehrenamtlichen Co-Stadtarchivar Klaus Schöllhorn gelangten – die beiden wurden neugierig, begannen, weitere Entwürfe zu sammeln und über die Familie Ramm zu recherchieren. So kam ein Schatz zusammen, der nicht nur Preetzer Geschichte erzählt sondern auch einen wunderbaren Einblick in Wohn- und Esszimmer Begüterterer zwischen 1850 und 1929 ermöglicht.
 

Joachim Ramm war von Haus aus Tischler, aber er reiste auch nach Frankreich, um die Kunst der Inneneinrichtung zu studieren – so waren seine Möbel ihrer Zeit voraus und absolut exquisit, wie die Zeichnungen beweisen. Die geschmackvoll colorierten Entwürfe sind wie ein Blick in die Wohnzimmer ihrer Zeit, sie erzählen Geschichte, aber auch Geschichten ganzer Familien, wie sie lebten und was „angesagt“ war zu ihrer Zeit. Zauberhafte Sessel, ein gemütlicher Salon, eine kunstvoll eingebaute Sitzbank, angenehm gepolstert. Besonders schön: Unter manchen Zeichnungen steht, wofür sie gedacht waren. Das Fremdenzimmer des Fräulein Habermann oder „Bestes und Speisezimmer Fräulein Driller“.
1850 ließ sich die Tischlerei Ramm am Preetzer Markt nieder – und wurde schnell zu einer im ganzen Norden angesehenen Möbelmanufaktur. 1880 wurde die Tischlerei sogar zum kaiserlichen Hoflieferanten ernannt – dank des Prinzen Heinrichs, des Bruders Kaiser Wilhelm II, der die Ramms mehr als einmal in Preetz aufsuchte, um neue Möbel und Einrichtungen zu besprechen. Wie sie zueinander kamen, ist nicht bekannt, aber es sei immer ein Riesenaufruhr gewesen, wenn der Prinz mit seiner Frau im offenen Wagen auf dem Preetzer Marktplatz hielt – gar nicht so wegen des Prinzen, schmunzelt Peter Pauselius, eher wegen des Wagens, denn damals habe es noch kaum ein Auto in Preetz gegeben.
So überzeugt von den Entwürfen und der Arbeit der Tischlerei Ramm war Prinz Heinrich, dass er Räume des Kieler Schlosses von ihm ausstatten ließ ebenso wie sein Landgut Hemmelmark an der Schlei, sogar seine Yacht und Salons größerer Schiffe tragen die Handschrift Ramms. Spätestens der zweite Weltkrieg machte nach einem Brand auf Hemmelmark und mit der Zerstörung des Kieler Schlosses auch die Arbeit Joachim Ramms zunichte – dass es aber in Privathaushalten bis heute Möbel aus der Preetzer Tischlerei gibt, im ganzen Norden verstreut, das stellten Peter Pauselius und Klaus Schöllhorn nicht nur fest sondern dokumentierten es auch in einem dicken Buch über die Tischlerei der Familie Ramm.
Der Krieg war es auch, der die Geschichte der Tischlerei Ramm beendete – die beiden Söhne Joachim Ramms kamen in ihm zu Tode und ihre Schwester versuchte vergeblich, das Familienunternehmen alleine zu retten. Dass der Nachlass dieser außerordentlichen Tischlerei gerettet werden konnte, ist ein echter Glücksfall.
 

Ein weiterer Glücksfall ist wieder einmal die Fielmann Stiftung und ihr Kunsthistoriker Jürgen Ostwald – der nämlich kam Julia Meyer in den Sinn, als sie die herrlichen Entwürfe und Zeichnungen Joachim Ramms sah. „Die Entwürfe sind ein Schatz, der gerettet wurde, aber noch ein bisschen mehr gerettet werden muss“, sagt die Museumsleiterin mit Blick auf die teils 100 Jahre alten, mal stockfleckigen, mal eingerissenen oder auch feucht gewordenen Blätter, „und da kam mir wie der Aladin mit der Wunderlampe Jürgen Ostwald in den Sinn, der uns schon so oft Wünsche erfüllt hat.“ Über diesen Schatz, einen echten Zufallsfund staunt auch Jürgen Ostwald, der Kunsthistoriker der Fielmann Stiftung – als er von diesem außerordentlichen Fund hörte, sei er sofort nach Preetz gefahren und habe gestaunt: „Wunderschön“, sagt er, „die Entwürfe reichen vom Historismus bis zum Art Deco, das muss der größte Fundus außerhalb eines Museums in ganz Norddeutschland sein.“ Die Blätter seien wunderbar, aber recht mitgenommen – und natürlich müssen sie fachgerecht konserviert werden, sagt er. „Das waren Möbelvorlagenblätter, die der Tischler den Damen und Herren im Salon anbot“, erzählt er, „natürlich müssen sie restauriert werden.“ Die Blätter reisen nun nach Schlutup zu Bogislav Rades, dem renommierten Papierkonservator, der sie restaurieren und auflegen wird.
Wenn die Entwürfe des Preetzer Tischlers dann in altem Glanz erstrahlen, als Vermächtnis der Ramms gewappnet für die Zukunft, werden sie das Herzstück einer Sonderausstellung im Museum des Kreises Plön sein – und ganz sicher ein echter Blickfang, ein Blick in Einrichtung und Leben in alten Zeiten.


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