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Reporter Eutin

„Hier in der Gemeinde hilft jeder mit!“

Bild: hfr

Bosau (ed). Zehn Tage Zeltlager am See mit tollem Programm, das dürften fast alle Kinder richtig cool finden – raus aus dem Alltag, weg von den Problemen zuhause und sogar ein bisschen heilsam dürfte es für die 100 Kinder aus den überfluteten Gebieten um Euskirchen sein, die seit dem Wochenende in einer kleinen Zeltstatt auf dem Gelände der djo-Freizeitstätte wohnen. Zehn Tage lang einfach Kind (oder Jugendliche) sein, Spaß haben, an nichts denken als an die Party am Abend oder das Schwimmen im See, ganz normale Urlaubstage eben. Für diese Kinder etwas ganz Besonderes, denn „normal“ ist bei ihnen zuhause noch so ziemlich gar nichts.
Etwas über ein Jahr ist es her, als aus dem friedlichen Flüsschen Ahr ein reißender Fluss wurde und eine zerstörerische Flutwelle durch die Region walzte, Menschenleben kostete, ganze Dörfer zerstörte, Häuser mit sich riss, andere unbewohnbar machte. Für viele Menschen war von jetzt auf sofort das Leben nicht mehr das gleiche wie gerade noch, ist es bis heute nicht – und überall in Deutschland regten sich Hilfs- und Spendenangebote. So erhielt in Hutzfeld Alex Daum, der Jugendwart der Feuerwehr, den Anruf eines Gemeindevertreters, der für 17 Kinder aus den betroffenen Gebieten ein Jugendcamp organisieren wollte. „Ob wir mit der Jugendfeuerwehr einen Tag für die Kinder gestalten könnten“, erinnert Alex Daum sich, „also habe ich mich mit zwei Betreuern hingesetzt, um zu planen. Das war etwa fünf Tage nach der Flut – und wir dachten, wir brauchen doch dafür sowieso einen Bus, wieso machen wir den dann nicht voll?“ Und weil Alex Daum keiner ist, der lang schnackt, sondern lieber anpackt, dazu noch bestens vernetzt ist mit den Blaulicht-Organisationen in der Region, weil die Menschen hier oben gern helfen, wenn jemand Hilfe braucht, stand innerhalb von fünf Tagen ein Zeltdorf auf dem Platz der djo-Freizeitstätte, ein abwechslungsreiches Programm war in Sack und Tüten und der Bus von Witt-Reisen auf dem Weg ins Ahrtal, um 43 Kinder abzuholen. Die am Ende der Woche nicht nach Hause wollten. „Dazu hatten wir so viele Sachspenden, dass wir jedes Kind komplett ausstatten konnten, ob mit Schlafanzug oder der fehlenden Krankenversicherungskarte“, erzählt Alex Daum, „denn wir sind ja davon ausgegangen, dass die Kinder mit nichts hier ankommen.“ Und bei vielen sei das auch der Fall gewesen. Eine riesige Menge an Geldspenden ging ein, die nur minimal angegriffen werden musste, weil jeder alles sponsern wollte, von der MUS bis zur Pinneberger Feuerwehr, die für jedes einzelne Kind einen großen Karton mit Kleidung und Bedarfsartikeln packte. Und allen voran die Bosauer und ihre Gemeindewehren, die anpackten, wo immer es notwendig war. „Zu Nikolaus sind wir nochmal runter gefahren nach Eschweiler, Erftstadt und Stolberg“, erzählt Alex Daum, „und haben jedem Kind ein Weihnachtsgeschenk gebracht und ein bisschen geschnackt.“ Das war im vergangenen Jahr. „Jetzt hatten wir noch eine wirklich große Spendensumme übrig und haben hin- und herüberlegt, was wir damit machen können“, schmunzelt der Organisator, „und sind zu dem Schluss gekommen: Wir machen noch ein Feriencamp. Diesmal mit 100 Kindern und für 10 Tage. Schließlich sind wir in Übung.“ Weil in diesem Jahr andere Kinder die Möglichkeit des Feriencamps bekommen sollten, wurden über die in Sachen Fluhilfe vor Ort engagierte Schwester eines Bekannten Bürgermeister in Euskirchen, Metternich und im Umkreis von 50 Kilometern kontaktiert, die wiederum Familien fanden, die besonders stark von der Flutkatastrophe betroffen sind. „Nach wie vor kein Zuhause, vielleicht ein Elternteil verloren haben, ihr Haus wieder aufbauen müssen, bei denen der Gedanke an Urlaub ganz weit weg ist“, wie Alex Daum deutlich macht. „Und deren Kinder einfach gut mal Abstand von all den Problemen zuhause brauchen können.“ Also wurde per WhatsApp das Netzwerk, das nie passiv war, wieder aktiviert – „und alle sind wieder dabei. Vor allem in Bosau: Hier in der Gemeinde hilft jeder mit, wie er kann, das ist toll.“
Wieder haben DRK und THW Orts- sowie die Kreisverbände die Zelte gestellt, die Bundeswehr und die Johanniter die Feldbetten, die MUS sorgt für die Mahlzeiten – sogar die Schlafsäcke für die Kinder sind gesponsert und dürfen mit nach Hause genommen werden. Es ist ein echtes Rundum-sorglos-Spaß-Paket, das Alex Daum und sein Team den Kindern bieten, und während die Eltern grenzenlos dankbar dafür sind, freuen sich die Kinder einfach nur über unbeschwerte Tage. Denn ihr Ferienprogramm lässt keine Wünsche offen: Außer in den Hansapark machen sie Ausflüge nach Hamburg zu Hagenbecks und nach Plön zum Toben, Spielen, Spaß haben beim TSV Plön mit anschließendem Waffelessen, spielen in Waldshagen Adventure Golf, gehen natürlich schwimmen und Kanu fahren, machen eine super gruselige Nachtwanderung und feiern eine Party mit DJ. Die Damen des DRK Schönwalde spendieren einen Eiswagen, es wird AGs für die Campzeitung, zum Basteln oder für Handball geben. Und Zelten ist ja sowieso cool.
„Wir hätten noch viele Kinder mehr holen können“, seufzt Alex Daum, aber irgendwann sind Kraft und Geld zuende, schließlich nehmen die HelferInnen vor Ort allesamt Urlaub, um den Kindern schöne Ferien bereiten zu können, Alex Daum gar seinen Jahresurlaub, „muss ja“, sagt er nur ganz selbstverständlich, „das kostet Zeit, aber Hauptsache, die Kinder haben es einfach mal schön, das ist alles, was wir wollen.“


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