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Reporter Eutin

„Wir haben noch nie so gute Menschen getroffen wie in Heikendorf“

Bild: E. Dörrhöfer

Heikendorf (ed). Als das russische Militär den aggressiven Angriffskrieg auf die Ukraine zu führen, war die Industriestadt Kropywnyzkyj gleich mitten im Geschehen, die Menschen wurden vom Raketenbeschuss überrascht wie überall im Land und versuchten, ihre Familien in den Kellern in Sicherheit zu bringen. So auch die Voronyis. Nur muss es für Larisa Voronaya, ihren Mann Yurii und den elfjährigen Pavlo besonders schlimm gewesen sein, immer wieder den Luftalarm hören zu müssen, denn Larisa Voronaya leidet an Zerebralparese, ihre Wirbelsäule wurde bei der Geburt beschädigt. So ist sie auf den Rollstuhl und die Hilfe ihres Mannes Yurii angewiesen, in den Keller oder in die Luftschutzbunker konnte sie nur, wenn auch Yurii zuhause war und sie trug. „Aber wir wollten uns nicht mehr nur im Keller verstecken, warten bis der Krieg vorbei ist“, erzählt sie, „und mir wurde klar, dass wir weg, am besten irgendwohin ins Ausland gehen müssen.“ Als sie dann mit Freunden im polnischen Krakau telefonierten, luden diese die Familie ein, erstmal bei ihnen Unterschlupf und Schutz vor dem Krieg zu finden – aber das konnte nur ein erstes Ziel sein, um vor dem Krieg in Sicherheit zu sein. „Wir haben von Krakau aus weiter einen Platz gesucht, an dem wir bleiben können“, berichtet Yurii Voronyi. Seine Frau kam auf die Idee, nach Deutschland weiterzuziehen, der Grund leuchtet ein: „Ich habe zuhause einen elektrischen Rollstuhl und einige andere Hilfsmittel, die alle aus Deutschland kommen. Da dachte ich, dass es in Deutschland für Behinderte mehr Möglichkeiten gibt. Ich habe dann mit Freunden gesprochen, die ebenfalls eine Behinderung und den gleichen Gedanken haben.“ Also wurde in der Familie besprochen, wo es hingehen sollte, und alle waren sich einig: Deutschland sollte die neue Heimat werden. Gezielt suchten die Voronyis nun nach Orten in Deutschland, an denen sie vorübergehend bleiben können, stellten sich vor und schilderten ihre Situation. „Und da war das Internet wirklich ein Segen, denn sehr schnell bekamen wir über facebook eine Nachricht eines Heikendorfer Paares, das uns eine Wohnung anbot.“ Und nicht nur das: Die freundlichen Heikendorfer schrieben den Voronyis, dass sie lediglich nach Hamburg kommen müssten, von da würden sie sie abholen und in ihr neues Zuhause bringen, eine Erdgeschoss im eigenen Haus mit rollstuhlgerechten Türen und nahezu barrierefrei. Für Larisa Voronaya und ihre Familie ein unfassbares Glück – und das war nur der Anfang. Überall in Heikendorf seien sie sehr, sehr herzlich aufgenommen worden, hätten so viel Hilfe und Freundlichkeit erfahren. „Wir haben noch nie so nette Leute getroffen“, staunt Larisa, „es sind so gute Menschen hier. Aber wir wissen natürlich, dass wir in dieser Wohnung nur eine Zeitlang bleiben können“, sagt sie, denn der jungen Ukrainerin mit dem strahlenden Lächeln liegt nichts ferner, als irgendjemandes Güte auszunutzen. „Und wir wünschen uns natürlich, dass der Krieg bald zuende ist“, sagt Larisa Voronaya, „aber wir möchten erstmal nicht in die Ukraine zurück.“ Verständlich, wenn man an ihre Situation denkt, denn im Rollstuhl ist alles immer noch ein bisschen schwieriger – und in einem vom Krieg zerstörten Land nochmal deutlich mehr.
Sie und ihre Familie wollen so bald wie möglich selbständig leben können – längst lernen sie fleißig die deutsche Sprache, Yurii spricht gutes Englisch ebenso wie Pavlo, der liebevoll Pascha genannt wird und ein ziemlich cooler kleiner Kerl ist. Seit dem Kindergarten schon lernt er Englisch, liebt das Radfahren – und Heikendorf. Er geht in die 5. Klasse, hier seit Kurzem erstmal in die DaZ-Klasse und hat schon Freunde gefunden. „Ich liebe Heikendorf“, seufzt er glücklich, „es ist ruhig und alle sind so nett hier. Und das Meer ist ganz nah, das ist so schön hier.“ „Es gefällt uns hier sehr gut“, sagt sein Papa Yurii leise, „und wir würden wirklich gerne erstmal hierbleiben.“ Yurii Voronyi ist Programmierer, ein Beruf, den er liebt und den man überall ausüben kann – und weil er sieht, wie gut es seiner Frau und seinem Sohn hier oben geht, hat er beschlossen, ihnen hier ein neues Zuhause aufzubauen. Und der erste Schritt soll eine eigene Wohnung sein. Sie muss gar nicht so groß sein, 60 Quadratmeter wären toll, mehr hatten sie in ihrer ukrainischen Heimatstadt auch nicht, erzählen sie. Zwei Zimmer (wobei Paschas Augen beim Gedanken an ein eigenes Zimmer leuchten) vielleicht, nur barrierefrei müssen sie sein – mit breiten Türen, damit der Rollstuhl durchpasst, ohne Schwellen und Hindernisse, am besten im Erdgeschoss ohne Stufen oder mit Aufzug, der rollstuhlgerecht ist. Wo, das weiß Pascha genau: „In Heikendorf“, wünscht er sich sehr. Denn er möchte so gern weiter hier zur Schule gehen. Seine Mama sagt: „Wir wissen, dass Wohnen hier teuer ist, und dass es sehr schwierig wird, eine Wohnung mit diesen Bedingungen zu finden, aber vielleicht haben wir nocheinmal Glück und es klappt.“ Die Wohnung wird für ein Jahr vom Amt bezahlt, anschließend, so haben die Voronyis es sich vorgenommen, werden sie selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen.
Wer eine rollstuhlgerechte, barrierefreie Wohnung in Heikendorf oder drumherum an eine freundliche Familie vermieten möchte, ist herzlich willkommen, sich bei den Voronyisw zu melden – per WhatsApp 380631375320 oder telefonisch unter 4915224308156.


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