Gesche Muchow

PFC-Verunreinigung auch in Neustadt? – Einsatz von Löschschaum führte vielerorts zu Kontaminationen

Neustadt. Laut Bericht des Bayrischen Rundfunks sind zahlreiche Bundeswehr-Standorte durch den Einsatz von gesundheitsschädlichem Löschschaum verunreinigt. Dieser steht im Verdacht, krebserregende oder zumindest krebsfördernde Wirkung zu haben. Bestätigt sei die Kontamination des Bodens oder des Grundwassers in unterschiedlichen Ausprägungen bereits an 18 Standorten. Zahlreiche weitere Standorte gehören zu den sogenannten Verdachtsfällen.
 
Auch für das Gelände in Neustadt könne eine PFC-Verunreinigung nicht ausgeschlossen werden, bekannte ein Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) auf Nachfrage des reporters. Dies liege daran, dass hier „PFC-haltige Substanzen gelagert oder verwendet wurden oder dies nicht absolut ausgeschlossen werden kann“. Ob überhaupt und wenn ja, in welcher Schwere eine Verunreinigung in Neustadt vorliegt, kann die Bundeswehr jedoch noch nicht sagen.
 
In anderen Orten gingen die Kontaminationen so weit, dass neben dem Boden auch eine Verunreinigung des Grundwassers festgestellt wurde. Wie sich die Situation in Neustadt darstellt, ist derzeit noch ungewiss. Nach eigenen Informationen bearbeitet die Bundeswehr das Problem in mehreren Phasen. In Neustadt befinde man sich noch ganz am Anfang in Phase I, in der kontaminationsverdächtige Flächen zunächst erfasst und bewertet werden. Genaue Untersuchungen des Geländes und eine Gefährdungsabschätzung sowie gegebenenfalls eine Sanierungsplanung folgten erst in den Phasen II bis III, so die Bundesbehörde.
 
Konkrete Angaben, wann mit genaueren Ergebnissen gerechnet werden könne, werden nicht gegeben. Diese Ungewissheit ist vor allem für direkte Anwohner der Liegenschaft unbefriedigend. „Wir wässern unseren Gemüsegarten mit Brunnenwasser. Da macht man sich jetzt natürlich Sorgen“, berichten direkte Anwohner. „Wir sind vor allem enttäuscht, dass wir überhaupt nicht informiert wurden und mit dieser Ungewissheit so allein gelassen werden“.
 
Dass die Liegenschaft in Neustadt zu den Verdachtsfällen gehöre, liege an ihrer Nutzungshistorie. „Der Verdacht einer PFC-Kontamination besteht derzeit lokal begrenzt für den Bereich der Brandabwehr-Diensthalle“, erläuterte der Sprecher des Bundesamtes. Und weiter: „Die Standortangehörigen kommen mit dem möglicherweise betroffenen Boden bzw. Gewässer grundsätzlich nicht in Berührung, daher kann von einer Gefahr für die Beschäftigten an den Standorten nicht ausgegangen werden und es sind nach aktuellem Stand und nach hiesiger Auffassung keine Vorsichtsmaßnahmen notwendig“. Dies betreffe auch die direkten Anwohner und die Neustädter Bürger. Wann mit endgültigen Ergebnissen gerechnet werden könne, ließ der Sprecher des Bundesamtes jedoch offen: „Ob zukünftig Untersuchungen anstehen, kann derzeit nicht abgeschätzt werden“.
 
Auch Bürgermeister Mirko Spieckermann wurde seitens der Bundeswehr nicht über den Kontaminationsverdacht informiert. Auf Nachfrage des reporters erklärte er: „Wir haben zu dieser Thematik bislang noch keine eigenen Erkenntnisse, haben aber umgehend genauere Informationen bei der Bundeswehr angefordert und werden die Neustädter Bürger natürlich informieren, sobald diese vorliegen“. Ordnungsamtsleiter Klaas Raloff konnte nach Rücksprache mit Gemeindewehrführer Alexander Wengelewski mitteilen, dass die Freiwillige Feuerwehr Neustadt den fraglichen Löschschaum nicht verwende, sondern abbaubare Mittel benutze, die diese Giftstoffe nicht enthalten.
 
Auch die Bundeswehr-Feuerwehr benutze seit Inkrafttreten der EU-Richtlinie 757/2010/EU in den Feuerlöschkraftfahrzeugen für die Einsätze gegen Flüssigkeitsbrände einen sogenannten AFFF-Feuerlöschschaum, der PFOS-frei ist, aber erlaubte PFC-Substanzen enthalte. „Die Bundeswehr verzichtet aber unabhängig von diesen Vorgaben zu Übungs- und Ausbildungszwecken auch auf die erlaubten PFC-haltigen AFFF-Feuerlöschschäume“, teilte ein Sprecher des Bundesamtes mit. (gm)
 
Was ist PFC bzw. PFOS: PFC ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien. Hierbei handelt es sich um Verbindungen aus Kohlenstoffketten, bei denen Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt werden. PFC haben fett-, schmutz und wasserabweisende Eigenschaften und sind dabei chemisch und thermisch stabil. Auch in Löschschaum sind diese Chemikalien enthalten. In den letzten Jahren sorgte vor allem die Gruppe der fluortensidhaltigen Löschschäume (AFFF, aqueous film forming foam, also wasserfilmbildende Schäume) immer wieder für Unsicherheiten bei Feuerwehren und Umweltbehörden.
 
Der Grund dafür sind oftmals gravierende Umweltschäden in Bereichen, in denen diese AFFF-Schäume im Rahmen von Bränden oder bei Löschübungen eingesetzt worden sind. Ursache war ein spezieller Stoff, der seit 2006 EU-weit verboten ist und seit 2011 auch in Feuerlöschschäumen nur noch mit weniger als 0,001 Prozent enthalten sein darf: Perfluoroctansulfonsäure, abgekürzt PFOS. Da die Substanz unter normalen Umweltbedingungen praktisch nicht abbaubar ist, kann sie sich in der Umwelt anreichern. Sie steht im Verdacht krebserregende oder zumindest krebsfördernde Wirkung zu haben.
 
Hinweis der Bundeswehr zu PFC: "Ein Verdacht auf eine Kontamination besteht bereits, wenn durch die Nutzung der Liegenschaft ein Hinweis vorliegt, dass PFC-haltige Substanzen gelagert oder verwendet wurden oder dies nicht absolut ausgeschlossen werden kann. Das bedeutet nicht, dass für jede Verdachtsfläche ein Hinweis auf eine direkte Verunreinigung von Boden oder Grundwasser vorliegt.
 
Eine Kontamination liegt immer dann vor, wenn durch Untersuchungen PFC in Boden oder Grundwasser nachgewiesen wurden und die Konzentration die - bisher nur vorläufigen - Schwellenwerte überschreitet. Nicht jede Kontamination bedeutet gleichzeitig auch eine Gefährdung /Beeinträchtigung für Boden und Gewässer, die eine Sanierung erfordert, sodass nicht jede Kontamination saniert werden muss, solange sie nicht über das Grundwasser oder den Boden in den Nahrungskreislauf gelangt. Über die Notwendigkeit einer Sanierung entscheidet nicht die Bundeswehr, sondern die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden der Länder."
 


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