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Reporter Eutin

Einblick hinter die Kulissen und ein Blick über den Tellerrand

Preetz (los). „Kinder-Kino“ vor dem Hühnerhagen: Bei der Preetzer Kindertagespflegestelle „Landkids“ in der Kührener Straße 11 gehört der Ausflug in den Garten, wo auch ein paar Hennen ihr Gehege haben, zum täglichen Programm. „Wann immer das Wetter es zulässt“, sagt Tagesmutter Brigitte Oberschelp. Sie hat für die „U3“-Kids einen „Kindergarten“ im Wortsinn gestaltet, der als vielfältiger Erlebnis-Spielraum für die Erkundung ihrer Welt zwischen Himmel und Erde viel Spaß verspricht. Nicht nur der Verbindung von Huhn und Ei können sie hier auf den Grund gehen, die Begegnungen mit den Tieren machen allen Beteiligten Spaß: „Gack?!“, kommentiert Klein-Moritz, nach Bestätigung aufblickend, denn er lernt zu sprechen. Neben ihm hat Brigitte Oberschelp den kleinsten Kollegen abgesetzt, der noch kein Jahr alt ist. Alles wird von ihm aufmerksam beobachtet. Tief in Gedanken versunken sitzt er vis-à-vis vorm Federvieh, so scheint es. Noch auf Augenhöhe mit den geflügelten Tieren, schweigt er sich lieber aus, er ist kein Mann der vielen Worte – jedenfalls noch nicht. Da hat der Moritz schon viel mehr zu sagen, aber er zählt ja auch beinahe zu den „Großen“ unter den Kleinen. Brigitte Oberschelp holt gerade mit den Mädchen ein paar Portionen Streufutter für die Hennen. Das dürfen die Kinder verfüttern. Sie freuen sich darauf, obwohl sich nicht jeder durch die Tür zu gehen traut. Einer schüttet die Körnchen vorsichtshalber vor dem Gehege aus. Hier kann keine Henne ihm zu nahe kommen. Doch an die Hand genommen und mit mentaler Unterstützung von Brigitte Oberschelp nehmen Mut und Neugier zu. Die Fütterungsaktion wird zum Highlight des Tages.
Eigentlich beschreibt diese Momentaufnahme den normalen behüteten Alltag der Kleinen, die hier täglich oder an bestimmten Tagen ihre Zeit verbringen, währenddessen ihre Eltern dem Beruf nachgehen. Doch die in der Kindertagespflege Tätigen, die meist als Selbständige die Betreuungsleistungen anbieten, sind durch die Umstände der Corona-Pandemie in unruhigem Fahrwasser unterwegs, weiß Brigitte Oberschelp. Als 2. Vorsitzende im Verein „Kindertagespflegering für den Kreis Plön“ sucht sie nach Lösungen. Fragen der Absicherung und Verantwortung sind ein zentrales Thema in dieser Situation: Dabei gehe es um finanzielle Aspekte als auch die Umsetzung der Corona-Verfügungen und nicht zuletzt um den gesetzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung seitens der Eltern. „Es sind große Herausforderungen“, verdeutlicht sie. „Natürlich haben wir Spaß an den Kindern, aber letztlich ist es unser Beruf.“
Froh ist sie über die zügige Entscheidung des Plöner Landkreises vor rund zwei Wochen, „dass wir auf Notbetreuung umstellen dürfen und trotzdem unsere laufenden Geldleistungen erhalten.“ Diese Regelung sei existenziell von Bedeutung: Denn das Land Schleswig-Holstein hatte den Tagesmüttern und –vätern das Einstellen des Betriebs, die Entscheidung für eine Notbetreuung oder den Normalbetrieb freigestellt, sagt sie, und somit deren finanzielle Lage während des Corona-Lockdowns ungeklärt gelassen. Durch Austausch mit Betroffenen weiß sie um die Schwierigkeiten in dieser Lage.
Die jetzt geregelte finanzielle Sicherheit bedeute, dass die Bezahlung für die fest vereinbarte Betreuungsarbeit im Kreisgebiet geleistet werde. Auch dann, wenn die Eltern etwa ins Homeoffice wechselten, um ihr Kind zu Hause selbst zu betreuen, was aus Gründen des Infektionsschutzes sinnvoll ist. „Ein bloßer Appell, dass die Eltern mit dem Kind zu Hause bleiben sollen, reicht aber nicht“, sagt Brigitte Oberschelp. Kinderbetreuung ist häufig unverzichtbar, weiß sie. Das Problem auf der anderen Seite: Für Kindertagespflegepersonen, die ihre Arbeit mit Sorgen um eigene Familienangehörige aus der höchsten Risikogruppe fortsetzen müssten, ist keine Lösung in Sicht. „Da hat der Gesetzgeber einfach nicht weit genug gedacht.