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Reporter Eutin

„Dieser Friedhof ist eine Perle!”

Bad Malente-Gremsmühlen (aj). Nah am Ortskern ist diese letzte Ruhestätte zu finden, gut zu erreichen zu Fuß, mit dem Fahrrad und dem Auto. Und doch liegt der Malenter Waldfriedhof abseits, im stillen Schatten der alltäglichen Geschäftigkeit. Lebendig aber ist es auch hier: Insekten finden Nahrung, Vögel kreisen und auf den anliegenden Wiesen lässt sich das Wild beobachten. Grün ist dieser Friedhof und das nicht nur auf den Gräbern und den dafür vorgesehenen Wiesenflächen: „Früher gab es hier feste Sandwege, die haben wir begrünt“, berichtet Dieter Schott, der Vorsitzende des Friedhofsausschusses der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde. Es gibt eine Naturwiese mit einer hölzernen Bank, ein Birnbaum erinnert an das Fontanejahr. Eine friedvolle Kulisse für die Grabstätten: Familiengräber, Urnenfelder und im Zentrum des Areals die Kapelle. Die allerdings wird nicht mehr genutzt, für eine notwendige Sanierung fehlen die Mittel. Denn der Waldfriedhof spiegelt eine allgemeine Entwicklung wider, die allerorts die Gemeinden beschäftigt: Die Bestattungs- und Trauerkultur hat sich verändert. Ruheforste machen den Friedhöfen Konkurrenz, auch Seebestattungen sind ein Thema. In den Gemeinden sieht man das kritisch, zumal die Friedhöfe sich selbst tragen müssen. „Dass man hier einen Ruheforst genehmigt hat, obwohl der Ort zwei Friedhöfe hat, war zu kurz gedacht“, sagt Pastor Thomas Waack beim Ortstermin auf dem Waldfriedhof. Die Zukunft des Friedhofes beschäftigte 2010/11 die zuständigen Gremien besonders intensiv. Es gab lange Diskussionen, auch ein Mediator wurde eingebunden. Am Ende stand der Beschluss, den Waldfriedhof auf weite Sicht zum Teil zu schließen: „Aber es gibt weiter in begrenztem Rahmen die Möglichkeit der Erdbestattung, ergänzend sind Urnenfelder entstanden“, führt Dieter Schott aus. Bis 2040 sind hier Bestattungen möglich, die Ruhefrist läuft verbindlich bis 2060: „Das sind wir denjenigen schuldig, die hier liegen“, so Schott. Angelegt wurde der Friedhof 1951. Zuvor war die Zahl der Verstorbenen unter anderem wegen der Lazarette im Ort und als Folge des Zuzugs geflüchteter Menschen um das Zehnfache angestiegen und der Platz auf dem Friedhof in der Rosenstraße wurde knapp. Die Kapelle entstand 1953 und wurde 1979 erweitert. Auch wenn hier heute keine Trauergottesdienste mehr stattfinden, ist der Bau ein Kraftort und prägt den Charakter des Friedhofes so wie die Umgebung. Für das gepflegte Umfeld sorgen heute fünf Mitarbeiter: „Und wir sind ein Mitmach-Friedhof“, merkt Dieter Schott an. Seit elf Jahren sind die Pflegeeinsätze auf dem Waldfriedhof feste Termine im Jahreslauf. Dann kommen Freiwillige mit Gartengerät und erledigen mit Energie und Muskelkraft die anfallenden Arbeiten. Anfangs kamen 45 Menschen zusammen, heute sind es 25 - eine stolze Zahl angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Immer dabei ist Ellen Heesch. Sie hat ihren „Stammarbeitsplatz“ auf dem Urnenfeld, dass es auf dem Friedhof schön ist, liegt dem Mitglied des Friedhofsausschusses am Herzen: „Friedhöfe sind identitätsstiftend für die Gemeinschaft“, sagt Dieter Schott dazu. Auch wenn und gerade weil die Familien heute oft weit verstreut leben. Schott, der seit 16 Jahren als Hospizhelfer Sterbende begleitet, weiß, warum sich viele Menschen nicht mehr für ein Familiengrab oder eine Erdbestattung entscheiden: „Sie wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Aber was sie sich für sich persönlich wünschen, ist häufig etwas Anderes“, meint Schott. Für Pastor Thomas Waack ist damit eine zentrale Frage verknüpft: „Wie können wir die Friedhofskultur so gestalten, dass sie menschlich und würdig ist?“ Auf dem Waldfriedhof gibt es verschiedene Möglichkeiten, die letzte Ruhestätte anzulegen. Auf den Urnenfeldern etwa muss kein Stein gelegt werden: „Aber der Platz ist bekannt und die Angehörigen können das nachrüsten“, erläutert Dieter Schott an einer Wiese mit Urnengräbern. Am zentralen Stein, der dafür vorgesehen ist, stehen Blumen. Auch auf manchen Grabplatten liegen kleine Sträuße. So ist es zwar nicht gedacht, aber niemand räumt diese Zeichen der Verbundenheit über den Tod hinaus weg, ehe sie verblüht sind. Sie sind Zeichen, dass Menschen Orte der Trauer brauchen, auch und vielleicht gerade in heutigen Zeiten: „Die meisten Blumen liegen stets auf dem Grabfeld der anonymen Gräber“, hat Dieter Schott festgestellt. Über die vielen Möglichkeiten, die ein klassischer Friedhof heute eröffnet, besser zu informieren, darin sieht Thomas Waack eine zentrale Aufgabe seiner Kirche: „Wir müssen raus aus den verfestigten Strukturen: Warum sollen wir keine Werbung für unsere Friedhofskultur machen?“, fragt er. Beste „Werbung“ für den Waldfriedhof ist in jedem Fall ein Spaziergang: „Der Weg durch das Wildgehege über den Friedhof bis zum Holzbergturm ist wirklich zu empfehlen“, sagt Ellen Heesch. Dieter Schott jedenfalls hat hier einen Lieblingsplatz gefunden - für dieses Leben und für das, was danach kommt. Er sitzt gern auf der Bank an der Naturwiese, lässt den Blick schweifen, genießt die Ruhe und die unaufgeregte Lebendigkeit des Ortes: „Und auf diesem Friedhof möchte ich auch einmal begraben werden, wenn es so weit ist.“


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