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„Fliegeralarm“ im Durchgang zur Fußgängerzone

Dieser junge Plöner Seeadler war in einem Durchgang zur Fußgängerzone gestrandet. Noch unentschieden wandert er in Richtung Stadtgrabenparkplatz und wird im nächsten Moment – Glückauf! – wieder abheben.

Dieser junge Plöner Seeadler war in einem Durchgang zur Fußgängerzone gestrandet. Noch unentschieden wandert er in Richtung Stadtgrabenparkplatz und wird im nächsten Moment – Glückauf! – wieder abheben.

Bild: Carsten Pusch

Plön (los). „Kann es sein, dass da ein Seeadler bei Fielmann im Durchgang sitzt?“ Mit dieser Frage sah sich NABU-Umweltberater Carsten Pusch Anfang Juli konfrontiert, noch bevor er überhaupt sein Büro betreten hatte. In der Tat: Das hätte wohl niemand erwartet. Ein junger Seeadler war dort gelandet, wo der Durchgang die Fußgängerzone mit dem Stadtgrabenparkplatz verbindet.

„Zum Glück hatten die Angestellten der Fielmann-Filiale gleich richtig reagiert und zum Schutz des Vogels das Tor zur Fußgängerzone geschlossen“, sagt Pusch, froh, dass alle Zeugen des Ereignisses sich ohne Hektik sehr besonnen um eine Lösung des Problems bemühten: „Das fand ich sehr positiv.“ Zunächst habe man durch den Kontakt zur Polizei weiterzukommen versucht. Die Beamten verwiesen jedoch auf die Natur-, Umwelt- und Abfallberatungsstelle, ging es doch darum, herauszufinden, wer in Fällen eines gestrandeten Seeadler-Jungvogels zu benachrichtigen ist – zumal unklar war, ob und was ihm fehlte.

Praktischerweise liegt die Umweltberatungsstelle fast gegenüber der Twiete. Carsten Pusch konnte unverzüglich die Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein informieren, die bezüglich des Einfangens und der Versorgung solcher Tiere die Mittel und Sachkenntnisse hat. Es war denkbar, dass es sich um einen verletzten, kranken oder geschwächten Vogel handelte, zumal nach der Hitzewelle der vergangenen Tage. „Aber eigentlich machte er einen guten Eindruck“, so Pusch. Es könne auch sein, meint er, dass der junge Adler in Bedrängnis durch andere die Kurve nicht richtig genommen hat und deshalb notlanden musste, erklärt Pusch, denn niemand sah, wie das Flugmanöver ablief. Gründe gäbe es durchaus.

Derzeit sind die Möwen im Brutgeschäft – meistens auf Hausdächern – und ziehen ebenfalls gerade ihre Küken auf. Das hält die Altvögel in stetiger Alarmbereitschaft, sich zur Abwehr auf jeden zu stürzen, der ihrem Nachwuchs gefährlich nahekommt. Wie sollten sie auch anders handeln?

Duplizität der Ereignisse: Als gerade der Seeadler im dunklen Durchgang verharrt, herrscht Riesenalarm am Himmel: Kreischende Möwen ziehen ihre Kreise über der Stadt. Und noch während Carsten Pusch darauf hinweist, vollzieht sich wie zum Beweis eine gemeinsame Attacke auf einen der Turmfalken, die ebenfalls in der Stadt leben. Über dem Stadtgrabenparkplatz fliegt er vor ihnen eilig davon und flüchtet. So könnte es auch dem Seeadler ergangen sein.

Aber noch während die Helfer vom Seeadlerschutz ihre Utensilien einpackten, wurde nichtsahnend die nicht verschlossene Tür seitens der Fußgängerzone geöffnet – und der Adler hob ab.

„Er flog erst auf mich zu und nahm dann die Kurve in Richtung Marktplatz und Schlossberg“, schildert Pusch. Er hatte den Vogel am Stadtgraben im Auge behalten. In diesem Augenblick telefonierte er und verpasste so den Start haarscharf. Fotografenpech. Die Möwen habe der junge Vogel prompt im Schlepptau gehabt. Noch lange Zeit habe der wilde Alarm am Schlossberg angedeutet, dass sich der Adler nun vielleicht dort in einem der alten Bäume aufhielt, mutmaßt Pusch. „Erst nach zwei Stunden war Ruhe.“

Dass der Vogel unberingt war, sagt Kai-Martin Gercke von der Projektgruppe Seeadlerschutz, zuständig für den Bereich Horstüberwachung, hat seinen Grund in der Tatsache, dass in den vergangenen Jahrzehnten erst einmal genug Küken beringt worden seien. Es gebe dadurch bereits viele Tiere, um Erkenntnisse über den Bestand zu gewinnen. Zudem würden diese Vögel bis zu 40 Jahre alt. In einer Abwägung sei entschieden worden, den Nachwuchs in diesem Jahr nicht zu beringen. Schließlich handele es sich dabei jedes Mal um einen für die Tiere belastenden Eingriff, gibt er zu bedenken. Folglich könne der Vogel aus der Fußgängerzone keinem bestimmten Horst zugeordnet werden; es werde sich jedoch um ein Nest in der Nähe der Stadt handeln. „Er wird eine Pause nötig gehabt haben“, vermutet er. Schließlich lernen die Jungen gerade fliegen. Und wie bei einem untrainierten Sportler ermüden die Muskeln nach einiger Zeit. Da hilft nur landen und ausruhen – selbst an außergewöhnlichen Plätzen wie diesem.

So sieht es auch der Kreisnaturschutzbeauftragte Bernd Koop. Doch gebe es gute Gründe, die Insel Hankenborg in den Blickpunkt zu rücken: „Erst vor ein paar Tagen sah ich da nämlich zwei dicke Jungvögel auf dem Nest sitzen“, erzählt er. „Wenn die ihre ersten Ausflüge machen, kann das schon mal schief gehen.“ Dabei würden die Jungen jetzt durchaus noch von ihren Eltern versorgt; aber nur morgens gebe es von den Altvögeln etwas zu fressen, „das war‘s dann für den Tag“. Und es liegt in der Natur der Sache, dass die vollgefutterten Youngster zwei Stunden später Lust auf Aktivitäten bekämen und die Umgebung erkunden wollen. Später am Tag werde sich die vierköpfige Vogelfamilie wieder vollzählig auf der Hankenborg-Insel versammeln.

Deshalb lautet sein guter Tipp: Einfach mal abends das Fernglas einpacken, ein nettes Plätzchen am Strandweg suchen und das Familienleben der Seeadler beobachten.


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