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Im Streitschlichten die Besten

Süsel (ed). Manchmal ist es bei einem Streit besser, wenn ein Dritter hilft, ihn zu lösen – aber das kann nicht jeder, denn dazu braucht es ganz besondere Eigenschaften. Einfühlungsvermögen zum Beispiel und Objektivität. „Und unparteiisch muss man sein, keiner darf bevorzugt werden“, sagt Emma, „selbst wenn es unsere Freunde sind.“ Emma weiß, wovon sie spricht, denn Emma, Bente, Sophie, Lina, Lisa, Erik, Klaas, Hannes und Ole haben es gelernt, einen Streit zu schlichten, sie sind die KonfliktlotsInnen der Grundschule in Süsel. „Die ersten seit langer Zeit“, freut sich Schulsozialarbeiter Dirk Dähn. Er hat die Kinder im letzten Schuljahr ausgebildet – jetzt sind sie in der Vierten und können jeden Streit schlichten, der ihnen in den Pausen begegnet.


Konfliktlotse sind die Kinder aus den unterschiedlichsten Gründen geworden – einig sind sie sich aber darüber, dass sie alle Streiten richtig doof finden. „Wieso denn eigentlich nicht?“ fragt Bente. „Ist doch was Gutes.“ Recht hat sie. „Wir wollten einfach gern helfen können“, ergänzt Lina. Klaas muss ein bisschen lachen, als er erzählt: „Mein großer Bruder war Konfliktlotse und hat gesagt, das macht Spaß. Und er hatte recht. Es ist cool, zusammen mit seinen Freunden was Neues zu machen.“ Also hatten sie das ganze dritte Schuljahr über immer eine Stunde pro Woche Konfliktlotsen-Ausbildung bei Dirk Dähn – und das, obwohl ihre Klassenkameraden erst zur zweiten hatten. „Eigentlich hätten wir da frei gehabt“, sagt Hannes, „aber das hat uns nichts ausgemacht, weil es einfach ganz viel Spaß gebracht hat.“ Aber dafür eine Stunde früher aufstehen? Echt? „Jaaaa, ist ja keine Schule“, finden die Kinder.


Weshalb ein Streit ausbricht, sei ganz unterschiedlich, erzählen die KonfliktlotsInnen – „wer grade schaukelt oder wer zuerst rutschen darf, aber auch, wenn jemand was kaputt macht, was jemand anderem gehört. Oder jemand was Gemeines sagt.“ Manche Streitparteien kämen zu ihnen, erzählen die Kinder, „aber manchmal sehen wir auch, dass jemand sich streitet, dann gehen wir hin.“ In der Ausbildung haben sie die unterschiedlichsten Werkzeuge und Bilder an die Hand bekommen, mit denen sich ein Streit schlichten lässt – „also erstmal muss man nett sein, dann fragen wir beide Seiten der Geschichte ab.“

 

Dazu gehen die Konfliktlotsen mit den Streithähnen und -hennen in ihren Konfliktlotsenraum, den sie sich mit dem Schulsozialarbeiter teilen. Hier gibt es dann ein paar Regeln, die alle befolgen müssen – die Wahrheit zu sagen zum Beispiel. „Einander ausreden lassen“, sagt Lisa, „und jeder muss die gleiche Redezeit haben.“ Dafür gibt es den Ball – den wirft der Konfliktlotse dem zu, der gerade dran ist mit Reden. Ist die Zeit vorbei, bekommt ihn der Konfliktlotse zurück und hat die Möglichkeit nachzufragen, ob er alles richtig verstanden hat. „Wir wiederholen dann in unseren eigenen Worten, was er oder sie gesagt hat“, macht Emma deutlich. „Das heißt Paraphrasieren“, erklärt Hannes. Dann ist der andere dran mit Reden – „und dann versuchen wir, die Anfangswurzel des Streits zu finden“, sagt Sophie. Das mit der Anfangswurzel, das ist wichtig, sie gehört zum Eisberg-Modell, das die Kinder sehr beeindruckt hat – „meistens sieht man nur die Spitze eines Streits, der Rest ist verborgen, wie bei einem Eisberg“, sagt Emma. „Man darf aber nicht nur darauf achten, was man sieht“, erklärt Erik. „Sondern den Hintergrund angucken, rausfinden, was hinter dem Streit steckt“, ergänzt Bente. „Wir gucken, was hinter der Sache steckt.“ Die Konfliktlotsen verstehen sich untereinander prima, wissen ganz genau, was sie da tun und wieso. „Und manchmal ist auch alles nur ein Missverständnis, man kann ja auch mal was falsch verstehen“, weiß Lina, „und dann versuchen wir, das Missverständnis aufzudecken.“

 


Ihren Dienstplan machen die Kinder selbst – in jeder Pause ist ein Team von zwei Konfliktlotsen auf dem Schulhof unterwegs, deutlich erkennbar an ihren leuchtenden Konfliktlotsen-Westen. „Wir laufen rum und gucken, ob uns einer braucht“, erklärt Bente. „Und einer ist immer in Reserve, falls mal einer krank wird.“ Und wenn bei einem Streit doch mal einer ihrer Freunde beteiligt sein sollte, wissen sie genau: „Wir müssen unparteiisch sein, aber unsere Freunde wissen und respektieren das.“

 


Die Konfliktlotsen der Süseler Grundschule sind einfach eine supercoole Bande, auf die Dirk Dähn mit Recht sehr stolz ist – weil sie wissen, was so mancher Erwachsene nicht weiß: „Gewalt ist nie eine gute Lösung.“


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