

Neustadt in Holstein. 78 Jahre nach der Bombardierung der KZ-Häftlingsschiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 durch britische Bomber, die deutsche Truppen oder Flüchtlinge an Bord vermuteten, wurde am vergangenen Mittwoch der über 7.000 Toten gedacht.
Am Cap-Arcona-Ehrenmal begann die Gedenkfeier im Beisein von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack mit der stillen Kranzniederlegung, bevor Dr. Martine Letterie, Präsidentin der Amicale Internationale KZ Neuengamme, die Gäste begrüßte. Sie rief dazu auf, nicht nur die Opfer zu ehren, sondern sich zu vergegenwärtigen, wie wichtig es sei, die Demokratie und den Rechtstaat zu beschützen. „Heute ist uns mehr denn je bewusst, wie verletzlich sie sind“, so Martine Letterie.
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack betonte in ihrem Grußwort (im Video in voller Länge), dass das Erinnern alleine nicht ausreiche: „Es muss auch dafür gersorgt werden, dass sich so etwas nie wiederholen kann. Dafür müssen wir alle einstehen. Deutschland hat nach meiner festen Überzeugung zudem die Pflicht zum aktiven Einsatz gegen Antisemitismus, sowohl im eignenen Land als auch weltweit“, bekräftigte die Ministerin. Es sei richtig, dass sich das Land an der Errichtung des Cap-Arcona-Dokumentationszentrums in Neustadt finanziell beteilige.
„Wir Neustädter müssen damit leben, dass sich ein besonders tragisches Kapitel des Krieges in unserer Region ereignet hat. Die Cap-Arcona-Katastrophe ist vor 78 Jahren furchtbarer Teil der Geschichte dieser Stadt geworden. Für die Nachkommen der Opfer wird Neustadt auch in Zukunft ein Ort des Gedenkens bleiben“, sagte Bürgermeister Mirko Spieckermann sichtlich bewegt.
Manfred Goldberg aus Kassel ist einer der letzten Zeitzeugen. Er überlebte als Häftling des KZ Stutthof und erreichte wenige Stunden vor der Bombardierung der Cap Arcona auf einem Lastkahn den Strand von Neustadt. Er erinnerte sich in einer Audiobotschaft, aufgezeichnet von der Neustädter Journalistin Christina Mänz. Manfred Goldberg schilderte seine Erinnerungen an die letzte Leidensetappe und die Befreiung in Neustadt. Der Horror der Vergangenheit dürfe sich niemals wiederholen: „Bitte erinnern Sie sich daran, dass es für den Triumph des Bösen nur des Schweigens der guten Menschen bedarf.“
Bewegende Worte auch von Kristof Van Mierop aus Belgien, dessen Großvater ein Überlebender der „Athen“ war. Schülerinnen und Schüler des Küstengymnasiums trugen wie auch in den Vorjahren in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme einen Beitrag vor, diesmal ging es um den polnischen Häftling Kazimierz Wajsen. Musikalisch wurde die Gedenkfeier vom Schulchor der Jacob-Lienau-Schule und vom Küstengymnasium begleitet. Das Kaddish der Jüdischen Gemeinde Lübeck beendete die Veranstaltung.
Bereits am Vortag fand am Nachmittag auf dem Neustädter Marktplatz eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „Weitergabe von Geschichte in Familien“ statt. In Kooperation mit der Partnerschaft für Demokratie des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und dem Kinder- und Jugend-Netzwerk Neustadt fand eine Lesung mit Autorin Kirsten Boie und eine Podiumsdiskussion mit den Moderatoren Christina Mänz und Jens Westen statt. (ab)