

Neustadt/Lensahn/Grömitz. Viele Schüler stehen immer wieder
ratlos an den Haltestellen und warten auf ihren Bus - vergebens. Eltern und
Schulen sind verärgert über die kurzfristigen Warnstreiks, die bereits seit
Anfang September andauern.
„Die Streiksituation ist sehr unbefriedigend. Es ist aus meiner Sicht
verantwortungslos, im ländlichen Raum den Busverkehr kurzfristig einzustellen.
Dies hat zur Folge, dass eventuell Kinder morgens bei Dunkelheit an Landstraßen
stehen. Bei allem Verständnis für Arbeitnehmerforderungen ist dies nicht
hinnehmbar. Hier werden Lohnforderungen über das Kindeswohl gestellt. Bei einer
verantwortungsbewussten Güterabwägung muss der sichere Schulweg Vorrang haben
vor tarifrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Busfahrern und
Busunternehmen“, zeigt sich Schulleiter Bernd Ziemens von der Grund- und
Gemeinschaftsschule Lensahn empört. Direktor des Küstengymnasiums Neustadt (KGN)
Karsten Kilian fügt erklärend hinzu, dass „diese Gegebenheit sehr schwierig ist,
was der Sinn und das Funktionieren eines Streiks ist, für den in diesem Fall die
Busbetriebe verantwortlich sind. Grundsätzlich handelt es sich also um ein
Problem, das nicht die Schule lösen kann. Es ist deshalb sehr wichtig, dass
Eltern und Schule zusammenarbeiten und nicht reflexartig die Schule medial als
Problemlöser angesprochen wird“. „Streikbedingt kann sich derzeit niemand auf
das fahrplanmäßige Fahren der Busse verlassen. Dies ist gerade für Schulkinder
absolut unzumutbar. Es kann meines Erachtens nicht sein, dass Streitigkeiten in
Form eines Streiks auf den Rücken der Schwächsten und gleichzeitig dem
Wertvollsten in unserer Gesellschaft, unserer Kinder, unserer gemeinsamen
Zukunft ausgetragen werden“, so eine betroffene Mutter. Zudem kritisiert sie,
dass den Kindern die Chance auf Bildungsgleichheit genommen werde, da Lehrer die
betroffenen Schüler teilweise früher aus dem Unterricht entlassen, um ihnen
längere Wartezeiten zu ersparen. Somit können sie nicht an Hausaufgabenzeiten
teilnehmen.
Karsten Kilian merkt an, dass das KGN ein sehr großes Einzugsgebiet aufweise,
wovon etwa 50 Prozent Fahrschüler sind. „Das Gymnasium ist sehr bemüht, den
Eltern ein guter Berater zu sein. Dies gilt vor allem bei der Begleitung der
wenigen und inzwischen fast nicht mehr vorhandenen Schüler, die es aufgrund des
Busstreiks tatsächlich nicht in die Schule schaffen. Die meisten Eltern haben
sich privat gut arrangiert und Fahrgemeinschaften gebildet. Nur äußerst wenige
kommen nicht zur Schule. Diese erhalten die Materialien durch Mitschüler
beziehungsweise über die schuleigene Lernplattform“.
Über den Ausfall von fahrplanmäßigen Fahrten oder längere Wartezeiten
versuchen die Bildungsstätten, betroffene Familien rechtzeitig in Kenntnis zu
setzen. „Schulen und Eltern erhalten die Informationen aus Zeitung oder Radio.
Lediglich ein Unternehmen hat uns zwei Mal nach Streikbeginn informiert. Da
waren die Kinder bereits in der Schule, wussten aber nicht, wie sie mittags nach
Hause kommen. In der vergangenen Woche musste die Großmutter einer Schülerin 35
Euro für ein Taxi bezahlen, damit die Enkelin nach Hause kommt“, so Bernd
Ziemens. Auch am KGN erfolge die Bekanntgabe der Streiks durch die Busbetriebe
erst am Morgen, die dann durch die Schule an die Eltern per E-Mail
weitergeleitet werde. „Das ist viel zu spät“, so Karsten Kilian. Pressesprecher
und Leiter Kommunikation Regionalbüro Nord (GNK H) Egbert Meyer-Lovis begründet
diese Umstände wie folgt: „Wir erfahren erst in den frühen Morgenstunden vom
Ausstand, geben diese Informationen schnellstmöglich über unsere Internetseite
oder übers Radio weiter. Für einen reibungslosen Schul- oder Arbeitsweg ist es
dann aber oft schon zu spät“. Er beanstandet zudem die Verfahrensweise der
Gewerkschaft: „Das Vorgehen von ver.di kritisieren wir und verweisen auf die
kürzliche Einigung mit dem privaten Omnibusgewerbe in Rheinland-Pfalz. Ver.di
feiert in Rheinland - Pfalz einen Lohntarifabschluss mit einer Laufzeit von 24
Monaten und jährlichen Steigerungen von 2,2 Prozent und 2,0 Prozent zu Recht als
großen Erfolg. Wir verstehen daher die realitätsfernen Forderungen hier im
Norden nicht. Die Tarifverhandlungen zwischen OVN und ver.di wurden am 8.
Oktober fortgesetzt. Gegenwärtig liegt ein Angebot der Arbeitgeber von insgesamt
fast 5 Prozent für 36 Monate vor“. Egbert Meyer-Lovis bedauert, dass die
Warnstreiks leider vor allem die Fahrgäste betrifft. Er verweist darauf, dass
der Busverkehr nicht von Autokraft eingestellt werde: „Der Streikaufruf erfolgt
ohne Vorankündigung durch ver.di und ist nicht in unserem Sinne“. Die
Pressestelle der Transdev GmbH fügt ergänzend hinzu: „Wir verstehen natürlich
den Ärger der Fahrgäste und bedauern außerordentlich, dass es wiederholt durch
Streiks zu Beeinträchtigungen beim Busverkehr gekommen ist. Als
verantwortungsbewusstes Unternehmen aus der Region ist es unser Bestreben, einen
verlässlichen und funktionierenden Busverkehr im Sinne unserer Kunden
anzubieten. Selbstverständlich versuchen wir, die Beeinträchtigungen und Folgen
von Streiks so gering wie möglich zu halten“. Bei Redaktionsschluss waren
Fortschritte in den Verhandlungen, die zu einem Ende des Streiks führen könnte,
noch nicht bekannt. Betroffene Kinder und Jugendliche werden derzeit in den
Lehranstalten „aufgefangen“ und betreut. „Sollte der Streik nach
Unterrichtsbeginn einsetzen, können die Schüler über Notmaßnahmen in der Schule
betreut werden. Die Bildungsstätte hat hier jedoch nur begrenzte Ressourcen. Bei
einem Ganztagsstreik, der bereits zu Hause beginnt, kann die Schule nicht
greifen“, so der Schulleiter des KGN. „In der Grund- und Gemeinschaftsschule
Lensahn besteht die Möglichkeit, dass Schüler sich in der „Insel“ aufhalten
können und dort betreut werden, bis beispielsweise Eltern ihre Kinder im
Privat-PKW abholen. Die Schüler können dort Hausaufgaben machen oder spielen“,
erläutert Rektor Ziemens.
Die NOB informieret die Fahrgäste im Streikfall unter der 24h-Service-Hotline
01807/662-662 und im Internet auf www.nob.de. (inu)