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Reporter Eutin

„Weil es für uns eine Herzenssache ist”

Bosau (ed). Im großen Saal des Bosauer Haus des Gastes rattern Nähmaschinen, es wird geschnackt, Kaffee und Kuchen stehen bereit – aber vor lauter Arbeit kommen die mehr als 20 Frauen gar nicht dazu, sich zu stärken. Die Bosauer LandFrauen nähen Herzkissen – weich gefüllte Herzchen aus schönen Stoffen, die nicht als Deko dienen werden, sondern Frauen nach einer Brustkrebs-OP Entlastung und Trost schenken. „Hier nähen Frauen für Frauen”, sagt Heidrun Behrens, die Vorsitzende der Bosauer LandFrauen. „Wir haben uns die Aktion bei anderen LandFrauen-Vereinen abgeguckt, weil sie einfach so wichtig ist.” An diesem Nachmittag haben sich neben den LandFrauen viele weitere Frauen eingefunden, die beim Herzkissen-Nähen helfen. Und für jede der Frauen findet sich an einer der Stationen eine Aufgabe. Wer nicht so gut nähen kann oder mag, malt die Herzen mittels Schablone auf die Stoffe, schneidet die Stoffherzen aus oder füllt die zusammengenähten Herzen mit Füllwatte – „aber immer genau 170 Gramm”, schmunzelt Heidrun Behrens, die zusammen mit Angelika Murza an der Füllstation steht und die Portionen haargenau abwiegt, „nur dann sind die Kissen perfekt weich, um zu stützen.” Wer mit der Nähmaschine umgehen kann, näht die ausgeschnittenen Stoffherzen bis auf eine kleine Öffnung zum Füllen zusammen. Versierte Näherinnen wie Inge Dircks nähen die Füllöffnung der fast fertigen Herzkissen dann fein säuberlich von Hand zusammen.
Rund 50 Kissen schaffen die LandFrauen in der Regel an einem Nachmittag – „aber wir haben heute so viele Gäste”, strahlt Heidrun Behrens, „dass wir vielleicht noch viel mehr schaffen.” Die Kissen werden dann allesamt dem Brustkrebszentrum Ostholstein übergeben, wo sie an Frauen verschenkt werden, die nach einer Brust-OP hier versorgt werden. Die Kissen schmiegen sich dank ihrer Form und ihrer perfekten Füllung genau unter den Arm und entlasten den nach der OP schmerzenden Bereich, sie reduzieren Schmerzen, die durch Verspannungen oder Schwellungen entstehen und puffern Stöße ab. Außerdem stützt das Herzkissen den Oberkörper beim Husten. Dass die Kissen wirklich Entlastung schenken, weiß ein Großteil der LandFrauen aus eigener Erfahrung. So wie Annegret Krabbenhöft, Gründungsmitglied der Bosauer LandFrauen, die vor zweieinhalb Jahren Brustkrebs bekam – „das Herz ist so schön weich, es tut einfach gut, es unter den Arm zu klemmen. Vor allem aber freut man sich drüber.” Eine weitere LandFrau, die vor einigen Jahren an der Brust operiert werden musste, erzählt, dass sie sich damals gefreut hätte, wenn es die Herzkissen schon gegeben hätte – umso glücklicher sei sie nun, dabei zu helfen, dass heute jede Frau eines bekomme, die es brauche.
Das kann Heike nur unterstützen: Die junge Frau ist zwar keine LandFrau, aber bei den Herzkissen-Aktionen aus Überzeugung mit dabei. Sie ist selbst im vergangenen Jahr an Brustkrebs erkrankt und bekam ein Herzkissen von ihren Freundinnen geschenkt – „dieses Kissen schenkt nicht nur Entlastung sondern auch Trost”, weiß sie. „Das ist mir ein echtes Herzensbedürfnis zu helfen, dass jede Frau nach der Brust OP ein solches Kissen bekommt.” Dass Bedarf da ist, weiß sie gut: Als sie selbst in der Klinik lag, war der Vorrat an Herzkissen komplett aufgebraucht, wie ihr die Schwestern auf der Station erzählten. „Da habe ich meine Freundinnen bei den LandFrauen angerufen und gesagt: Wir müssen nähen. Das ist so wichtig – und wir haben losgelegt.” Auch Doris Reimers ist als Gast hier und freut sich, in Gemeinschaft für Frauen zu nähen, denen das Kissen so gut tut – „es ist gut für Körper und Seele, und wir machen es gern.”
Jede der Frauen, die so fleißig am Nähen, Schneiden, Füllen sind, kennt, wenn sie auch nicht selbst erkrankt war, zumindest eine Frau, die an Brustkrebs erkrankt ist. Jutta Müller sagt: „Diesen Krebs gibt es in fast jeder Familie. Das ist eine so schlimme Angelegenheit, das ist doch ganz klar, dass wir wenigstens so helfen, das machen wir gern.” Jenny Albert ergänzt: „Wenn man gesund ist, kann man so glücklich sein, deshalb sollte man, wenn man, kann, unbedingt etwas tun, um die an Brustkrebs erkrankten Frauen zu unterstützen.” Sie hat beim letzten Mal ein Herz eigens für ihre Tante genäht und weiß, wie gut es tut. Inge Dircks erzählt: „Allein in unserem kleinen Dorf sind es drei Frauen, zwei meiner Schwägerinnen hatten Brustkrebs, diese Krankheit ist überall.” In einem Jahr hätten die Herzkissen mangels Beteiligung nicht genäht werden können, sagt sie, „da habe ich einfach alleine 58 Stück genäht. Es soll nie wieder passieren, dass eine Frau kein Herz bekommen kann, weil niemand da ist, der es näht.”
Die Herzkissen werden in der kommenden Woche dem Brustkrebszentrum Ostholstein übergeben. Jedem Herzkissen liegt ein Zettelchen bei, auf dem steht, wer das Kissen genäht hat, dazu alle notwendigen Informationen und natürlich liebe Wünsche. „Besonders schön ist es”, strahlt Heidrun Behrens, „wenn wir Rückmeldungen bekommen, dass unsere Herzen den Frauen gutgetan haben, dass sie sich gefreut haben, dass wir an sie denken, denn das ist es, was wir schenken wollen: Entlastung, Freude und Trost in einer schweren Zeit.”


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