Ab sofort wird die neue Seebrücke in Timmendorfer Strand angefahren
Timmendorfer Strand. Die Kritik von zwei Reedereien aus Niendorf/Ostsee, dass ein Anlegen mit ihren Bäderschiffen an der neuen Maritim-Seebrücke in Timmendorfer Strand nicht möglich beziehungsweise zu gefährlich sei, hat großes, mediales Interesse ausgelöst. Mehrere Print- und Onlinemedien sowie das Fernsehen haben darüber berichtet.
„der reporter“ hat das Thema auch aufgenommen und einen Fragenkatalog an die Reedereien, Gemeindeverwaltung und Politik versandt.
Die Kritik der Reedereien: Der Anleger für die Bäderschifffahrt befindet sich in einem 45-Grad-Winkel zur Küstenlinie und in relativ flachem Wasser. Deshalb sei er schwer anzufahren.
Dazu erklärt Lisa-Marie Böttcher von der Böttcher-Schifffahrt mit Sitz in Niendorf/Ostsee: „Wir haben in der Neustädter/Lübecker Bucht tagtäglich mit wechselnden Witterungsverhältnissen (Wasserstand, Wind, Strömung) umzugehen. Bei guten Verhältnissen kommen wir ohne Probleme an den Anleger. Bei widrigen Bedingungen wird es ungleich schwieriger. Wir müssen in den Bereich zwischen Brücke und Strand fahren. Unser Schiff hat am Anleger die Seebrücke zur Rechten und den Strand zur Linken. Wenn der Wind uns drückt und wir abtreiben, sind wir sehr schnell im Badebereich und dann besteht die Gefahr, dass wir auf Grund laufen.“ Auch sie hat Interesse daran, die neue Seebrücke anzufahren und berichtet: „Wir haben im Herbst 2024 einen Anlegeversuch gestartet. Wir hatten etwas weniger Wasser als sonst, aber dafür gut Wind und Strömungsverhältnisse. Am Anleger hatten wir noch 0,5 Meter Wasser unter dem Kiel. Unser Seelöwe hat nicht besonders viel Tiefgang, nur 1,6 Meter, das bedeutet, zum damaligen Zeitpunkt war dort eine Wassertiefe von zirka 2,1 Meter zu verzeichnen. Bei normalem Wasserstand dürfte es etwas mehr sein, aber dann sieht man, dass die Anlieger direkt ,auf‘ der Wasseroberfläche sitzen. Bei Wellengang schwierig.“
Für sie liegt die Problematik ganz klar in der Kommunikationspolitik der Gemeinde: „Gerade bei Bauprojekten, die sich so lange hinziehen, hat man die Reeder möglicherweise am Anfang einmal befragt und dann nie wieder miteinbezogen.“ Sie selbst war in den Planungen nicht mit eingebunden, aber ihr im Sommer 2021 verstorbener Vater, Kapitän Heinz Ulrich Böttcher, und die Reederei Belis, die zu dem Zeitpunkt noch Bäderschifffahrt angeboten haben.
Maxim Qualen, Inhaber der Charter-Firma Q-Boats, erklärt dazu: „2021 gab es sowohl E-Mail-Verkehr als auch Telefonate und mündliche Einwände meinerseits. Ich habe schriftlich darauf hingewiesen, dass aus meiner Sicht auch die Anleger-Länge deutlich zu kurz für viele Schiffe wie auch zum Beispiel das Partyschiff MS Koi sei. Auf weitere Bedenken und auch Einwände meinerseits wurde nicht eingegangen. Und eine von mir gewünschte Einsicht in den Bauplan ist nie erfolgt.“
Zur Problematik am Anleger sagt Qualen - ähnlich wie Lisa-Marie Böttcher: „Es ist nicht so, dass die Wassertiefe am Schiffsanleger der neuen Maritim-Seebrücke grundsätzlich zu gering wäre. Dennoch gibt es Einschränkungen speziell beim Anlegen von Ausflugs- und Bäderschiffen. Der Grund: Bei Wind, besonders aus nordöstlicher Richtung, kann das Schiff leicht in seichteres Wasser gedrückt werden – Ruder oder Propeller könnten Schaden nehmen. Durch die Brückenschleife besteht dazu ein besonders ungünstiger Anlaufwinkel. Zudem befindet sich der Anleger sehr nahe der hochfrequentierten Badezone, was bei einem anspruchsvollen Anlegemanöver - vor allem mit einem 80 Jahre alten Schiff und den entsprechenden technischen Voraussetzungen durchaus gefährlich werden kann.“
Man hat dort auch nicht überall durchgängig ausreichende Tiefe, um mit größeren Fahrgastschiffen sicher zu manövrieren, so Qualen. „Der Anleger ist relativ eingeengt zwischen Badezone und Seebrücke – bei Seitenwind fehlt ausreichender Platz für Korrekturmanöver - insbesondere bei den alten Schiffen ohne Bug- oder Heckstrahlruder und mit nur einer Maschine und einem Propeller. Das erschwert das sichere An- und Ablegen für die historischen Bäderschiffe, insbesondere bei starkem Verkehr oder Wellengang. Auch wenn die Gemeinde argumentiert, die Anlage sei sicher, entscheiden die Reedereien und Kapitäne im Zweifel lieber gegen das Anlaufen – aus Verantwortung für Passagiere und Technik.“
Gesine Muus, 1. Werkleiterin des Kurbetriebes Timmendorfer Strand, antwortet nach einer Fraktionsrunde stellvertretend für die Gemeinde Timmendorfer Strand und die Fraktionen: „Die Reedereien waren in den Jahren 2020 und 2021 in die Planung eingebunden. Der Bäderschiff-Anleger wurde nach den Vorgaben von drei beteiligten Kapitäne gebaut. Eine jetzt geforderte Umplanung des Sportbootanlegers (damit die Bäderschiffe dort anlegen können, Kostenpunkt: zirka 200.000 Euro, Anmerkung der Redaktion) wird erstmal nicht erfolgen. Mittlerweile haben mehrere Freizeit-Kapitäne, erfahrene Bootseigner und eine Reederei aus Travemünde den Anleger erfolgreich angesteuert und uns positives Feedback gegeben.“
Seit Montag fährt der Hanse Cat der Reederei Hanseschifffahrt RB aus Travemünde die neue Maritim-Seebrücke mehrmals täglich an. „Wir haben dort unseren Hanse Cat hingeschickt und es ist alles in Ordnung, auch genug Wassertiefe,“ so Rolf Böttcher von der Hanseschifffahrt RB auf Nachfrage. „Wir werden dort jetzt den Cat mit einsetzen und fahren vier Mal täglich zwischen Travemünde, Timmendorfer Strand und Scharbeutz.“
Kapitän Rolf Böttcher sagt aber auch: „Klar, bei Nord Ost-Wind ab 4 bis 5 Windstärken kann man, egal welche Brücke, nicht mehr anlaufen, das wissen auch die Bäderschiffe. Erschwerend kommt für die noch hinzu, es sind Ein-Schraubenschiffe mit einem Ruderblatt und die mögen nun gar nicht lange rückwärts fahren und die nötige PS-Zahl fehlt dann wohl auch. Der Gemeinde ist hier aber nichts vorzuwerfen. Wir haben bei unseren jetzigen Gesprächen eine gute Zusammenarbeit vorgefunden und klar muss für jedes Schiff kleine Modifizierungen vorgenommen werden, die man auch bereitwillig machen will. Aber von unserer Seite sind und sehe ich hier keine Probleme mit dem Anleger.“ (rk)