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Petra Remshardt

Ein Stück des eigenen Glückes weitergeben – Neustädter Ärzte helfen einem nepalesischen Dorf

Zweiter humanitärer Einsatz der Hilfsorganisation „Via Cordium“ in Nepal zur Unterstützung des kleinen Dorfes Jhule, welches durch die Erdbeben 2015 stark zerstört wurde. Ein Einsatzbericht der Ärzte von „Via Cordium“.
 
„Jhule ma swaagatam“ begrüßt uns Tulku Lama und meint damit „Willkommen in Jhule“. Der freundliche Mann mit sonnengegerbter Haut lebt mit seiner sechsköpfigen Familie an einem grünen, mit Kartoffeln und Mais bewachsenen Berghang des Dorfes. Sein Haus, aus Feldsteinen und Lehm gebaut, wurde bei den schweren Erdbeben vollständig zerstört, die Familie stand von einem Moment auf den nächsten buchstäblich auf den Trümmern ihrer Existenz. Seit dem Unglück hat die Familie notdürftig ein Ersatzhaus aus Wellblech gebaut. Der humanitäre Einsatz beginnt! Wir sind vier Neustädter Ärzte der gemeinnützigen Hilfsorganisation „Via Cordium“, welche im September 2015 anlässlich der schweren Erdbeben in Nepal auf Initiative von Laura Hänsel und Mathias Tomala gegründet wurde.
 
In Kooperation mit einer nepalesischen Non-Profit-Organisation wurde ein gemeinsames Hilfsprojekt für die Erdbebenopfer ins Leben gerufen. Die Wahl fiel auf ein, durch die schweren Erdbeben zu 90 Prozent zerstörtes Dorf Jhule, in welchem rund 350 Menschen leben. Das Hilfsprojekt für Jhule beinhaltet drei Ziele: Bau eines Gemeindehauses, Unterstützung der lokalen Grundschule und medizinische Versorgung der Bewohner. Nach unserem ersten Einsatz im September 2015 sind wir nun erneut in Jhule angekommen. Von den Ruinen des Hauses von Tulku Lama können wir auf das sich noch im Bau befindlichen Gemeindehauses blicken. Im vergangenen Jahr haben die Dorfbewohner in mühevoller Arbeit mit unzähligen Spatenstichen einen riesigen Berghang abgetragen, damit hier das Gemeindehaus entstehen kann. „In dem Gemeindehaus wird Platz sein für einen Versammlungsraum, in dem sich der Dorfrat und die Frauengemeinschaft treffen können. Zudem soll Platz für Medikamente und eine einfache, erste Behandlung integriert werden. Ein Multifunktionsraum könnte außerdem Platz für einen kleinen Kindergarten bieten“, berichtet der Teamleiter von „Via Cordium“, Mathias Tomala, „das Leben im dem vollkommen zerstörten Dorf Jhule kann damit Schritt für Schritt wieder lebenswert gemacht werden“.
 
Die Grundschule von Jhule erreichen wir nach einer halben Stunde Fußmarsch. Neugierige Kinderaugen beobachten uns, wie wir den steinigen Schotterweg zu den drei Schulgebäuden hinaufsteigen, in dem rund 100 Kinder Platz finden. Die Familien dieser Kinder sind unverkennbar arm, die Schuluniformen sind verschlissen und mit Staub bedeckt. Die Mädchen tragen kurze Röcke, unter denen weite, traditionelle Hosen zum Vorschein kommen. Flip-Flops und Sandalen an den Füßen halten die Mädchen nicht davon ab, mit uns Fußball zu spielen. Danach lassen wir Hunderte von Seifenblasen über den Schulhof fliegen, bis es Zeit für ein Mittagessen ist. Gespendet von „Via Cordium“ erhalten die Kinder „Dal Bhad“, die nepalesische Leibspeise, bestehend aus Reis, Linsensuppe, Gemüse und Hühnchen. Wir sind beeindruckt, selbst die Vierjährigen kommen bereits nach wenigen Minuten zurück mit einem leeren Teller und bitten um Nachschlag. Höhepunkt unseres Besuches in der Schule ist die Verteilung der mitgebrachten Schulmaterialien. Die Augen der Kinder glänzen vor Freude – mit dieser Überraschung hat keiner gerechnet! „Thank you“ sagen sie und tragen stolz ihre Beute davon. Die fünf Lehrer der Schule helfen mit und übersetzten unseren Wunsch für die Kinder: eine bessere Zukunft durch Bildung.
 
