

Neustadt. Er sitzt an seinem Schreibtisch und liest in alten Aufzeichnungen. Im Zimmer reihen sich Geschichtsbücher in den Regalen aneinander. Bilder an den Wänden erinnern an die Vergangenheit. Ein Auszug aus 90 Jahren Geschichte eines Menschen ist hier zu finden: Joachim Lippmann lud den reporter zu sich ein und gab ihm einen Einblick in sein Leben.
Geboren wurde er am 25. März 1928 in Neustadt. Hier verbrachte Joachim Lippmann seine Kindheit und Jugend, bis er im Januar 1945 mit gerade mal 16 Jahren zum Militär - Abteilung Flak - eingezogen wurde. Er erinnert sich noch genau an diese schreckliche Zeit: „Explodierende Geschosse, der starke Rauch und die Schreie meiner Kameraden haben mich in eine furchtbare Angst versetzt.“ Kurz vor der deutschen Kapitulation kam er als Kriegsgefangener nach Frankreich. Der wohl prägendste Lebensabschnitt begann: „In den zweieinhalb Jahren Gefangenschaft habe ich so viele Kameraden um mich herum sterben gesehen - 200 bis 300 jede Nacht. Sie erlagen an Typhus, Unterernährung, Ruhr und Kälte. Wir lebten in erbärmlichen Umständen und hatten Krätze, Flöhe und Läuse - teilweise gab es keine Öfen, kein Wasser, keine Zelte, keine Decken, kein Mantel. Geschlafen wurde auf dem Erdboden - bei jedem Wetter, Mann an Mann.“
Doch der Neustädter verlor nie den Lebensmut. Mitte Oktober 1947 durfte er schließlich zurück in seine Heimat. Bei seiner Ankunft erfuhr er, dass sein drei Jahre älterer Bruder Erich seit einer Fahrt mit dem Segelboot zur Cap Arcona verschollen war. Dieses Ereignis ist für Joachim Lippmann maßgeblich der Grund für sein unermüdliches Engagement gewesen, ab 1951 die Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) der drei Ortsgruppen Neustadt, Grömitz und Lensahn zu gründen und auszubauen. Auch er war ein leidenschaftlicher Segler und Schwimmer. Deshalb war er sich der Wichtigkeit dieser Institution bewusst und förderte den Nachwuchs aus dem Kreis Ostholstein. Hunderten von Kindern und Jugendlichen brachte der Schwimmmeister und Skiübungsleiter das Schwimmen und Skifahren bei. Vier Jahrzehnte war er ehrenamtlich als Kreisjugendwart tätig und gestaltete so die Nachwuchsarbeit im Kreisgebiet wesentlich mit.
Joachim Lippmann widmete für diese Jugendfreizeiten sowie nationale und internationale Jugendbegegnungen wie in Frankreich und der Tschechei viel Zeit, Geld und Familienleben. Mit Erfolg trug er zur Völkerfreundschaft bei. Über 60 Jugendfreizeitmaßnahmen und internationale Jugendbegegnungen mit etwa 2.200 Teilnehmern bereitete er vor und führte diese durch. „Ohne das Verständnis, den Rückhalt und das Mitwirken von Ilse wäre das so in diesem Rahmen nicht möglich gewesen“, dankt er seiner verstorbenen Ehefrau.
In der Zeit seines Wirkens bekleidete Joachim Lippmann selbstlos zahlreiche ehrenamtliche Posten und wurde für seine anerkennenswerten Leistungen bereits mit dem Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um die DLRG, dem Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, dem Ehren-Teller der Stadt Neustadt und der Ehrennadel des Kreises für seinen engagierten Einsatz im gesellschaftlichen Bereich ausgezeichnet. Trotz dieser Anerkennungen ist der 90-Jährige bescheiden geblieben.
Heute verbringt er seine Zeit mit seinen fünf Enkeln und zwei Urenkeln.
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