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„Wir lassen uns nicht kaputt sparen“ Protesttag: Die Apotheken der Region bleiben am kommenden Mittwoch geschlossen

Bundesweiter Protesttag.

Bundesweiter Protesttag.

Bild: E. Dörrhöfer

Plön/Preetz/Ascheberg (ed). Wer am kommenden Mittwoch zur Apotheke will, wird in den allermeisten Fällen vor geschlossenen Türen stehen, denn an diesem Tag setzen die Apotheken der Region ein Zeichen – ein bundesweiter Protesttag dagegen, dass die Apotheke als jederzeit erreichbare, persönliche Anlaufstelle vor Ort mit kompetenter, individueller Beratung, die unmittelbare Versorgung der Menschen immer schwieriger zu erhalten ist. Wie in Plön, Ascheberg und Schwentinental haben sich auch die Apotheken in Preetz zusammengeschlossen und gemeinsam entschieden, am Protesttag teilzunehmen – Bettina Krause von der Löwen-Apotheke am Markt im Gesundheitszentrum am Löwen, Monika Bendiksen von der Königlich Privilegierten Apotheke und Dr. Kay Hauschild von der Schwentine-Apotheke werden wie ihre Kollegen im Umkreis die Türen ihrer Apotheken am 14. Juni nicht öffnen. „Wir lassen uns nicht weiter kaputt sparen. Und wir tun das genauso für unsere Kunden wie für uns“, macht Bettina Krause klar, „denn wenn wir nicht mehr vernünftig versorgen können, sind die Menschen, die unsere Hilfe brauchen, die Leidtragenden.“ Und es sind viele Schwierigkeiten, mit denen die Apotheken schon seit Jahren zu kämpfen haben. Schwierigkeiten, die schon so manche Apotheke zum Schließen gezwungen hat. „Deswegen protestieren wir jetzt, damit nicht noch mehr Apotheken schließen müssen, denn es muss sich etwas ändern“, so Monika Bendiksen, „in vielerlei Hinsicht.“

 


Es ist vor allem die Vergütung, das sogenannte Fixum, das die Apotheken für jedes verschreibungspflichtige Medikament laut Arzneimittelverordnung erhalten – dieses Fixum wurde seit 2004 nicht wesentlich erhöht. Ganz im Gegensatz zu allen Kosten drumherum wie Energie, Miete und Löhnen, denn die Apotheken sind tarifgebunden und zahlen regelmäßige Lohnerhöhungen. „Alles wird angehoben, nur wir bleiben seit Jahren auf dem gleichen Level“, erklärt Bettina Krause, „da fehlt einfach die Verhältnismäßigkeit. Wir fordern eine Erhöhung des Fixums und eine jährliche Anpassung desselben, es muss dynamisch sein wie alles andere auch.“ Verschreibungspflichtige Medikamente, die 80 Prozent des Umsatzes der Apotheken ausmachen sind also nicht frei kalkulierbar– die restlichen 20 Prozent, die nichtverschreibungspflichtigen Produkte, unterliegen keiner Preisbindung. Das Geschäft mit diesen ist jedoch schwierig genug, da ein harter Preiswettbewerb mit den Versandapotheken besteht. „Da können wir nicht mithalten, so bleibt letztendlich immer weniger übrig.“

 


Weil aber für die Apotheken vor Ort vor allem die Versorgung der Patienten zählt, sie im Gegensatz zu einer Versandapotheke nicht nur Not- und Spätdienste übernimmt sondern auch alles daransetzt, jedes notwendige Medikament zu beschaffen, kommt derzeit aufgrund großer Lieferengpässe auch noch der zusätzliche Zeitaufwand dazu, den es erfordert, jeden Patienten so gut wie nur möglich mit Medikamenten zu versorgen. „Das wird aber immer schwieriger“, so Bettina Krause, „denn während normalerweise alles da ist, müssen wir im Moment immer wieder versuchen, die optimale Alternative zum Beispiel für ein Antibiotikum zu finden.“ So seien die Pharmazeutisch-kaufmännischen AssistentInnen derzeit permanent damit beschäftigt, Medikamente zu bekommen, vor allem Arzneimittel für Kinder – Recherchen, die intensive Beschäftigung mit dem Medikament und den Patienten, Anrufe bei den ÄrztInnen und Prüfung von Wechselwirkungen erfordern. „Wir verwalten den Mangel so, dass die Patienten trotzdem gut versorgt sind“, fasst Monika Bendiksen zusammen, „und das braucht Zeit.“ Eine solche Recherche könne bis zu fünf Stunden dauern, und jede Recherche für einen Patienten werde mit genau 50 Cent vergütet, auch hier fehle komplett die Verhältnismäßigkeit. Schlimmer aber sei die Tatsache, dass die Apotheken mit den Lieferengpässen alleine gelassen werden: „Wir stehen da und können nichts tun, das ist eine völlig verquere Situation.“ So stehe die flächendeckende und individuelle Versorgung der Patienten gerade empfindlich auf dem Prüfstand – „und dagegen müssen wir etwas tun“, sagt Bettina Krause.

