

Neustadt in Holstein. Das Parken in Neustadts Zentrum kostet bald auch für Kurzzeitparkende in der gesamten Innenstadt Geld. Wie die Stadt in einer Pressemitteilung angibt, werden die Kurzparkzonen mit Parkscheibe hinter der Windschutzscheibe entfallen, eine Parkticketpflicht wird eingeführt. Das bedeutet, dass auf sämtlichen Parkflächen im Innenstadtgebiet künftig eine Gebühr entrichtet werden muss.
Betroffen seien alle Straßen, in denen das Parken bisher mit einer Parkscheibe kostenfrei möglich war, zum Beispiel hier: Am Markt auf der Apothekenseite, auf dem Marktplatz (bei den Taxiständen) und gegenüber der Bushaltestelle vor der Kirche sowie in den Straßen Königstraße, Rosenstraße, Fischerstraße, Brückstraße, Waschgrabenstraße, Kirchenstraße, Schmiedestraße und Reiferstraße.
Um diese Maßnahme umzusetzen, werden in naher Zukunft elf neue Parkscheinautomaten im Innenstadtbereich aufgestellt. Außerdem gelten die Jahresparkkarten (Stadtparker mit 120 Euro und Freiparker mit 150 Euro) für diese Bereiche. Ein Erwerb dieser Jahresparkkarten sei über die Apps „EasyPark“ oder „Parkster“ möglich. Die Jahresparkkarten können außerdem über die Stadt oder die Stadtwerke erworben werden.
Dass es nur elf weitere Parkscheinautomaten geben wird, begründet die Stadt damit, dass sie Ressourcen schonen möchte und erklärt: „Die Parkscheinautomaten werden bewusst nicht flächendeckend an jeder Straßenecke aufgestellt, sodass in einigen Fällen etwas längere Wege zum nächsten Automaten erforderlich sein können.“
Die Stadt begründet diese Umstellung damit, dass sie den Suchverkehr reduzieren und damit im Sinne einer Global Nachhaltigen Kommune eine nachhaltige Entwicklung vor Ort vorantreiben möchte. Es seien immer wieder Menschen zu beobachten, die in der Hoffnung auf einen kostenfreien Parkplatz in der Innenstadt ihre Runden drehen, erklärte Nachhaltigkeitsmanagerin Lina-Sophie Koop. Gerade zum Wochenmarkt habe der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) dieses Verhalten verstärkt registriert. Konkrete Zählungen über den Suchverkehr seien jedoch nicht vorgenommen worden, wie Lina-Sophie Koop im Gespräch mit dem reporter erklärte. Andere Städte mit ähnlicher Gebührenstruktur hätten allerdings ebenfalls hohen Suchverkehr verzeichnet.
Mit dieser Maßnahme soll also eine Verbesserung der Luftqualität und Verringerung der Lärmbelastung einhergehen und durch das geringere Verkehrsaufkommen Raum zugunsten des Fuß- und Radverkehrs geschaffen werden.
Wer sich also ein Parkticket kauft, kann in Zukunft überall in der Stadt stehen und damit auch näher am Arbeitsplatz oder der Wohnung für mehrere Stunden oder Tage parken. Das könnte die Stellplätze in der Innenstadt blockieren und für Menschen mit eingeschränkter Mobilität längere Laufwege bedeuten. Hinzu kommen die Auswirkungen auf die Innenstadt, wenn parken in Neustadt künftig immer Geld kostet.
Der Gewerbeverein rechnet mit negativen Folgen: „Viele unserer Mitglieder befürchten, dass insbesondere spontane Kurzbesuche und alltägliche Erledigungen in der Innenstadt künftig seltener werden könnten“, erklärte Sven Muchow, Vorsitzender des Gewerbevereins. Er befürchte, dass Bürgerinnen und Bürger einfach woanders einkaufen, wenn sie in Neustadt nicht mehr kostenfrei stehen dürfen. Das hätte Auswirkungen auf die Umsätze vieler innerstädtischer Gewerbetreibender und langfristig auch negative Folgen für den Tourismus und die Attraktivität des innerstädtischen Einzelhandels.
Zu dem Argument, dass der Suchverkehr vermieden werde, sagte der Gewerbeverein: „Positive Effekte beim Verkehrsaufkommen sehen wir nicht.“ Im Gegenteil, längere Anfahrten zu Alternativen Einkaufszielen werden nach Ansicht des Gewerbevereins von den Menschen in Kauf genommen, gerade auch, weil man in Bad Schwartau und Heiligenhafen zum Beispiel keine Parkgebühren mehr entrichten müsse. Die ohnehin überlastete Eutiner Straße würde dadurch noch mehr belastet werden.
Bei der Wirtschaftslounge, zu der die Stadt Neustadt gemeinsam mit der IHK zu Lübeck und dem Gewerbeverein Neustadt am vergangenen Donnerstag geladen hatten, wurde das Thema ebenfalls aufgegriffen. Hier gehts zum Artikel.
Auch die Geschäftsführung des Kinderschutzbundes steht der Maßnahme unter dem Aspekt der Teilhabe kritisch gegenüber. Kerstin Olschowsky sagt, dass sich Inklusion in der Innenstadt durch eine unabhängige und selbstbestimmte Bewegung im Alltag zeige, die durch die Maßnahme eingeschränkt werden würde. „Kostenfreies Parken ermöglicht niedrigschwellig den Zugang zum öffentlichen Raum, der Teilnahme am öffentlichen Leben, die Belebung der Innenstädte, die Teilnahme an Veranstaltungen, die Erledigung von Besorgungen des täglichen Lebens“, so Kerstin Olschowsky. Sie zeigt aber auch Verständnis: „Aus kommunaler Sicht sind die Überlegungen im Hinblick auf die zu erwartenden Einnahmen nachvollziehbar.“ Sie merkte aber auch an, dass unter Berücksichtigung von Teilhabemöglichkeiten auch weiterhin kostenfreie Parkplatzmöglichkeiten zu Verfügung stehen sollten. Eine mögliche Lösung wäre zum Beispiel ein kostenfreier Öffentlicher Personennahverkehr, der dann als Alternative für alle Personen in guter und ausreichender Taktung zur Verfügung stehen müsste, so Olschowski. (ko)