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„Vieles passt einfach nicht ins Leistungsrecht“ Ostholsteiner Betriebe sponsern Auto für die Brücke Ostholstein

Eutin. Für genau 16 Werbeflächen bietet der geräumige Kastenwagen Platz – und die wiederum reichen genau, um seine Finanzierung für fünf Jahre zu sichern. Dank der 16 Unternehmen, die sich daran beteiligt haben, um der Brücke Ostholstein die Anschaffung eines Fahrzeuges zu ermöglichen. Damit fahren die Mitarbeiter des Vereins die von ihnen betreuten Menschen zum Arzt, machen Familienbesuche oder Umzüge möglich – kostengünstig und unkompliziert können so Fahrten unternommen werden, ohne dass die psychisch erkrankten Menschen, die von der Brücke Ostholstein eV unterstützt werden, die kostenintensive Variante einer Taxi-Fahrt oder eines Leihwagens wählen müssen, die ihnen aufgrund der Folgen ihrer Erkrankung oft einfach nicht möglich ist.
 
„Denn vieles, was die von uns betreuten Menschen brauchen, passt einfach nicht ins Leistungsrecht“, erklärt Dirk Wäcken, der die Brücke Ende der 70er Jahre gründete, um die Versorgung psychisch kranker Menschen in neue Bahnen zu lenken – „zusammen mit einer Gruppe von Menschen, die feststellte, dass psychisch Kranke immer noch in den großen Krankenhäusern verschwanden.“ So entstand eine Bewegung, die sich auf die Fahnen schrieb, Menschen mit psychischen Erkrankungen zurück in ihre Heimatgemeinden zu holen – zuerst wurden sie privat aufgenommen, als die Brücke aber durch zunehmenden Bedarf immer größer wurde, mietete man die ersten Wohnungen und später auch Häuser an. 1979 wurde die erste GmbH gegründet, „um feste, klare Strukturen zu schaffen“, wie Dirk Wäcken erklärt, aber bereits 1987 wurde daraus ein Verein, der heute Schleswig-Holstein weit zu einer Marke geworden ist. Allein in Ostholstein hat die Brücke 100 Mitarbeiter, in Lübeck sind es 400 – „denn die Versorgung psychisch kranker Menschen hat sich komplett auf gemeindepsychiatrische Anbieter verlagert.“ Die Brücke eV gibt Menschen mit den unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen von schweren Depressionen über Zwangs- und Angsterkrankungen bis hin zu Persönlichkeitsstörungen einen Platz, an dem sie in ihrem Tempo und mit professioneller, einfühlsamer Begleitung zurück ins Leben kommen können. Vor allem menschenwürdigen und bezahlbaren Wohnraum, aber auch Arbeit und vor allem Betreuung und die Chance auf ein ganz normales Leben. „Die Menschen, die wir betreuen, erkennen Sie im Alltagsleben nicht“, so Dirk Wäcken, „sie fügen sich einfach ein und haben durchaus Eingliederungschancen. Die Ressourcen sind enorm, auch bei schwersten Erkrankungen. Und diese Menschen wünschen sich nicht mehr, als einfach mitten im Leben zu sein.“
 
Den Bedarf nach Unterstützung in der Form, wie sie die Brücke leistet, habe es schon immer gegeben – nur jetzt trauen sich einfach immer mehr Menschen, Hilfe zu brauchen und danach zu fragen. So seien früher Menschen, die an Magersucht leiden, einfach auf der Inneren Station im Krankenhaus gelandet, da, wo sie so gar nicht hingehörten. Andere verschwanden einfach in Einrichtungen – heute bekommen sie die Hilfe, die sie für ein normales Leben brauchen.
 
„Teile unserer Arbeit, wie die Beratungen natürlich, werden bezahlt“, erklärt Dirk Wäcken, „aber andere Teile, wie die Fahrten zum Arzt oder zur Familie oder auch mal ein Umzug, passen nicht ins Leistungsrecht.“ Öffentliche Verkehrsmittel kommen mal aus krankheitsbedingten Gründen nicht in Frage, mal fahren sie einfach nicht zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Richtung – und die Kosten für Taxi oder Leihwagen sind für die Menschen, die infolge ihrer Erkrankung für eine Zeitlang erwerbsunfähig sind, einfach nicht zu wuppen und werden auch nicht übernommen. Da leistet das Auto, das die Brücke dank der Sponsoren anschaffen konnte, nun wertvolle Dienste – die Mitarbeiter der Brücke tragen sich in eine Liste ein und können die Betreuten dann zu Familienbesuchen oder zum Arzt bringen oder einen Umzug möglich machen. (ed)


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