Tourentipp: Von Pilgern, Prunk und Panoramen
Kirchnüchel. Die Wandermöglichkeiten rund um den Bungsberg bieten viele kleine landschaftliche Kostbarkeiten und großartige Ausblicke. Einige Superlative und Kleinode begegnen uns auch auf unserem Tourentipp rund um Kirchnüchel. Von dieser Randhöhe des Bungsberg-Gebietes genießen wir nicht nur herrliche Panoramablicke über die Holsteinische Schweiz mit ihren Knicks, Hügeln, Feldern und Wäldern. Wir erleben außerdem Pracht und Prunk, eine daumengroße Marienstatue und vernehmen mit etwas Glück ein fulminantes Konzert von Kermit und seinen Kollegen.
Los geht‘s an der St. Marienkirche in Kirchnüchel, wo es neben dem ehemaligen Restaurant Marienquelle einige Parkgelegenheiten gibt.
Wir starten auf diese nur fünf Kilometer lange Strecke zunächst in Richtung Nordwesten entlang der L 178 und folgen dem Rad- und Fußweg für circa einen Kilometer Richtung Neuharmhorst. Dort biegen wir rechts in die Straße Neuharmhorst und passieren das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr. Dahinter öffnet sich die Landschaft und wir können uns an dem Blick auf den idyllisch gelegenen Vörenteich erfreuen.
Schon bald tauchen wir in den Wald hinein, den wir zunächst auf Forstwegen, später auf beschilderten Wegen durchwandern. Nach circa einem Kilometer nehmen wir den Abzweig halb links und passieren in großem Bogen einen verwunschenen Teich. Er taucht auf keiner Wanderkarte auf, wurde aber bereits von Fröschen als neue Heimat für ihr lautstarkes Brautwerben erobert.
Nach einem weiteren halben Kilometer erreichen wir einen Abzweig. Wer einen größeren Abstecher zum Bungsberg unternehmen möchte, folgt hier den Hinweisschildern über Gut Kirchmühl – Bungsberghof – Bergfeld – Kirchnüchel.
Auf unserem Tourentipp steuern wir allerdings direkt auf Kirchnüchel zu, denn der Weg führt zu einer Bank mit wunderbarem Ausblick über die Landschaft bis zur St. Marienkirche. Außerdem brauchen wir noch etwas Zeit zum Erkunden der vielen großen und kleinen Geschichten, die sich rund um die Feldsteinkirche ranken.
Dorfkirche ohne Dorf
Eine Kirche, ein Pfarrhaus, ein Gasthof und ein Gutsbetrieb - auf den ersten Blick wirkt Kirchnüchel eher überschaubar und etwas verschlafen. Der Heimatbuchautor Ernst-Günther Prühs bezeichnete Kirchnüchel mal als „Kirche ohne Dorf“. Allerdings hat der kleine Ort mit Schleswig-Holsteins höchstgelegenem Gotteshaus – der St. Marienkirche aus dem 13. Jahrhundert auf einem 116 Meter hohen Hügel – eine lebhafte Geschichte hinter sich.
Im Mittelalter war Kirchnüchel ein viel besuchter Wallfahrtsort. Die Pilger machten die Kirche mit ihren Opfergaben reich und Kirchnüchel zu einem trubeligen Dorf, bevor es im 17. Jahrhundert „niedergelegt“ und aus dem Bauernland das heutige Gut Grünhaus gebildet wurde. Bis zur Reformation war das Ziel der Pilger eine der Jungfrau Maria geweihte Quelle, die als heilkräftig galt. Ebenfalls als wundertätig verehrt war eine kleine Madonna, die es heute noch gibt. Die Elfenbein-Figur aus dem 14. Jahrhundert ist gerade mal sieben Zentimeter groß und steht gut gesichert hinter dickem Panzerglas im Kirchenschiff. Von prunkhafter vergangener Adelskultur zeugt an der Kirche das Mausoleum des Grafen Brockdorff aus dem 17. Jahrhundert. Das Renaissance-Grabmal samt Gruftanlage kann vom Kirchenraum aus durch ein Gitter betrachtet werden.
Weitaus schlichter nehmen sich die Kreuze auf dem idyllisch gelegenen Kirchhof aus. Mit Blick über Feld und Wald und dem Blätterrauschen in den hohen alten Lindenbäumen lässt es sich hier gut verweilen und zur Ruhe kommen.
Im Pfarrhaus nebenan wurde im Jahr 1841 übrigens der Schriftsteller Julius Stinde geboren. Ein Jahrhundert zuvor erblickte Christian Kai Lorenz Hirschfeld hier das Licht der Welt, einer der bedeutendsten Gartentheoretiker seiner Zeit, der sich für romantische Gärten im englischen Landschaftsstil einsetzte. Angesichts der malerischen Umgebung wurde ihm dieser Werdegang vielleicht ja in die Wiege gelegt. (he) Weitere Tourentipps, original erwandert vom reporter, gibt es hier.