“ Dies hinge zum Teil mit einer grundsätzlich unterschiedlichen Gewichtung der Arbeit der Tagespflegeleute als Selbständigen gegenüber den Kindergärten zusammen. Belange der Kindertagespflege bildeten als eher stiefmütterlich behandelter Tagesordnungspunkt oftmals das Schlusslicht der Diskussion, hat sie festgestellt. Und das, obgleich die Bedeutung dieser Form der U3 Kinderbetreuung im Vergleich zur Kita-Arbeit eigentlich gleichwertig ist. Ergebnis: „Wir haben die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte wie die Angestellten in Kitas“, resümiert sie. FFP2 Masken, Desinfektionsutensilien: Auch für diese Dinge müssen die Tagespflegeleute selbst die Kosten übernehmen. „Und wir können uns im U3 Bereich nicht selber schützen“, erklärt Brigitte Oberschelp. Denn die Nähe sei zum einen ein Grundbedürfnis der Kinder, die kuscheln, in den Arm genommen oder getröstet werden wollen. Zum anderen sei der enge Kontakt etwa beim Wickeln oder Anziehen gar nicht zu vermeiden.
Die Tagesmutter ist ausgelastet. Der Grund liegt auf der Hand: „Die Eltern dieser Kinder arbeiten alle in systemrelevanten Berufen und sind auf die Betreuung angewiesen“, sagt sie. Für den Fall, dass Tagespflegepersonen selbst einmal krankheitsbedingt ausfallen können, gibt es seit 2018 sogar den Vertretungsstützpunkt, der ebenfalls in der Kührener Straße ansässig ist, berichtet Brigitte Oberschelp, die dieses Projekt vor Jahren initiiert hatte. Diese Einrichtung bedeute Verlässlichkeit, was „gerade bei Eltern, die keine Familie im Hintergrund haben“ in einem solchen Fall eine große Hilfe sei.
Die Medaille hat jedoch eine Kehrseite: „Die Kindertagespflegepersonen erhalten in eigenen Ausfallzeiten keine laufende Geldleistung“, erläutert Brigitte Oberschelp. Der Vereinsvorstand habe sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass 10 Krankheitstage durchgehend weiter finanziert werden. Doch durch die landesweite KiTa-Reform sei diese Absicherung wieder zunichte gemacht worden. „Gerade in Corona-Zeiten ist das problematisch“, kritisiert sie. „Wir vom Vorstand setzen uns weiterhin für gute Bedingungen in der Kindertagespflege ein“, kündigt sie an.
Ohne Büroarbeit kommt der Betreuungsalltag nicht aus: Allem voran zählten dazu die monatlichen Abrechungen für die Einnahmen, das Erstellen von Betreuungsverträgen für Neuzugänge, und alles, was für die Regelung der eigenen Kranken- und Rentenversicherung relevant ist. Tagespflegepersonen arbeiten flexibel und sind deshalb gefragte Leute - nur zu wenige: „Es gibt definitiv zu wenig Betreuungsplätze“, sagt Brigitte Oberschelp, auch mit Blick auf im Schichtdienst tätige Eltern. „Wir haben weniger Kindertagespflegepersonen als vor 10 Jahren.“
Brigitte Oberschelp steckt den Rahmen ihrer täglichen Arbeit mit einer festen Tagesstruktur ab. Wichtig ist der Raum für spielerische Aktionen. „Manche Kinder sind morgens um 7 Uhr noch müde und möchten kuscheln“, erzählt Brigtte Oberschelp, die in der dunklen Jahreszeit ein gemütliches Frühstück mit Kerzenschein anbietet, fast immer in Gesellschaft von Kater „Leo“, der schnurrend zur behaglichen Grundstimmung beiträgt. Meistens schließe sich eine interaktive Musikstunde gefolgt von einem Ausflug ins Freie an. Das Mittagessen, ein Schläfchen und etwas Beschäftigung vor der Abholung komplettieren den Tag. Gerade der Garten, wo es eine Sandkiste, ein Hainbuchen-Tipi mit Sitzkreis, eine kleine Rutsche und im Sommer auch Blumen, Kräuter und Gemüse gibt, sorge für ausgeglichene Kinder. Brigitte Oberschelp, die auch ausgebildete Gärtnerin und Floristmeisterin ist, hat viele Themen im Programm. Etliches ergebe sich zudem spontan, sagt sie. Bodenständige Naturbezogenheit ist ihr dabei ein besonderes Anliegen. So gibt es etwa bei „Orange“ während der „Farbwochen“ eine Kürbissuppe zu essen. Der „Frühling“ lasse sich mit dem Aussäen von Sonnenblumen vermitteln, die im Sommer zur Blüte kommen. Beim Thema „Schwerkraft“ lassen die Kids im Garten kleine Autos eine Rampe hinunterkullern. Und als kürzlich ein paar Schneeflocken fielen, reichte es mit optimistischer Hingabe aller Beteiligten sogar für einen etwas kümmerlich geratenen Schneemann als Symbol des Winters – ein toller Tag!


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