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Reporter Eutin

Von Bauchampeln und Gorillamonstern

Malente (ed). Die drei Freunde, die Thomas Angermann immer dabei hat, sollte jeder im Gepäck haben: „Höflich, nett und freundlich heißen die“, sagt der Kinder- und Familientherapeut, der verschiedene Programme entwickelt hat, mit denen er Kinder in KiTa oder Schule stärkt. Vom Selbstbewusstsein über Selbstverteidigung bis zum sicheren Schulweg, und immer ist alles irgendwie miteinander verknüpft. Im AWO Kinderhaus ist er derzeit zu Gast mit Pro Kids! Ganz Stark! – immer mittwochs stärkt er ganz entspannt und spielerisch mit ganz viel Bewegung für Kopf und Körper Selbstbewusstsein und Eigenwahrnehmung der Schulkinder, denn darauf baut irgendwie alles auf. Und die wiederum nehmen jedes Mal eine ganze Menge mit – für den KiTa Alltag, aber auch fürs Leben.
Denn stark und selbstbewusst zu sein, ohne dabei den Blick für die anderen oder seine drei Freunde Höflich, Nett und Freundlich zu verlieren, ist heute nicht mehr so einfach. Dass das aber geht, das zeigt Thomas Angermann den Kindern vor allem, in dem er selbst die drei Freunde in der Mülltonne lässt, die genau da hingehören: „Blöd, Dumm und Gemein zeigen sich manchmal noch“, sagt er, „aber dann kommen sie einfach schnell wieder in die Mülltonne.“
Nein zu sagen, das sollen sich die Kinder trauen – wenn ihnen jemand zu nahe kommt, und wenn es nur der so beliebte Kopftätschler ist. Vor allem, wenn der kommt, ohne dass das Kind vorher gefragt wird, ob es das überhaupt will. Dazu braucht man Selbstbewusstsein und das Wissen darum, dass man – höflich, nett und freundlich – sagen darf, dass man etwas nicht will, was Erwachsene schlicht übergriffig nennen würden.
 

„Wie schütze ich mich selber? Was mache, ich, wenn ich mich bedroht fühle? Wo kann ich mir Hilfe holen? Das sind die Themen, die Thomas Angermann mit den Kindern bearbeitet“, erklärt Martina Höpfner, die Erzieherin der Regenbogengruppe. Sie darf sich nicht einmischen, darf zugucken – „eine wirklich luxuriöse Zeit“, sagt sie, „denn wir können unsere Kinder mal beobachten, mehr über sie erfahren.“ Dabei beginnt der erfahrene Therapeut in der KiTa, benutzt dabei Bilder, die einprägsam sind – lässt die Kinder üben, was sie tun können, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen: „Stopp! Hör auf! Schutzinsel!“ sind die drei Zauberworte, denn wenn Stopp und Hör auf! nicht helfen, dann darf man sich Hilfe suchen – bei den ErzieherInnen, denn „die heißen ja alle Herr und Frau Schutzinsel“, wissen die Kinder längst.
Die Übungen, die Thomas Angermann mit den Kindern macht, würden so manchen Erwachsenen vor eine Herausforderung stellen: Der Schlauspaziergang zum Beispiel oder die Starken Fünf brauchen nicht nur volle Aufmerksamkeit sondern auch die Koordination von Gehirn und Bewegung. Die Kinder bewegen sich, hören zu und setzen das, was Thomas Angermann vorgibt, in der Bewegung um, Erwachsene lässt das schon beim Zuhören schwindeln. Und beim rückwärts krabbeln sind wir Großen sowieso raus. Bei den Kindern stärken solche Übungen nicht nur die Koordinationsfähigkeit, die Bewegungsfreude und die Konzentration sondern auch die Eigenwahrnehmung, das Körpergefühl, darauf basiert das Selbstbewusstsein: Ich bin ich und ich darf mich verteidigen, es darf nicht jeder mit mir machen, was er will. Kindgerecht wechseln die Einheiten, bei denen die Kinder nur zuhören dürfen, mit denen ab, bei denen sie zwar richtig toben, sich aber auch konzentrieren müssen, ab, so bleibt der Kopf immer wach und der Spaß immer dabei.
 

Ihre volle Aufmerksamkeit fordert Thomas Angermann von den Kindern ohnehin – Worte werden mit Augen und Ohren gefangen, der Mund bleibt dabei geschlossen. „So lernen sie sich zu konzentrieren. Das ist eine super Vorbereitung für die Schule“, sagt Martina Höpfner und schmunzelt: „Eine gute Vorbereitung übrigens auch für die Eltern.“ Denn es gibt immer Hausaufgaben auf: Das, was sie bei Thomas Angermann lernen, sollen die Lütten zuhause Mama und Papa erzählen, dann malen die Eltern ein Bild dazu, damit die Kinder sehen, ob sie es auch verstanden haben. „So können sie sich langsam an die Zeiten herantasten, in denen es jeden Tag Hausaufgaben zu machen gilt.“ Nebenbei und ganz spielerisch festige sich so das Gelernte, erklärt der Kinder- und Familientherapeut. In dieser Woche ist es die Bauchampel, die jeder haben sollte – aber manchmal verlernt man, darauf zu hören. Wenn Mama und Papa das verstanden und ein Bild dazu gemalt haben, könnten sie zusammen eine Bauchampel bauen, an ihre Zimmertür hängen und an die Farbe eine Klammer heften, nach der ihnen gerade ist: Grün heißt natürlich „Alles super, ich bin glücklich!“, Orange eher „Geht so, ich weiß noch nicht…“ und Rot kann Wut, Angst, Traurigkeit oder auch Lass mich in Ruhe! bedeuten.
 

„Die Kinder sollen wissen, dass sie auch über negative Gefühle sprechen dürfen“, sagt Martina Höpfner, „sie sollen so selbstbewusst sein, dass sie sich Hilfe holen. Und dieses Bewusstsein, das wird hier gestärkt. Thomas Angermann vermittelt sehr klar, das finden die Kinder super, greifen es auf und leben es weiter.“ Denn besonders schön ist: Die Großen nehmen das Gelernte mit in ihre Gruppe, erzählen den Kleineren von Schutzinseln, davon, dass man Nein! sagen darf und von Freunden, die in die Tonne gehören. „Und das wollen wir“, sagt Annett Klöfkorn-Papke, „selbstbewusste Kinder, die sich trauen, Nein! zu sagen, sind für viele Herausforderungen im Leben gewappnet.“ Deswegen bucht die Leiterin des AWO Kinderhauses Thomas Angermann nach Möglichkeit immer schon für ihre Schulkinder im Jahr darauf, „wir haben einfach die Erfahrung gemacht, dass es ihnen gut tut – und den Eltern auch.“ Finanziert werden die 90 Euro pro Kind aus dem Kita-Corona-Sofortprogramm des Landes Schleswig-Holstein.


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