Reporter Eutin

„Wir wollen was ändern!“

Wollen Langzeitarbeitslosen Hilfe zur Selbsthilfe geben (v.li.): Kerrin Nissen-Carstens (Beschäftigungsagentur Neuland), Jürgen Meereis (Osterberg-Institut), Maike Hagemann-Schilling (KDA), Christian B. und Jens T. (Teilnehmer der „Zukunftswerkstatt“), Gerhard Kerssen (Jobcenter) und Doris Hinrichsen (Kreislandfrauenverband).

Wollen Langzeitarbeitslosen Hilfe zur Selbsthilfe geben (v.li.): Kerrin Nissen-Carstens (Beschäftigungsagentur Neuland), Jürgen Meereis (Osterberg-Institut), Maike Hagemann-Schilling (KDA), Christian B. und Jens T. (Teilnehmer der „Zukunftswerkstatt“), Gerhard Kerssen (Jobcenter) und Doris Hinrichsen (Kreislandfrauenverband).

Preetz (sh). Langzeitarbeitslose fühlen sich häufig isoliert und stigmatisiert. Kein Geld – keine Kontakte. Das Bild in der Öffentlichkeit über sie ist schlecht, „da zieht man sich zurück und erfährt gar nicht mehr, was um einen herum los ist“, bringt es Jens T. auf den Punkt. Der Familienvater aus Ruhwinkel ist seit drei Jahren arbeitslos. Gemeinsam mit 13 weiteren betroffenen Männern und Frauen möchte er aktiv werden, Kontakte suchen und sich selber helfen. Ermöglicht wird diese Hilfe zur Selbsthilfe durch das EU-Projekt „SEMPRE“ (Social Empowerment in Rural Areas – Stärkung von Menschen in ländlichen Regionen). In einer „Zukunftswerkstatt“, einem eintägigen Seminar am Osterberg-Institut in Niederkleveez, brachten die Arbeitslosen Beschwerden und Kritik schonungslos auf den Punkt. „Die Betroffenen leiden sehr unter ihrem sozialen Rückzug, das Selbstwertgefühl ist ganz unten“, berichtet Moderatorin Nicola Harder (Agentur Sprachsinn). Geld für Freizeitaktivitäten fehlt. „Irgendwann will man sich einfach nicht mehr ständig einladen lassen“, so ein Teilnehmer. Die mangelnde Mobilität stellt ein großes Hindernis dar, der Kontakt zu Behörden ist häufig mit Ärger verbunden aufgrund des persönlichen Empfindens, wenn man an Grenzen stößt; die Kinderbetreuung muss gewährleistet sein, um einen neuen Job zu finden. Aus den Beschwerden und der Kritik heraus sollen Auswege gefunden werden. Die Teilnehmer durften Wünsche äußern und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. „Dabei wurde schnell klar, dass es allen um gesellschaftliche Teilhabe geht“, erklärt Maike Hagemann-Schilling vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA), der das Projekt „SEMPRE“ koordiniert. Das Wort, welches am Meisten fiel war „Vernetzung“. „Vernetzung bedeutet, ich kann mir Gehör verschaffen“, sagt Jürgen Meereis, Leiter des Osterberg-Instituts, „Vernetzung bedeutet, ich kann aktiv etwas machen, erste Schritte gehen und Vernetzung bedeutet, es können Informationen, über beispielsweise Projekte, vermittelt werden.“ Die große Frage: Wo kann man sich treffen, ohne dass es Geld kostet, und wie kriegen wir das hin im Kreis Plön? Ideen gibt es viele. Ansprechpartner können bei Behördengängen behilflich sein, Mitfahrzentralen, Bürgertaxis und Car-Sharing die Mobilität verbessern. Welche Einrichtungen (VdK, AWO, SoVD) können möglicherweise diesen Prozess unterstützen? „Gerade soziale Dienstleister haben ein reges soziales Leben und können da helfen“, hofft Jens T. Die finanziellen Mittel möchten die Betroffenen über Stiftungen, Kirchengemeinden und Kommunen einwerben. „Man muss sich gegenseitig verstehen“, sagt der Geschäftsführer des Jobcenters Plön Gerhard Kerssen und wehrt sich gegen Vorwürfe, die Bürokratie seiner Behörde stelle unüberwindliche Hindernisse dar. „Ständig habe ich einen neuen Sachbearbeiter“, klagt ein Betroffener. „Das ist doch im Einzelhandel genauso“, erwidert Kerssen, „das hat man über Jahre auch nicht denselben Verkäufer.“ In diesem Jahr stehen dem Jobcenter Plön 6,5 Millionen Euro für die Eingliederung von Arbeitslosen zur Verfügung, im kommenden Jahr gibt es noch eine Million Euro oben drauf. Das Geld soll stärker in die berufliche Bildung fließen, „wie Umschulungen und Zertifikatslehrgänge“, erläutert Kerssen, „wir haben rund 400 neue Arbeitsplätze mehr als im Vorjahr, davon sind 80% qualifizierte Stellen. Wir brauchen mehr Facharbeiter und Akademiker.“ Kritik wurde ebenfalls geäußert über die vielfältigen Hilfen für Flüchtlinge. „Die scheinen alle Unterstützung zu bekommen, da werden Fahrten organisiert und sie können kostenlos Sport im Verein machen“, klagt ein Teilnehmer. Die Arbeitsgruppe aus der „Zukunftswerkstatt“ wird sich weiterhin treffen, um realistische Netzwerke zu planen und umzusetzen, denn „wir wollen was ändern!“ Neue Teilnehmer sind herzlich willkommen. Weitere Infos bei Maike Hagemann-Schilling unter Tel. 0431/55779-421, Email maike.hagemann-schilling@kda.nordkirche.de. und auf www.kda.nordkirche.de.


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