Reporter Eutin

Das Ende des Weltkriegs vor 80 Jahren

Plön (los). Mit einer Podiumsdiskussion hat das Gymnasium Schloss Plön am 8. Mai ein Schlaglicht auf ein für ganz Europa bedeutendes Ereignis vor 80 Jahren geworfen: das Ende des Zweiten Weltkriegs an diesem Tag. Unter der Moderation von Professor Detlev Kraack, Historiker und Geschichtslehrer in Plön, brachten sich Uta Körby von der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten SH und dem Initiativkreis 8. Mai Gedenktag, Landrat Björn Demmin, ehemaliger Schüler des Gymnasiums, die Plöner Zeitzeugin Anneliese Bauer, Jahrgang 1938, sowie die Schüler Michal Kopczynski und Amy Winter in die Gesprächsrunde ein. Dieser folgte ein gemischtes Publikum mit Oberstufenschülern und Gästen in der voll besetzten Neuen Aula.

Die Veranstaltung hat Geschichtslehrerin Birte Belker zusammen mit Detlev Kraack organisiert.

Tipp: Das Gymnasium Schloss Plön zeigt noch bis Ende Juni eine Ausstellung zum Thema. Sie kann nach Anmeldung und Terminabsprache im Sekretariat besichtigt werden. Auch Führungen können vereinbart werden.

Krieg und Frieden: Vor 80 Jahren hatten die Alliierten den Aggressor Deutschland am 8. Mai 1945 endgültig in die Knie gezwungen. Es war ein Dienstag. Plön war bereits am Freitag, 4. Mai von den Briten besetzt worden. Zuvor hatte sich auch hier Dramatisches ereignet.

Schülerin Melissa Walzberg stimmt auf das Diskussionsthema 8. Mai ein: In ihrer Einführung beleuchtet die 17-Jährige umfassend die Entwicklung des Nationalsozialismus, verdeutlicht die Probleme der Manipulation und das Misstrauen der noch jungen Demokratie in der Weimarer Republik. Der hohen Arbeitslosigkeit und ihren Auswirkungen habe Hitler Versprechungen von Wohlstand, Ordnung und nationaler Größe entgegengesetzt, für die viele Menschen empfänglich waren. Der Preis: „Ausgrenzung, Hass und die Vernichtung ganzer gesellschaftlicher Gruppen.“ Die Demokratie wurde ausgeschaltet, fortan war Gehorsam oberste Devise. Die Freiheit wurde sukzessive zurückgebaut. Die Katastrophe, die am 8. Mai 1945 ihre Ende hatte, nahm ihren Lauf. Aber „viele hörten nur, was sie wollten: dass alles wieder besser würde“, schlägt sie die Brücke in die Gegenwart. Zunehmend würden wie schon in den 1930er Jahren einfache Antworten auf kompliziert-komplexe Probleme verbreitet, nimmt Melissa Walzberg den Aspekt der Manipulation auf. Diese habe nur ein Ziel, sagt sie: „Sie will, dass Menschen nicht mehr hinterfragen.“ Ihr eindringlicher Appell an ihre Zuhörer, deren Zukunft im Blick: „Werdet laut, mischt euch ein, gestaltet mit!“ Hier und jetzt stehe jeder einzelne in der Verantwortung, es anders zu machen. Der Gedenktag 8. Mai 2025: Er birgt die Chance eines Anfangs für Veränderungen.

Zeitzeugin Anneliese Bauer war am 8. Mai 1945 ABC-Schützin: „Wir waren gerade eingeschult worden“, erzählt sie auf dem Podium. „Das Erste, was wir lernten: Wie grüßt man den Führer?“ Doch diese erste Lektion hatte nur leidlich geklappt. Statt der rechten hatte das Kind die linke Hand gehoben. „Die Lehrerin verdonnerte mich zu einer Woche Nachsitzen.“

Dann war der Krieg vorbei. Ein halbes Jahr gab es nun keine Schule für sie. „Die Lehrerin war aus dem Kreis verschwunden“, erzählt Anneliese Bauer. An „unsäglichen Hunger“ erinnert sie sich. Und an zwischenmenschliche Dramen. Da kamen die ersten Männer zurück, meist mit Kriegsverletzungen, sicher auch seelischen. Zahlreiche waren im Krieg zum Krüppel geworden, waren nun Menschen mit Behinderung. Wie empfanden diejenigen unter ihnen, die im NS-Staat zu den Euthanasie-Befürwortern gezählt hatten, die „minderwertige“ Menschen mit Behinderungen systematisch ermordeten?

Die Frauen, die sich in den Kriegsjahren allein, selbstständig und ohne Ehemann an der Seite um alle ihre Angelegenheiten samt den Kindern gekümmert hatten, fanden sich nun also in einer völlig neuen Familiensituation wieder. Zahlreiche Ehen zerbrachen. „In vielen Familien war viel Not, Elend und Krach“, schildert die Plöner Zeitzeugin die Verhältnisse.

