

Kellenhusen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Deutschland feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Mit einem Festakt und einem Familienfest wurde dieses Jubiläum am vergangenen Samstag rund um das Gertrud-Völckel-Haus, dem Sitz der AWO-Mutter-Kind-Vorsorge, gefeiert. Eingeladen hatte der Kreisverband Ostholstein.
Kreisvorsitzender Peter Eichstädt begrüßte zahlreiche Vertreter von Land- und Kreisebene, die Ehrenamtler der 10 Ortsverbände in Ostholstein sowie Mitarbeiter der verschiedenen AWO-Institutionen. Gemeinsam blickte man im Rahmen einer szenischen Lesung mit Texten von Peter Eichstädt zurück auf die Geschichte des Wohlfahrtsverbandes, der ein Jahr nach Ende des 1. Weltkrieges durch die SPD auf Initiative der Politikerin und Frauenrechtlerin Marie Juchacz gegründet wurde. Ziel war die Verbesserung der Wohlfahrtsleistungen. Die Grundforderungen lauteten: der Einsatz für Menschenrechte, die Gleichheit aller vor dem Gesetz, der Kampf für Gerechtigkeit und Solidarität, das Engagement für Frauenrechte, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Gerechtigkeit und Solidarität.
Eigenständig organisierte Hilfe der Arbeiterschaft
Im verarmten Deutschland gab es keine soziale Hilfen für die Kriegsversehrten, Arbeitslosen, Witwen oder Waisenkinder. Durch die Arbeiterwohlfahrt entstanden in der Weimarer Republik Beratungsstellen, Volksküchen, Nähstuben und weitere Fürsorgeeinrichtungen. Für kranke und unterernährte Kinder wurden - wie zum Beispiel auch bei der AWO Neustadt und Eutin - Ferienverschickungen organisiert. Im Jahr 1933 hatte die AWO in Deutschland rund 135.000 ehrenamtliche Mitglieder. Doch vor dem nationalsozialistischen Hintergrund löst sich der Verband auf. Kurz darauf wurde er von der die NSDAP verboten, die fürsorglichen Aufgaben sollte die NS-Volkswohlfahrt übernehmen.
Marie Juchacz flüchtete 1941 nach New York und gründete dort für die Opfer des Nationalsozialismus die Arbeiterwohlfahrt USA, die legendären Care-Pakete ins hungernde Nachkriegsdeutschland schickte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die AWO als parteipolitisch unabhängige Hilfsorganisation neu aufgebaut.
Die AWO heute
Was 1919 als Selbsthilfeorganisation der Arbeiterschaft begann, gehört heute zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Mittlerweile gliedert sich die AWO in 30 Bezirks- und Landesverbände, 411 Kreisverbände und 3.514 Ortsvereine. Sie wird getragen von 333.000 Mitgliedern, 66.000 ehrenamtlichen Helfern und 212.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und unterhält über 13.000 Einrichtungen und Dienste, darunter Heime, Tagesstätten, Kindertagesstätten, Beratungsstellen, ambulante Dienste, Erholungsheime und vieles mehr. In Schleswig-Holstein wird die Arbeit von 18.000 Mitgliedern in 15 Kreisverbänden und 130 Ortsverbänden getragen. In circa 200 Diensten und Einrichtungen arbeiten 4.100 hauptamtliche Mitarbeiter und 2.600 Ehrenamtler engagieren sich im Verband.
Für ein soziales Europa
In Kellenhusen betonte der AWO-Landesvorsitzende Wolfgang Baasch, dass die AWO heute für ein demokratisches, friedliches und soziales Europa steht. „Mit diesem Eingeständnis gilt es, populistische und nationalistische Tendenzen in unserer Gesellschaft und in ganz Europa zurückzudrängen.“ Als AWO würde man in diesem Bereich bereits vieles leisten, wie zum Beispiel alle 100 AWO-Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein, zu sogenannten „Demokratie-Kitas“ zertifizieren zu lassen. Bei diesem Partizipationsprojekt dürfen Kinder mitbestimmen und selbst Verantwortung übernehmen. „Wir wollen selbstbewusste, starke Kinder, aus denen selbstbewusste, starke Erwachsene werden“, so Baasch.
Auch die stellvertretende Kreispräsidentin Gabriele Appel ging auf die vielfältigen Hilfen und Angebote der AWO in Ostholstein ein und dankte allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Bürgermeisterin Nicole Kohlert würdigte die AWO zudem als wichtigen Arbeitgeber, auch in Kellenhusen. (he)