Reporter Eutin

„Er sieht mich und hält einfach nicht“

Bild: E. Dörrhöfer

Eutin (ed). Khatoum kommt mit ihrer kleinen Tochter Elina vollkommen abgehetzt ins Familienzentrum, versucht zu lächeln, das gelingt ihr aber nicht ganz – die anderen Frauen des Freitagstreffs für Frauen mit Fluchterfahrung fragen sie, wieso sie spät kommt. Sie sei zu Fuß gekommen, sagt die junge Frau aus Syrien. Aus Neudorf. Mit dem Kinderwagen. Der Busfahrer habe sie gesehen, den Kopf geschüttelt und nicht angehalten. Statt eines Sturms der Empörung ist bei den anderen Frauen eher Resignation zu spüren, Leila, eine zierliche Frau mit einem Kind im Kinderwagen, dem anderen an der Hand, zuckt nur mit den Schultern, das passiere nicht selten. Sie muss jeden Tag aus Majenfelde nach Eutin, ihren Sohn zur Tagesmutter bringen, ihr Mann arbeitet, braucht das Auto – also versucht sie, den Bus zu nehmen, die 530 fährt von Eutin nach Bosau und zurück, sollte auch in Majenfelde halten. Theoretisch jedenfalls. Oftmals klappe das auch ganz gut, sagt Leila. „Ein Busfahrer senkt den Bus sogar ab, damit ich mit dem Kinderwagen einsteigen kann“, erzählt sie und freut sich über diese Freundlichkeit, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Meistens aber müht sie sich mit dem Kinderwagen die hohen Stufen hinauf – wenn der Bus überhaupt hält. Oder nicht schon drei Minuten vor der planmäßigen Abfahrtszeit gefahren ist. „Manchmal kommen zwei Busse hintereinander, auf dem ersten steht Leerfahrt, der fährt natürlich weiter. Aber der zweite sieht mich und fährt auch weiter. Oder ich komme gerannt und er sieht mich und fährt weg. Wieso?“ Finden Sie mal eine Erklärung für eine junge Frau, die aus ihrem Land vor Krieg, Verfolgung und Gewalt geflohen ist, sich hier sicher und willkommen fühlt und dann mit einem solchen Verhalten konfrontiert wird.
Ob die Busse dann vielleicht zu voll sind, um noch einen Kinderwagen mitnehmen zu können, fragen wir die jungen Frauen. Da müssen sie lachen. Die Busse von und nach Bosau außerhalb der Schulzeit seien nie voll, auch die 5 aus und nach Neudorf nicht. „Da sind immer viele leere Plätze“, sagen sie. Sie stehen also an der Haltestelle mit ihren Kinderwagen und wenn außer ihnen sonst niemand da steht, gibt es Busfahrer, die einfach nicht halten. Vielleicht sogar den Kopf schütteln.
Leila und Khatoum sind keine Einzelfälle, auch die anderen Frauen erzählen von solchen Vorfällen – dass die Busfahrer unfreundlich sind, die deutsch aussehenden Fahrgäste grüßen, Frauen mit Kopftuch und langem Mantel jedoch nicht. „Vielleicht haben sie dann keinen guten Tag“, versucht Dima eine Entschuldigung zu finden, eine Entschuldigung, die es aber für ein solches Verhalten nicht gibt. Schlechte Laune, Stress, Verspätung und dann auch noch die Verzögerung, wenn jemand mit Kinderwagen einsteigen will. Wenn das einmal passiert, dann ist das schon schlimm genug, wenn das aber immer wieder passiert, dann stimmt das was nicht im System. Es gebe auch sehr nette Busfahrer, sagt Rama, eine Busfahrerin der Linie 5 grüße sie sogar beim Einsteigen. Und ein älterer Busfahrer mit türkischen Wurzeln sei immer freundlich, erzählt Leila, er helfe ihr auch beim Einsteigen. Aber sie verstehe nicht, wieso es oft so schwierig sei, Bus zu fahren – „ich lese viele Nachrichten auf deutsch und überall steht, man soll wegen der Umwelt öffentliche Verkehrsmittel nehmen. Ich versuche das ja, aber was mache ich, wenn der Bus mich nicht mitnimmt?“
Wir haben die DB RegioBus als Muttergesellschaft der Autokraft per Email darum gebeten, sich zu diesen Vorfällen zu äußern: „Es ist natürlich nicht in unserem Sinne, dass unsere Mitarbeitenden nicht beziehungsweise nicht korrekt an dem vorgesehenen Haltepunkt halten und die Fahrgäste samt Kinderwagen oder Buggy nicht einsteigen können. Selbstverständlich möchten sie sich auf die Bedienung der Haltestellen nach Fahrplan verlassen können. Die Verärgerung sowie die Enttäuschung hierüber können wir - genauso wie auch die Kritik - gut nachvollziehen.“ Das hört sich ermutigend an, zumal die DB RegioBus um die genaue Angabe der Fahrten bittet, um mit dem entsprechenden Fahrpersonal zu sprechen: „Gerade bei Personalbeschwerden ist uns wichtig mit unserem Fahrpersonal entsprechende Gespräche zu führen, damit offensichtliche Missstände behoben und geeignete Maßnahmen getroffen werden können.“
Der Kreis Ostholstein schreibt auf die Bitte einer Stellungnahme zum Verhalten der Busfahrer: „Der Kreis Ostholstein erwartet als Auftraggeber der Autokraft natürlich ein kundenorientiertes Verhalten des Fahrpersonals. Dies gilt insbesondere gegenüber denjenigen Fahrgästen, die in besonderer Weise auf Unterstützung seitens der Fahrer angewiesen sind. Hierzu zählen auch Mütter mit Kinderwagen. Sollten sich die geschildeten Vorfälle tatsächlich zugetragen haben, erwartet der Kreis Ostholstein, dass die Autokraft diesbezüglich angemessen nachsteuert.“ Wie auch immer dieses Nachsteuern aussehen könnte. Eine Schulung in Gleichbehandlung? In Weltoffenheit? Anti-Diskriminierung?


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