 


Ein weiteres Thema sei der immer weiter zunehmende bürokratische Aufwand, dem die Apotheken unterliegen – Zeit für Dokumentation, die dann nicht nur bei der Beratung und Hilfestellung für den Patienten fehlt, sondern auch finanzielle Folgen haben kann. Insbesondere seien es die Retaxen, die ins Gewicht fielen, erklären die Apothekerinnen. Für jedes verschreibungspflichtige Medikament gehen die Apotheken in Vorkasse, kaufen es für ihre Patienten und schicken es dann an die Abrechnungsstellen, die es für die Krankenkassen abrechnen. Jedes Rezept muss dafür genau taxiert sein, das heißt, jede Angabe von der Telefonnummer und dem Vornamen des Arztes bis zur Dosierung muss stimmen, beim kleinsten Formfehler, auch der für die Versorgung des Patienten unerheblichste, wird das Rezept auf Null „retaxiert“ und die Apotheken bleiben auf den Kosten dafür sitzen. Und so genau man sein mag, es rutscht doch immer mal was durch, dann fehlt der Vorname des Arztes und die Krankenkassen lehnen es ab, das Rezept zu erstatten, obwohl der Patient optimal versorgt wurde. „Wir tragen also erhebliche finanzielle Risiken“, sagt Bettina Krause.
So ist es das Gesamtpaket, das den Apotheken die Arbeit immer schwerer macht. Aber nicht nur die optimale Versorgung der Patienten bei einer gewissen Wirtschaftlichkeit ist es, die sich die ApothekerInnen zu diesem Protesttag entschließen lässt. Es geht auch um die Arbeitsplätze, die Apotheken schaffen – sichere, attraktive Arbeitsplätze zu erhalten, vielleicht weitere zu schaffen, wird immer schwieriger, je weniger wirtschaftlich eine Apotheke arbeiten kann. Und auch das hat wiederum Einfluss auf die Versorgung der Patienten.

 


Die Apotheken bitten ihre Kunden daher, sich rechtzeitig zu bevorraten und Rezepte einzulösen. Natürlich sind Apotheken, die Notdienst haben, auch an diesem Tag zu erreichen und unter www.aponet.de zu finden. Für viele Menschen wird das – in einem Notfall – ein weiter Weg sein, aber auch das ist ein Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn immer mehr Apotheken schließen müssen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Denn das ist schon jetzt bittere Realität: „Als ich vor fünfeinhalb Jahren die Königlich Privilegierte Apotheke übernommen habe, hatten wir 13 Notdienste im Jahr“, erzählt Monika Bendiksen, „jetzt sind es gut doppelt so viele. Ich habe mal nachgefragt, wieso das so ist – die Antwort war, dass es damals noch 200 Apotheken mehr in Schleswig-Holstein gab, die seither schließen mussten.“ 200 Apotheken weniger für ein ländlich strukturiertes Bundesland mit ohnehin weiten Wegen.
Wenn die Apotheken am kommenden Mittwoch geschlossen bleiben, tun sie das, weil sie die Gesundheitsversorgung der Menschen vor Ort sichern wollen. „Unser Beruf ist das Helfen, wer diesen Beruf wählt, macht das für die Menschen“, sagt Monika Bendiksen, „wir kümmern uns um die Menschen, beraten, nehmen Anteil und hören zu. Und wir lieben, was wir tun, deswegen kämpfen wir dafür, das auch weiter tun zu können.“


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