Schnell spricht sich im Dorf herum, dass eine ärztliche Untersuchung durch uns vier Ärzte von „Via Cordium“ an drei aufeinanderfolgenden Tagen angeboten wird. Mütter mit ihren Kindern, Mädchen mit Schuluniform, Erwachsene mit unterschiedlichen Erkrankungen finden sich auf dem Schulhof ein, von welchem man auf die schneebedeckten Berge des Himalaja blicken kann. Die im Vorfeld besorgen Medikamente, Verbandsmaterialien und Instrumente zur Wundversorgung werden in einem der Klassenräume verstaut – und schon kann mit der Sprechstunde begonnen werden. Es werden zwei Teams gebildet, bestehend aus zwei Neustädter Ärzten und mehreren Helfern und Übersetzern der nepalesischen Partnerorganisation. Bei der Untersuchung bietet ein breites Spektrum von allgemeinen und chirurgischen Krankheitsbildern. Da ist ein 9-jähriges Mädchen Urmila, welche bereits seit vielen Tagen eitrige Wunden am Hinterkopf hat, ohne bisherige medizinische Behandlung. Vielen Patienten können wir helfen durch eine Wundversorgung, Medikamente und einen Rat – doch kommen wir auch an unsere Grenzen. Da ist ein älterer Mann mit den Folgen eines Schlaganfalls. Krankengymnastik, Rehabilitationsmaßnahmen wie wir sie kennen sind hier in Jhule undenkbar, denn eine Krankenversicherung gibt es nicht und die Kosten einer aufwendigen Behandlung können die Dorfbewohner durch ihren Ertrag auf dem Felde nicht stemmen. Urmila sehen wir am Tag unserer Abreise aus Jhule wieder – mit einem Strahlen im Gesicht, der Lohn für unseren Einsatz. Werden wir sie wiedersehen? Ja – denn in einem Jahr kommen wir wieder! Am Ende fällt uns der Abschied schwer. Was uns am meisten in Erinnerung bleiben wird? Das Bild der Schulkinder von Jhule, wie sie viele kleine, in Regenbogenfarben schimmernde Seifenblasen in die Luft pusten. Ein Sinnbild für eine bessere, leichtere und buntere Zukunft.
 
Über „Via Cordium“: Die humanitäre Hilfsorganisation ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein mit einem klaren Ziel: Organisation von überschaubaren Hilfsprojekten in aller Welt auf Augenhöhe mit direktem Kontakt zu den Betroffenen und Helfern vor Ort. „Via Cordium“ bedeutet übersetzt „Weg der Herzen“.
 
Termine: „Via Cordium“organisiert einen Bücherflohmarkt auf dem Weihnachtsmarkt der Schön Klinik Neustadt am Sonntag, dem 27. November in der Magistrale von 11 bis 17 Uhr. Für alle Interessierten findet außerdem eine Informationsveranstaltung über den 2. Einsatz in Jhule 2016 in der Schön Klinik Neustadt am Donnerstag, dem 15. Dezember im großen Konferenzsaal um 16.30 Uhr statt. Weitere Informationen gibt es auf der Website: www.via-cordium.com
 
Spendenkonto: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Kontoinhaber Via Cordium e.V., IBAN DE47300606010003271510, BIC DAAEDEDDXXX. (red)


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