Reporter Eutin

Leuchtende Kinderaugen auf dem Weihnachtsmarkt

Kiel/ Ellerbek (mm). Seit 1998 lädt der Verein „Arbeit für Menschen mit Behinderungen“ mit Unterstützung des Kieler Schaustellerverbandes, „Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“ zu einem Rundgang über den Kieler Weihnachtsmarkt ein. Dieses Jahr sind sechs Kinder der Ellerbeker Schule und acht Kinder der Lilli-Nielsen-Schule aus Mettenhof dabei. Für sie ist es ein Tag, auf den sie lange gewartet haben.

Ein Ortsbesuch. Um 10.45 Uhr treffen sich die Kinder, Betreuer und Begleiter des Vereins unter der haushohen Weihnachtspyramide am Asmus-Bremer Platz. Duft von Punsch und gebrannten Mandeln liegt in der Luft und lässt das mausgraue Winterwetter in den Hintergrund treten. Die Erstklässler greifen zu Kinderpunsch oder heißem Kakao und schauen neugierig in die Runde. Dann setzt sich die Gruppe in Bewegung. Vorneweg läuft Jürgen Müller. Er ist der Vorsitzende des Vereins Arbeit für Menschen mit Behinderungen. Der Verein wurde 1992 von Lothar Franz, Peter Mertineit, Peter Treichel und Lena Schult mit dem Ziel gegründet „dort unbürokratisch zu helfen, wo sonst kaum Unterstützung kommt. 

Inga Jens und Malte Kolshorn, die beiden Schulleitungen, sind begeistert von dem Engagement „Das ist jedes Jahr ein echtes Highlight“, sagen sie. „Viele der Erstklässler hätten ohne diese Aktion keine Gelegenheit, einmal einen Weihnachtsmarkt zu erleben“, sagt Jens nachdrücklich. „Seit die Kinder das vor zwei Wochen erfahren haben, stecken sie voller Vorfreude“, bekräftigt Lehrerin Lena Degenhardt, die zum ersten Mal mit von der Partie ist. 

Sehr lange dabei ist dagegen Lena Schult aus Schönkirchen. Sie ist eine der Initiatorinnen des Weihnachtsmarkt-Rundgangs, den sie 1998 ins Leben gerufen hatte. „Am Anfang war das gar nicht so leicht“, erinnert sie sich. „Da musste erstmal gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden“. Schulen auf der einen Seite, Schausteller auf der anderen habe man in kleinen Schritten zusammenbringen müssen. Inzwischen habe sie nicht mehr viel zu organisieren, räumt sie ein. Doch zusammen mit Astrid Mädel aus Klausdorf, die sich ebenfalls seit vielen Jahren im Verein engagiert, lässt sie es sich nicht nehmen, auf dem Rundgang den Austausch mit den Betreuern zu pflegen. 

Doch zurück zur Gruppe, die beim Bummel durch die Buden inzwischen beim Kinder-Riesenrad angekommen sind. Die Kinder können es kaum erwarten einzusteigen. Es wird gequengelt. Doch zuerst will ein Foto gemacht werden. So viel Zeit muss sein. Danach geht es endlich los. Manche steigen allein ein, andere bekommen Hilfe. Betreuer ziehen Mützen zurecht, halten Hände fest, geben letzte Hinweise. Allmählich setzt sich das Riesenrad in Bewegung, erst langsam, dann schneller. Überall Lachen und Juchzen, Rufe purer Lebensfreude. Zwei Jungen schaukeln eine Gondel etwas zu mutig. Der Schausteller bremst ab. Nach einer freundlichen Ermahnung dreht das Rad weiter. Unter den Erwachsenen, die sich von der Freude der Kinder anstecken lassen, ist auch Antje Möller-Neustock. „Wir sind den Schaustellern sehr dankbar, dass sie das möglich machen“, betont die stellvertretende Stadtpräsidentin aus Kiel. Traditionell ist jedes Jahr ein Vertreter aus der Kommunalpolitik dabei. Und am Rande weist sie in knappen Worten nachdenklich auf ein gesellschaftliches Problem hin: „Die Förderschulen haben immer mehr Bedarf“. 

Doch der Tag gehört den Kindern. Auf sie wartet als nächste Attraktion, der sprechende Elch. Einige schauen fasziniert, einige wirken etwas skeptisch. Kurze Erklärungen, ein paar Mutmachworte, dann geht es weiter zum Poffertjes-Stand. Hier ist etwas Geduld gefragt. Die kleinen, weichen Happen werden frisch in der Pfanne zubereitet. Außen leicht gebräunt, innen warm und luftig, bestäubt mit Puderzucker, verzaubern sie mit ihrem Duft Groß und Klein. Danach folgt die nächste Attraktion, das Karussell. Straßenbahn, Polizeiauto, Motorrad, Pferde drehen ihre Kreise im warmen Licht. Strahlende Kinderaugen, viele können es kaum erwarten einzusteigen. Manche werden behutsam vom Rollstuhl umgesetzt. Die Schausteller Manfred Jipp und Hans-Peter Nissen packen mit an. Spürbar ist: sie meinen es ehrlich, wenn sie sagen „Kinder first“. 

Der Verein Arbeit für Menschen mit Behinderungen hat rund 200 Mitglieder und ist über die Landesgrenzen hinaus aktiv. Zu den Mitgliedern gehörten unter anderen die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis sowie frühere Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel. „Ein toller Verein“, lobte Malte Kolshorn: „Ohne deren Engagement und die Spendenbereitschaft der Schausteller hätten viele Kinder keine Gelegenheit, einen Weihnachtsmarkt zu erleben.“ Nach dem Karussell überrascht Jipp die Gruppe mit kleinen Lebkuchenherzen. Kaum hat er sie verteilt, taucht ein Weihnachtsmann auf. Er sieht genauso aus, wie man ihn sich vorstellt. Roter Mantel, weißer Bart, gütiger Blick. Seine zwei Jutesäcke sind prall gefüllt. Für jedes Kind hat er eine Tüte mit Leckereien dabei. Auch die Betreuer erhalten Tüten, die sie später in der Schule an Kinder weitergeben, die heute nicht dabei sein können. „Das ist uns wichtig“, betont Manfred Jipp. Alle sollen ein Stück dieser Freude spüren.

Bevor sich der Rundgang dem Ende nähert, führt der Weg noch zu Nissens Imbiss. Wer möchte, bekommt eine Portion Pommes für den Heimweg. Dann heißt es Abschied nehmen. Gerne wäre man länger geblieben. Doch der Fahrdienst wartet, die Abholzeiten sind eng getaktet. Ein kurzer Traum für Kinderherzen geht zu Ende. Immerhin für ein paar Stunden haben ehrenamtliches Engagement und die Spendenbereitschaft der Schausteller Wärme, Aufmerksamkeit und ein Stück unbeschwerte Freude geschenkt, etwas das im Alltag oft zu kurz kommt.


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