Auch aus den letzten Kriegsjahren haben sich Bilder eingebrannt, und als Kiel durch die Bombardierungen in Flammen aufging, „war der Nachthimmel rot“, sagt sie, „das waren Erlebnisse, die vergisst man seinen Lebtag nicht.“ Von einer Bodenluke aus habe sie es damals beobachtet: „Ich sah, wie die nach Kiel flogen und dann die Bombenteppiche abgeworfen haben.“

Vergessen hat sie auch nicht die Züge, die in diesen letzten Kriegstagen in Plön einfuhren. Man öffnete die Waggons, schildert sie. „Halbtote Menschen fielen da raus – und man hat den Zug wieder zugemacht und der Zug fuhr weiter.“ Weil „irgendein Idiot“ mit der Flak auf das letzte Flugzeug einer Staffel geschossen hatte, sei es zum Angriff mit Beschuss gekommen.

War der 8. Mai für die Deutschen eine Befreiung? Wie funktionierte es, „das Gedankengut zu stoppen“, fragt Amy Winter.

Das Denunziantentum jedenfalls, das vielleicht wichtigste Machtinstrument jenes Regimes, sei immer noch dagewesen, sagt Anneliese Bauer entschieden. Und es bestand auch weiter, auch in Plön und Umgebung. Ein toxisches Klima: „Es war immer noch ein Gegeneinander, und es hat lange gedauert, bis es sich normalisierte“, unterstreicht sie. Das betraf auch die Kinder. „Frei reden, das gab es nicht.“ Auch in der Schule sei nicht darüber gesprochen worden. Es drohten Schläge mit dem Rohrstock. „Ich gehörte auch zu denen, die noch einen übergezogen kriegten.“

Anfang Mai habe die Plöner Bevölkerung vor allem die Frage, welches vorrückende Militär kommen würde, beschäftigt: Russen oder Engländer. „Wir hatten Glück, dass wir unter die Engländer fielen!“

Am Freitag, 4. Mai, erreichten die Briten die Stadt. Als die Militärwagen auftauchten, waren die neugierigen Kinder gleich zur Stelle, auch Anneliese Bauer. „Die Männer lachten uns an“, berichtet Anneliese Bauer von dieser ersten Begegnung, die offenbar einen glänzenden Eindruck hinterließ. Es gab Banane, Schokolade, Kaugummi. „Für uns Kinder war die Welt in Ordnung“, sagt sie. Auch habe man wieder durchschlafen können und musste nicht bei Alarm aus dem dritten Stock in den Keller, erinnert sie sich, „man merkte eine Erleichterung“. Eine ganz andere Welt nahm langsam Kontur an. „Wir hatten das Böse schnell vergessen - nur für die Erwachsenen war es grausam“, fügt sie in der Erinnerung an die vielen Verhaftungen hinzu, die nun folgten. Es war die Zeit der Entnazifizierung. Die Kinder wurden von den Eltern zu Stillschweigen ermahnt: „Bitte nichts erzählen, nur zuhause wird gesprochen“, schildert Anneliese Bauer. „Die Plöner hielten auch zusammen.“ Verhaftungen gab es allerdings, es war „wie ein Riesensaubermachen“, sagt sie rückblickend. „Die Väter wurden wieder eingesammelt. Praktisch jede Familie wurde auf den Kopf gestellt.“

Uta Körby ordnet die Bedeutung von Zeitzeugen-Aussagen ein. Diese seien schwierig, sagt sie, „weil sie aus ihrer Perspektive sprechen“. Für die Mehrheit war der 8. Mai auch keine Befreiung, fügt sie hinzu, sondern „nur für die Wenigen, die verfolgt worden waren“.

Typisch für Familien sei bis Ende der Sechzigerjahre das Schweigen gewesen. „Nur wenn man Kontakte zu Menschen hatte, die politisch organisiert waren, hatte man eine Chance, etwas anderes zu erfahren“, präzisiert sie in der Rückblende und konstatiert: „Die schlechte Zeit war für die Deutschen nicht vor dem 8. Mai, sondern hinterher.“

Um die nötigen Strukturen etwa im Verwaltungswesen zu schaffen, habe man auf die zuvor verfolgten Sozialdemokraten zurückgegriffen. Das funktionierte aber nur bis 1948. Danach seien wieder die alten (des NS Regimes) in die verschiedenen Funktionen geholt worden, „die natürlich immer ihre eigene Perspektive einbrachten“. Um Zeitzeugenberichte richtig einordnen zu können, „dafür braucht man die Wissenschaft“.

Das Kriegsende war ein schubweiser Prozess, macht Uta Körby deutlich, in Aachen etwa sei der Krieg bereits 1944 zuende gewesen, „für die östlichen Länder ist es der 9. Mai gewesen“. Weshalb dort des Datums 9. Mai auch gedacht werde. Allerdings wechselte die Ukraine bereits auf den 8. Mai, und das durchaus etwas in Bezug auf den derzeitigen Aggressor Russland aus: „Man will mit dem 8. Mai zeigen, man gehört zur westlichen Seite“.
 


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