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Reporter Eutin

Bei Anruf Kultur!

Eutin (ed). Ein Gedicht, ein Gedicht! Es muss ja nicht Heinz Erhardt sein, darf es aber, denn am Kulturtelefon ist fast alles erlaubt – und das klingelt in der kommenden Wochen bei allen, die es sich wünschen. Und dann gibt es was Schönes für die Seele auf die Ohren: Prosa oder Lyrik, Klassik oder Moderne auf Wunsch oder als Überraschung. Denn: In einer Zeit, in der Kulturliebende zwar natürlich nach wie vor selber lesen können, aber doch auf die „echte“ darstellende Kultur in all ihren Facetten weitestgehend verzichten müssen, hat der Kulturbund Eutin eine ganz besonders schöne Idee in die Tat umgesetzt und lädt herzlich dazu ein, sich per Anruf Kultur zu bestellen.
„Wir haben im Vorstand überlegt, was wir machen können“, erzählt Dr. Wolfgang Griep, der Vorsitzende des Eutiner Kulturbunds, „denn wir finden, online ist zwar toll – aber irgendwie fehlt da auch etwas: Die Authentizität und der persönliche Kontakt.“ So kam man auf die Idee, Kultur persönlich am Telefon darzubringen – in Zusammenarbeit mit freien SchauspielerInnen wie Christian Kaiser oder Franziska Mencz, die schon oft in Eutin auf der Bühne des Binchens zu sehen und zu hören waren. „Wir haben sie angerufen und ihnen die Idee vorgestellt“, erzählt Dr. Griep, „und sie waren begeistert von unserem Kulturtelefon – einige haben sogar schon angefangen, Texte vorzubereiten.“ Eigentlich sollte das Kulturtelefon ja nur für die Mitglieder des Kulturbundes klingeln und für seine Abonnenten, „aber die positiven Reaktionen, die wir bei der ersten Ankündigung bekommen haben, waren so groß, dass wir es allen anbieten, die Lust auf Kultur haben.“
Für alle, die es lieben, Gedichte oder Geschichten vorgelesen zu bekommen, ist das in diesen Zeiten ein echter Genuss – und im besten Falle ergibt sich dann noch ein netter Schnack mit dem Schauspieler oder der Schauspielerin über das Stück und seinen Autoren. Und das Prozedere ist denkbar einfach: Wer möchte, darf sich einen Text, ein Gedicht, vielleicht sogar ein Stückchen seiner Lieblingsfigur aus einem Theaterstück wünschen, es darf auch eine Kurzgeschichte sein, spannend oder lustig, romantisch oder skurril. Eine Szene aus Shakespeares „Macbeth“ oder ein Kapitel aus den Buddenbrooks, ein Gedicht von Rilke oder von Morgenstern, ein Märchen oder ein Stückchen aus „Harry Potter und das verwunschene Kind“ – „wenn wir den Wunsch erfüllen können, machen wir das“, verspricht Dr. Wolfgang Griep. „Man darf sich aber auch nur die Richtung wünschen – Lyrik oder Prosa, klassisch oder modern, oder auch nur einen Autor – oder sich einfach überraschen lassen und dem oder der SchauspielerIn die Auswahl überlassen.“ Dann sucht man sich in der Woche vom 1. bis zum 7. Februar immer zwischen 16 und 22 Uhr eine Stunde aus, in der man angerufen werden möchte – und meldet sich dann entweder über Mail (theater@kulturbund-eutin.de), über Telefon (04521-779 538 – und nicht verschreckt sein, wenn sich der Anrufbeantworter mit „Dubbs – Datenbanken“ meldet – oder per Brief beziehungsweise Postkarte beim Kulturbund Eutin (Postfach 427, 23694 Eutin) und teilt auf dem gewählten Weg seine Telefonnummer mit und was man wann hören möchte. Und dann bleibt eigentlich nur noch, sich auf den Anruf zu freuen, der „Ihnen das kulturelle Dunkel ein wenig lichter machen könnte“, wie Dr. Wolfgang Griep sagt. „Und noch mehr als das: Sie und wir dürfen die angenehme Gewissheit hegen, dass wir auch in dieser Zeit etwas für die darniederliegende Kultur tun können.“ Denn das Kulturtelefon tut nicht nur der Seele gut und ist natürlich für die Angerufenen kostenlos, es unterstützt auch die freien SchauspielerInnen, die derzeit kaum Möglichkeiten haben, sich ihr Brot zu verdienen. „Viele knapsen wirklich sehr“, weiß Dr. Wolfgang Griep, „grade die freien SchauspielerInnen haben es sehr schwer, und die Anträge für die Coronahilfen werden immer komplizierter. Und mit dem Kulturtelefon können sie wenigstens ein bisschen dazuverdienen.“
Eine Art von Kulturtelefon gibt es schon hier und da, auch in Eutin scheint es nicht das erste Mal zu sein, dass es bei Anruf Kultur gibt – bei der Recherche zum Kulturbund-Jubiläum hat Dr. Wolfgang Griep ein Kulturtelefon in den Sechzigerjahren gefunden. „Der Begriff tauchte auf“, erzählt er, „was genau es aber war, konnte ich leider nicht herausfinden.“ Das Kulturtelefon aber, das in der kommenden Woche bei allen klingelt, die es sich wünschen, ist ein kleines Kultur-Licht, das der Kulturbund in Eutin anzündet und, wie nicht nur Dr. Griep sich wünscht, „zugleich ein kleiner Hoffnungsträger auf bessere Zeiten, die hoffentlich bald wieder kommen werden.“


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