So will Neustadt klimaneutral werden

Marlies Henke 402
Die Grafik zeigt Neustadts Zielszenario 2035. Durch bereits umgesetzte Maßnahmen seit 1990 wurden im Bilanzjahr 2021 bereits 31 Prozent eingespart. (Grafik: Zeitengrad, Datenquelle: Klima-Navi)

Die Grafik zeigt Neustadts Zielszenario 2035. Durch bereits umgesetzte Maßnahmen seit 1990 wurden im Bilanzjahr 2021 bereits 31 Prozent eingespart. (Grafik: Zeitengrad, Datenquelle: Klima-Navi)

Neustadt in Holstein. Bis 2035 soll Neustadt klimaneutral werden, das sind 10 Jahre vor dem Bundesziel und fünf vor dem Ziel des Landes. Damit das gelingt, hat die Stadt Neustadt 2021 ein integriertes Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht, das nun als Entwurf vorliegt und derzeit in den Fachausschüssen beraten wird. Bereits im Februar hatte dazu eine Auftaktveranstaltung stattgefunden, im Juli ein Infoabend, bei dem es um die kommunale Wärmeplanung der Stadtwerke und um den Bearbeitungsstand des Klimaschutzkonzeptes ging (der reporter berichtete). Am Montag letzter Woche erhielten Interessierte bei Informationsveranstaltung „Nachhaltige Hafenheimat“ erste Einblicke in das Konzept.

Klimaschutzmanager Niclas Bünning hat mit seinem Abschlussbericht eine gründliche Bestandsaufnahme vorgelegt und in sechs verschiedenen Handlungsfeldern 24 konkrete Maßnahmen aufgelistet. Dazu gehören im Handlungsfeld Wärmewende die Umsetzung eines integrierten energetischen Sanierungsquartiers nach KFW 432. „Dabei wird die Stadt in Quartiere unterteilt, und man untersucht, an welchen Stellen ein Wärmenetz Sinn macht und wo Einzellösungen gefragt sind“, erklärte Bünning. Des weiteren möchte der Klimaschutzmanager Thermographie-Rundgänge für Bürgerinnen und Bürger anbieten, um den Sanierungsbedarf und Potenziale ausgewählter Gebäude aufzuzeigen.

Im Handlungsfeld Stromwende soll die Photovoltaik und die Nutzung von Stromspeichern auf geeigneten Dachflächen ausgebaut werden, wobei die Stadt bei der Umsetzung durch Beratungen zu Förderprogrammen und vereinfachten Installationsmöglichkeiten unterstützt.

Die Mobilitätswende konzentriert sich auf die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs in der Innenstadt. Im Bereich der Konsumwende wird angestrebt, an Schulen und Kitas vegetarische und vegane Verpflegung anzubieten. Die Klimaanpassung umfasst Maßnahmen im Hochwasser- und Küstenschutz sowie eine wassersensible Stadtentwicklung. Im Handlungsfeld Beteiligung und Partizipation plant Niclas Bünning die Einführung eines Klimastammtischs, um die Bündelung und Stabilisierung von Klimaschutzaktivitäten zu ermöglichen und den Austausch von Bürgern über ihre Erfahrungen und praktischen Ratschläge zu fördern.

Interessierte finden den Entwurf des Klimaschutzkonzeptes  im Ratsinformationssystem der Stadt unter www.stadt-neustadt.de in den Vorlagen der Fachausschüsse.

Die Maßnahmen basieren auf der Energie- und Treibhausgasbilanz der Stadt, die für das Jahr 2021 eine Emission von 122.715 Tonnen CO2 ergab, was einer CO2-Emission von 8,1 Tonnen pro Kopf entspricht. Ein Großteil dieser Emissionen entfällt auf den Bereich Wärme, gefolgt von Verkehr und Strom. „Es gibt erhebliche Potenziale in den Bereichen ‚Gewerbe, Handel, Dienstleistungen‘ und ‚Private Haushalte‘, die es auszuschöpfen gilt“, so Niclas Bünning.

Das gesamte Handlungsprogramm zielt darauf ab, Neustadt bis 2030 treibhausgasneutral zu gestalten, was konkret bedeutet, die Emissionen pro Kopf und Jahr auf unter eine Tonne zu senken. Dabei ist die aktive Beteiligung der örtlichen Unternehmen und Bürger von entscheidender Bedeutung, genauso wie die Vorreiterrolle, die die Stadtverwaltung einnehmen möchte.

Dass als Zwischenziel eine 60-prozentige Senkung bis 2025 vorgesehen ist, warf bei den Teilnehmenden der Informationsveranstaltungen viele Frage auf. Wie sollen diese Ziele so kurzfristig erreicht werden? Gerade vor dem Hintergrund des energetischen Sanierungsbedarfs der vielen alten Häuser in der Stadt?

Bürgermeister Mirko Spieckermann räumte ein, dass das Zwischenziel „sicherlich sportlich und sehr, sehr schwer umsetzbar“ ist. Man habe jedoch lange auf die Förderung des Klimaschutzkonzeptes gewartet und befinde sich gemäß den Vorgaben des Projektträgers im festgelegten Zeitplan, dessen erster Schritt in der Entwicklung des Konzeptes besteht. Eine wichtige Basis bestehe zudem im kommunalen Wärmeplan, der bis Ende nächsten Jahres fertig gestellt werden soll und den Bürgern Möglichkeiten für Nah- und Fernwärme sowie andere erneuerbare Energiequellen aufzeigen werde. Das Entscheidende für die Treibhausgasneutralität aber sei letztlich das Jahr 2035. Spieckermann: „Bis dahin wollen wir alles dafür tun, unser Ziel zu erreichen.“ (he)