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Reporter Eutin

Meinungs-Montag in Eutin

Eutin (aj). Ein sogenannter Lichter-Spaziergang (nicht angemeldet) und zwei angemeldete Kundgebungen - es ist etwas los am Montagabend auf dem Eutiner Marktplatz. 170 Menschen sind der Einladung des Bündnis für Weltoffenheit und Solidarität Eutin gefolgt, um den montäglichen Spaziergänger*innen inhaltlich Contra zu bieten: „Unser Gegner heißt Corona“, betont Sigrid Andersen in ihrer Ansprache. „Solidarisch gegen Corona“ war dann auch eines der Schlüsselworte auf der Seite derer, die eine Impfung befürworten und mahnen, eine rechte Unterwanderung der Spaziergänge nicht zuzulassen.
 
„Solidarisieren wir uns mit unseren Kindern und Jugendlichen. Seien wir solidarisch mit all denen, die sich in Heimen, Kliniken und Arztpraxen um Corona-Patienten kümmern. Trauern wir gemeinsam um die Corona-Toten!“ Dafür gibt es Applaus von den Menschen, die ähnliche Botschaften auf Plakate geschrieben haben. Warum sie gekommen sind, erzählen sie gern: „Bei den ganzen Schwurblern bekomme ich Angst um die Demokratie“, sagt eine Frau und eine Gymnasiastin erklärt: „Die Impfung ist wichtig, um die Freiheit zurückzubekommen, auf die meine Generation so lange verzichtet hat - aus Solidarität.“ Ein Stückchen weiter hält ein Paar das Schild der „Omas gegen rechts“ hoch. Sie sind aus Bad Schwartau angereist, um das Augenmerk darauf zu lenken, wie deutschlandweit versucht wird, die Spaziergänge zu instrumentalisieren. In Eutin muss man sehr genau hinsehen, um zwischen denen, die sich pünktlich um 18 Uhr auf der anderen Seite des Marktplatzes für ihren Lichtermarsch sammeln, solche mit eindeutiger Gesinnung auszumachen. Die übergroße Zahl der Spazierer ist friedlich wie jeden Montag und gehört dem sogenannten bürgerlichen Spektrum an. Gleichwohl sorgen die Polizeikräfte dafür, dass sich die Gruppen nicht mischen: „Heute ist deutlich zu spüren, dass manche ziemlich dünnhäutig sind“, sagt ein Polizist. Die Stimmung bei den Beamten selbst: Unaufgeregt, aber hochkonzentriert.
 
Das ändert sich auch nicht, als ein Paar inmitten der Bündnis-Kundgebung auftaucht, das sich weigert, eine Maske zu tragen. Welches Bekenntnis die Frau damit ablegen will, dass sie sich in eine Israel-Fahne gehüllt hat, kann man allenfalls erahnen, obwohl sie ansonsten lauthals ihren Unmut über die Versammlungsregeln kundtut. Es sind auch Menschen wie sie, die manchen auf den Marktplatz geführt haben, um zu zeigen, dass die deutliche Mehrheit hinter den Corona-Maßnhamen und der Impfung steht: „Das ärgert mich einfach maßlos, wenn solche Symbole und in anderen Fällen sogar Menschen wie Sophie Scholl so instrumentalisiert werden“, sagt ein Eutiner. Bei manchem geht die Ablehnung so weit, dass er keinen Dialog mehr führen mag: Als eine Spaziergängerin sich vor den St.Pauli-Fans aufbaut, die für ein buntes Eutin eintreten, und ein Gespräch beginnen möchte, greift ihr Gegenüber zur Trillerpfeife. „Mit Pfeifen verhindert man Gespräche“, sagt die Frau. „Solidarität auch mit nicht-geimpften Pflegekräften“ und „Für eine offene Gesellschaft“ steht auf ihren Plakaten.
 
Auf die Frage, warum er zur Trillerpfeife greift, sagt der betreffende Eutiner: „Das möchte ich mir gar nicht anhören.“ Und die Spaziergänger-Mahnung, man möge sich über die Gefahren der Impfung informieren, kommentiert er mit: „Ich bin informiert - und ich bin dreifach geimpft.“ Wie sehen die Spaziergänger selbst das Problem einer möglichen rechten Unterwanderung? „Rein theoretisch können Rechte dabei sein“, lautet eine Antwort, davon würde man sich natürlich dann distanzieren. Aber durch die Impfung „vergiften“ lassen wolle man sich nicht. Und auch nicht auf alles hören, was „die Regierung“ anordnet. Als sich die Gruppe von etwa 200 Menschen auf ihren unangemeldeten Rundkurs macht, setzt sich auch eine kleine Gruppe von Eutiner Schüler*innen in Bewegung. Sie sind die zweite angemeldete Kundgebung an diesem Abend. Ihr Programm: Den Spaziergang auf ihre Art mit Kommentaren zu begleiten: „Das B in Querdenken steht für Bildung“ ist da zu lesen.
 

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass die beiden Seiten derzeit kaum noch etwas verbindet. Lediglich die St.Pauli-Fans, die für Impfung und Solidarität eintreten, bekommen von der „Gegenseite“ mehr als einmal zu hören, dass man auch dort für den Verein glüht. Immerhin?


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